27.05.2025
20 Jahre ZLSB – Jubiläumspodcast mit ehemaligen und aktuellem Direktor im Gespräch

Podcastaufnahme im Medienlabor des ZLSB. v.l.n.r.: Herr Prof. Dr. Steffen Friedrich, Herr Prof. Dr. Axel Gehrmann und Herr Prof. Dr. Wolfgang Melzer
Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des ZLSB haben wir etwas Besonderes vorbereitet: Ein Podcast, der zurückblickt, reflektiert und den Blick nach vorn richtet.
Die Geschäftsführerin des ZLSB Juliane Sichler spricht einleitende Worte als Einführung. Anschließend kommen im Jubiläumspodcast die drei geschäftsführenden Direktoren aus 20 Jahren ZLSB – Prof. Dr. Axel Gehrmann (aktuell), Prof. Dr. phil. habil. Wolfgang Melzer und Prof. Dr. paed. habil. Steffen Friedrich (beide ehemalige Direktoren) – zu einem besonderen Gespräch zusammen. In einem offenen, persönlichen und zugleich informativen Austausch beleuchten sie die Entwicklung des Zentrums über zwei Jahrzehnte hinweg, teilen Anekdoten, Herausforderungen und Erfolge – und wagen gemeinsam einen Ausblick in die Zukunft der Lehrer:innenbildung.
Wie hat sich das ZLSB seit seiner Gründung verändert? Welche Meilensteine waren prägend? Und welche Wünsche und Ideen haben die Gesprächspartner für die kommenden Jahre? Diese und viele weitere Fragen werden im Podcast aufgegriffen.
Jetzt reinhören:
00:00
Intro Juliane Sichler
Hallo, und herzlich willkommen zum Jubiläumspodcast des ZLSB. Mein Name ist Juliane Sichler und ich bin aktuell die Geschäftsführerin des Zentrums. Die ehemaligen Direktoren und der aktuelle Direktor nehmen Sie nun auf eine 20-jährige Zeitreise ins Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung mit. Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Zuhören.
00:26
Speaker 1: Axel Gehrmann
Meine sehr verehrten Damen und Herren im Orbit des Zentrums für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung hier an der TU Dresden. Wir nutzen die Gelegenheit, uns zu vergewissern über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des ZLSB hier an der Technischen Universität Dresden. Das ZLSB ist eines der größten Zentren für Lehrerbildung in der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben mittlerweile fast 70 Beschäftigte in unterschiedlichen Kontexten und sind zuständig für die Gestaltung und Koordination der Lehrerbildung hier an der TU Dresden in Verbindung mit den Fakultäten und natürlich dem Rektorat und nutzen heute einmal die Gelegenheit des 20-jährigen Jubiläums des ZLSB mit drei Akteuren ins Gespräch zu kommen, beziehungsweise mit zwei wesentlichen Akteuren, die das Zentrum mitbegründet haben. Steffen Friedrich und Wolfgang Melzer, die die ersten Geschäftsführenden Direktoren des Zentrums gewesen sind. Und meine Wenigkeit als Geschäftsführender Direktor, Axel Gehrmann, seit 2012 Geschäftsführender Direktor, versuche ein bisschen durch diesen Podcast zu moderieren.
Vielleicht erst zu den Akteuren. Steffen Friedrich war Professor für die Didaktik der Informatik hier an der TU Dresden, schon viele Jahre vorher hier tätig, dann nach der politischen Wende hier Professor geworden. Wolfgang Melzer mit der Wende, mit der Integration auch der Lehrerbildung an die TU Dresden und der Neugründung auch der TU seit 1993 Professor für Schulpädagogik: Schulforschung hier bis 2013. Steffen Friedrich hat vorbereitend sehr intensiv bei der Gründung des Zentrums beigetragen über viele Jahre, ist dann ein Jahr lang Geschäftsführender Direktor gewesen von 2005 bis 2006 und dann Wolfgang Melzer von 2006 bis 2012. Insofern blicken wir jetzt heute eigentlich nicht nur zurück auf 20 Jahre ZLSB bis 2005, sondern eigentlich schon fast dreißig Jahre, denn Steffen Friedrich und Wolfgang Melzer haben schon fast 10 Jahre in Vorbereitung des Zentrums miteinander agiert. Schön, dass ihr da seid.
Wir kennen uns lange, sind uns persönlich sehr verbunden. Ich nutze immer wieder den Rat der Kollegen und wir sind immer wieder auch im Gespräch. Aber vielleicht fangen wir einmal an mit so einem Warm up. Wo stand denn eigentlich das ZLSB, Steffen, als ihr angefangen habt in den 90er Jahren bzw. dann so 2002, 2003? Wie sind denn die Ideen überhaupt entstanden für das Zentrum?
03:31
Speaker 2: Steffen Friedrich
Eigentlich muss man anfangen in der Geschichte der Lehrerbildung an dieser TU. Mit der Integration der Pädagogischen Hochschule wurde die Lehrerbildung in die Fakultäten verteilt und es gab relativ schnell eine gemeinsame Kommission Lehrerbildung, die dem Prorektor für Bildung unterstellt war und diese versuchte zu koordinieren, zu ordnen, zu verknüpfen, soweit das zwischen den Fakultäten, die ja alle im Aufbau waren, möglich war. Und dort kam relativ schnell die Idee und man spürte, dass das so nur mit dem Prorektor nicht möglich war, dass man mehr Kraft brauchte. Und auch spürte man, dass Studierende teilweise in den Fakultäten, wo es nicht so viele Lehramtsstudierende gab, allein gelassen waren, keine Stimme hatten. Das war die Basis darüber, dass wir nachgedacht haben, wie könnte man das Ganze verbessern? Wie könnte man schlagkräftiger in der Universität werden? Denn auch damals hatten wir, ich denke, so um die 4000 Lehramtsstudierende. Es waren circa 10 % der Studierenden.
04:50
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Zum einen gab es ja die Tradition der Berufspädagogik, das muss man bedenken. Und alles andere waren neue Studiengänge. Und das ganze Feld war in Bewegung. Und es gab einen Zwischenschritt, das war der Gründungsvorstand, dem Steffen Friedrich und der Kollege Sandfuchs und ich angehörten. Drei Professoren, berufen vom Rektor. Und wir hatten den Auftrag im Jahre 2004 bis 2006 sind wir tätig gewesen, das Zentrum zu gründen. Und in dieser Zeit ist sehr, sehr viel passiert. Gemessen an den heutigen Verhältnissen war ja Tabula rasa. Es war eigentlich nichts da. Es war kein Gebäude da, es war keine Geschäftsführung da, es war keine Sekretärin da. Aber was ich immer denke, wenn wir in Diskussionen sind mit Axel Gehrmann, mit den heutigen Verhältnissen, jede Zeit hat ihre Voraussetzungen. Damals hatten wir viel mit Konflikten zu tun. Wir hatten mit dem Aufbau zu tun, aber ich beneide auch den jetzigen Geschäftsführenden Direktor nicht, der nach einer Konsolidierung, nach einer Aufbauphase dieses Niveau jetzt halten muss. Vor allen Dingen auch, wenn es um die Forschung geht. Das war ja das Ansinnen von Beginn an, auch was sich in der Namensgebung abzeichnet. Der Auftrag des Gründungsvorstandes war, ein Zentrum für Lehrerbildung ZfL zu gründen. Zum Zehnjährigen habe ich ja den Weg gezeichnet vom ZfL zum ZLSB. Also wichtig ist dabei, dass die beruflichen Fachrichtungen, die Berufspädagogik mit auf die Weise integriert wurde in mühsamen Verhandlungen. Und das zweite war die Forschung, weil sich durch die Forschung…
06:26
Speaker 1: Axel Gehrmann
…die Reputation in der Universität ergibt. Aber bleiben wir noch ein bisschen in der Gründungsperspektive. Steffen, du hast noch an die 90er Jahre erinnert und mittlerweile ist es lange her, aber kannst du uns noch ein bisschen mitnehmen in diese Übergangszeit der 90er Jahre, der PH Integration und dann quasi dem Neuaufbau der TU Dresden? Wie konfliktreich war diese Integrationsleistung der Lehrerbildung und wie notwendig führt es eigentlich dann auch in so eine Zentrumsperspektive hinein? War das auch ein Integrationsversuch?
07:02
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ja, man muss da zwei Seiten sehen. Einmal ist die Frage der Integration der Pädagogischen Hochschule in die TU Dresden ein sehr schwieriger und auch mit vielen Untiefen gepflasterter Weg gewesen. Und dort sind auch sehr viele Kollegen, auch gute Kollegen auf der Strecke geblieben. Das muss man heute auch so sehen. Es haben sich entsprechend der Fachfakultäten bestimmte Bereiche durchsetzen können. Dort, wo es in der TU keine Fachausbildung zum Lehramt gab, dort haben sich mehr durchsetzen können als anderswo. Also, das muss man eigentlich im Nachhinein mit sehen. Aber diejenigen, die seitens der Pädagogischen Hochschule in die Universität gewechselt haben, die haben sich für Lehrerbildung ganz aktiv und massiv eingesetzt. Das ist schon so. Und die waren auch immer die Unterstützer und die Kämpfer in vorderster Front, wenn es um die Lehrerbildung geht.
Und Wolfgang, noch zu deiner Anmerkung:
Es war eigentlich nicht 2004 der Auftrag, sondern eigentlich hat die gemeinsame Kommission Lehrerbildung schon in den 2000er Jahren und 2001 ein erstes größeres Dokument veröffentlicht, wo die Struktur dieses Zentrums als eine wissenschaftliche Einrichtung und vor allen Dingen als eine zentrale Einrichtung außerhalb der Fakultäten charakterisiert ist. Und, ich glaube, das war im Nachgang eine ganz wichtige Entscheidung, die aber viel Gegenwind aus den Fakultäten hervorgebracht hat.
08:35
Speaker 3: Wolfgang Melzer
In der Kommission habe ich ja auch mitgearbeitet und das Ganze passierte ja nicht im luftleeren Raum. Und die Leute, die von woanders kamen, du hast deine Tradition hier vorgezeichnet von der PH, die hatten natürlich auch ihre Erfahrung. Zum Beispiel war ich an einer Reformuniversität in Bielefeld, da war eine Laborschule auf dem Campus, also Theorie, Praxis spielte eine große Rolle. Es gab Gremien, sowieso ein riesiges Zentrum für Lehrerbildung. Dann gab es eine Lehrerausbildungskonferenz parallel zum Senat. Und alle Dinge, die die Lehrerbildung betrafen, konnte der Senat nicht alleine beschließen. Zum Beispiel der Senat konnte keine Didaktikstelle streichen. Das sind natürlich Einflüsse, die mich jetzt auch geprägt haben und ich habe hier eigentlich in der Hinsicht nichts vorgefunden. Deswegen sagte ich Tabula rasa. Deswegen habe ich gern auch mitgearbeitet in dieser Kommission und die Ideen mit eingebracht. Und die KMK hat sich Gedanken gemacht, dass solche Zentren obligatorisch werden sollen.
Und die TU hatte in dieser Hinsicht eben auch viel aufzuholen. Da sind wir eben froh gewesen, dass ein weitsichtiges Rektorat unter Rektor Kokenge mit dem Kanzler Post, dem wir auch viel zu verdanken haben in der damaligen Zeit, zu dieser Beschlusslage eben gekommen ist. Und es war ja auch die Zeit der Verknappung der Ressourcen, der Stellenstreichungen. Und es war nicht nur die Idee, jetzt ein Zentrum zu gründen, die Lehrerbildung, wie es wörtlich heißt, aufzuwerten, sondern ein zweiter Nebensatz des damaligen Beschlusses lautete, was dem Bemühen, die Grundschul- und Mittelschullehrerausbildung an der TU Dresden zu erhalten, zugutekommt. Es war auch ein strategisches Ziel damit verbunden, den Lehrerausbildungsstandort Dresden eben zu erhalten, der in Gefahr stand. Also es sollte eine Konzentration von Leipzig, und die Lehrerbildung in Chemnitz wurde ja eingestellt, mittlerweile ist alles wieder angekurbelt. Und die Zahlen, die hatte die Kommission, die hatten wir, haben sie der Politik vorgetragen.
10:57
Speaker 1: Axel Gehrmann
Da gehen wir ein bisschen zeitlich weiter. Jetzt haben wir ein angefangen mit den 90er Jahren, da kommen quasi zwei pädagogische Traditionen auch ein bisschen zueinander, unterschiedliche institutionelle Erfahrungen. Und am Ende dieser 90er Jahre ist im Überschwang zu sagen, der vielleicht sogar Überdimensionierung der ostdeutschen Universitäten, kommt es zu einer, also um sie überhaupt wieder zu gründen, kommt es zu Kürzungssituationen. Und da muss man sich zeigen und da muss sich die Lehrerbildung eben wahrscheinlich auch zeigen. Und vielleicht waren ja die Papiere, das Terhart-Papier 1999 zum Thema Professionalisierung und Lehrerbildung, dann die Standards für die Lehrerbildung, wichtiger Außensteuerungselement. Denn ich möchte jetzt noch einmal auf diese Gründungssituation insofern kommen, als ihr gesagt habt, das ist konfliktreich gewesen. Könnt ihr das noch ein bisschen deutlicher beschreiben? Wer ist denn da immer derjenige oder wer sind denn diejenigen?
Denn man kann ja sagen, es gab die Terhart-Kommission, es gab auch im Landtag Interessen, dass sich Dinge organisieren, es gab auch international eine Hinwendung zu Standards. Wir haben die Diskussion um den Pisa-Schock gehabt. Also eigentlich sind das ja alles Signale, aufmerksam zu werden in der Universität für die Lehrerbildung. Aber irgendwie so richtig scheint da ja immer mal ein Haken dran zu sein.
12:24
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ja, aber negative Dinge vergisst man und mit der Zeit denkt man immer nur an das Positive im Nachgang. Aber es ist doch völlig logisch, dass bei knappen Ressourcen, wie Wolfgang Melzer das gerade beschrieb, die Fakultäten natürlich Sorge hatten, dass ihnen Personal weggenommen wird, dass ihnen Stellen weggenommen werden, dass ihnen Geld weggenommen wird, um die Lehrerbildung zu zentralisieren. Das war der Knackpunkt. Und die Fakultäten mit vielen Lehramtsstudenten waren da noch konsequenter und stärker über die Brust als die, wo das wenig eine Rolle spielte. So war eigentlich der Gang der Dinge. Und die beiden Burschen (Melzer und Sandfuchs) hatten es ja dann noch so, dass sie gesagt haben, pass mal auf, damit das nicht so klingt, als würde die Erziehungswissenschaft jetzt ein Zentrum gründen, da wirst du der erste Geschäftsführende Direktor. Dann ist das einer nicht aus der Erziehungswissenschaft. Das macht einen ganz anderen Eindruck in der Universität. Und so ist das gewesen.
12:57
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Das war ein wichtiger Schritt. Anders als in der Universität Leipzig sollte das Zentrum als eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung gegründet werden. Und welche Konflikte gab es und zwischen wem? Erstens zwischen beiden Ministerien. Die spätere Zusammenarbeit der beiden Ministerien war nicht angedacht, nicht im Kern. Es gab Konflikte mit der Hochschulleitung, z.B. bestimmte Errungenschaften, will ich mal so sagen, des Zentrums, die wir vorgebracht haben. Also ein gemeinsames Prüfungsamt, da weiß ich nicht, wie ich jetzt reagieren soll, was mir der Prorektor daraufhin gesagt hat. Oder, ein gemeinsames Praktikumsbüro auch z.B. auch Prüfungsbüro, abgestimmte Studienstrukturen und andere Dinge auch.
14:20
Speaker 2: Steffen Friedrich
Zeitfenster für Lehrveranstaltungen waren auch so ein Thema, was wir immer wieder hatten.
14:24
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Aber auch die fehlende Zusammenarbeit der Ministerien, das war ein Riesendefizit in der damaligen Zeit.
14:34
Speaker 2: Steffen Friedrich
Vielleicht auch noch eins, dass die Ministerien natürlich auch darauf aus waren, und das hat sich ja alles überlappt. Man muss sehen, es war der Bachelor-Master-Wandel, gerade zu dieser Zeit. Es war die Konzentration, der Wunsch der Ministerien, die Lehrerbildung in Leipzig zu konzentrieren und dann noch die Unklarheiten innerhalb der Universität. Es war ein sehr komplexer Prozess und dort ein bisschen im Fahrwasser zu bleiben, war auch für die Leitung der Universität sicher nicht immer einfach. Aber das war für diejenigen, die was Neues wollten, auch jeden Tag mit neuen Herausforderungen verbunden.
15:14
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Ich meine, die Bachelor-Master-Umsetzung war für die Erziehungswissenschaft als einer jungen Disziplin ein Glücksfall. Dieser Zwang, also eine Mathematik, eine Informatik, eine Biologie mit einer bewährten Fachsystematik hatte kein Problem, die entsprechenden Module zu formulieren. Aber in den Erziehungswissenschaften setzte es voraus einen Verständigungsprozess.
15:41
Speaker 1: Axel Gehrmann
Ein Kanon auch.
15:42
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Und einen Kanon. Aber so hat auch diese Reform vielleicht Vorteile erzielt.
15:50
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ich wollte damit nur sagen, es war eben nicht nur die Gründung dieses Zentrums, sondern die wurde überlagert von diesem Prozess der Studienstrukturumstellung im Sinne des Bologna-Prozesses. Und dort wurde nicht nur darüber diskutiert, sondern es wurde eben auch über die Modulbeschreibungen und so weiter diskutiert. Und in dem ersten Papier, was wir dann gemacht haben zur Gründung, ist nicht zufällig im Anhang an drei Beispielen eine Modulbeschreibung drin.
16:19
Speaker 1: Axel Gehrmann
Naja, ich gehe mal weiter. Wir haben die 90er Jahre, wir kommen zu diesem Moment um das Jahr 2000: PISA-Schock, Modularisierung, die Diskussion, die Verlagerung der Lehrerbildung nach Leipzig, Schließung Chemnitz. Das sind ja alles so Dinge, an die ihr euch erinnert, die für mich Historie eigentlich sind, die wir dann ab 2012 bzw. in den Zehnerjahren immer dann wieder noch rückkoppeln mussten. Und ihr habt beschrieben, eigentlich, da halte ich mich oft dran an dieser Begrifflichkeit (Wolfgang kommt ja aus Bielefeld), Reinhard Koselleck, einer der führenden Historiker, der hat ja immer gesprochen von Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeit oder Ungleichem zur gleichen Zeit. Das ist das, was eigentlich gemeint ist. Da passieren überlagernde Dinge, die an anderen Standorten schon vorangeschritten sind, am eigenen Standort noch nicht. Es ist eine bestimmte Situation da, oder? Also das ist etwas, glaube ich, wo man dann so eine Gelegenheit wahrscheinlich nutzt.
Und wenn ich mich erinnere an Helmut Fend, einen der führenden Bildungsforscher, der hat ja einmal, der sprach dann immer auch historisch von der Sattelzeit. Also es gibt so Sattelzeiten, in denen sich etwas wendet. Und das ist vielleicht so eine Sattelzeit-Situation eben im Kleinen gewesen, dass sich da 2005 was neu arrondiert. Es ist ja nicht das erste Zentrum, das dann gegründet wird, sondern in der Zeit werden im Verlauf dann viele gegründet, sodass wir heute über 60 im Grunde genommen in der Bundesrepublik haben.
Kommen wir zu eurer konkreten Tätigkeit, um diesen Rückblick ein bisschen abzuschließen. Was war euch denn selbst eigentlich besonders herausfordernd und besonders wichtig in eurer Arbeit? Steffen, als du angefangen hast, was hat dich so bewegt und konntest du Leute motivieren? Was hat dich angetrieben?
18:16
Speaker 2: Steffen Friedrich
Eigentlich war mir wichtig, dass Lehrerbildung an der Technischen Universität wertgeschätzt wird, dass sie ankommt. Und das zweite vielleicht, dass Studierende sich im Lehramtsstudium auch an dieser Universität wohlfühlen und nicht das fünfte Rad am Wagen sind. Und das dritte, weil wir in der Informatik viel mit Lehrern im berufsbegleitenden Studium zu tun hatten, dass die TU Dresden auch in den Schulen ankommt, dass Lehrerbildung an der Universität auch in den Schulen wertgeschätzt wird. Das waren so meine Dinge, die mich getrieben haben und das immer auf unterschiedliche Weise. Und da hast du immer mal Leute, die dir wieder mal eine Idee vermitteln oder die dir ein Negativerlebnis erzählen, was dich dann wieder antreibt.
19:07
Speaker 1: Axel Gehrmann
Aber wenn man im Positiven sprechen würde, wie du vorhin ja auch angefangen hast, also, das ist der Beginn der phasenübergreifenden Zusammenarbeit.
19:15
Speaker 2: Steffen Friedrich
Selbstverständlich.
19:17
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Also wichtig war, alle Akteure hier innerhalb der TU mit an Bord zu holen, also die beruflichen Fachrichtungen, die Berufspädagogik, die Fachdidaktiken, die verstreut waren. Einzelne Fächer hatten ja gar keine Fachdidaktiken und die Fachwissenschaften. Insofern hat man auch dann einen Fachwissenschaftler mit in den Vorstand gewählt, einen Historiker seinerzeit. Seinerzeit hatte der wissenschaftliche Rat eine wichtige Funktion, weil es die fakultätsübergreifende Rückkopplung war.
Eine Frage war ja die hinsichtlich der Leitungsfunktion. Was kann man erreichen als Geschäftsführender Direktor, mit einem Vorstand, vielleicht noch mit einer Geschäftsstelle, die ja sozusagen nicht besonders personell stark aufgestellt war. Was kann man erreichen ohne die Basis? Und es ist beides gewesen, in beide Richtungen. Und es gab natürlich viele Zufälligkeiten. Und eine große Zufälligkeit ist die spätere Ministerin gewesen, die abgeordnete Lehrerin am ZLSB war. Und vielleicht kann ich es in Form einer Anekdote auch formulieren.
Ich hatte die Begegnung mit Eva-Maria Stange beim GEW-Tag in Erfurt. Wir hatten einen Forschungsauftrag und wir haben die Ergebnisse dieser Forschung zur Gewalt in der Schule vorgetragen. Und im anschließenden Gespräch hat sie gesagt, sie lässt sich nicht noch mal wählen, sie kandidiert nicht noch mal. Da habe ich gefragt, was sind denn ihre Pläne für hinterher? Da hat sie gesagt, ich weiß nicht, ich gehe da mal nächste Woche zum Staatssekretär, der wird mir wohl keine Schulleitung geben. Und da habe ich im Scherz gesagt, lassen sie sich doch an das Zentrum für Lehrerbildung abordnen. Ich habe das gar nicht ernst gemeint und ich habe auch gar nicht gedacht, dass es realistisch sein könnte. Frau Stange ist kurz danach abgeordnet worden und hat ein Jahr im Zentrum für Lehrerbildung mitgearbeitet, unsere Arbeit in den Fakultäten unterstützt und an den Konzepten mitgearbeitet.
21:38
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ich würde die Story gerne fortsetzen. Ich wurde infolgedessen zum Personalchef im Kultusministerium bestellt, als Geschäftsführender Direktor. Und er sagte mir so, jetzt gucken wir mal, wie wir das am besten machen. Und daraufhin war die Abordnung perfekt. Und in der Folge hatten wir eine große Unterstützung, gerade was Diskussion mit den Fakultäten betrifft. Also, das hat uns unwahrscheinlich viel geholfen. Die Story endete, dass Eva-Maria Stange, die ich von der Pädagogischen Hochschule her kannte, mich zum Kaffeetrinken einlud am Zwinger und sagte, ab morgen bin ich Minister.
22:18
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Wir wussten das schon ein bisschen eher. Und interessant war, als kleines Zentrum für Lehrerbildung bemühten wir uns um Termine im Rektorat. Und wir bemühten und bemühten und bemühten uns und bekamen dann vielleicht einen Termin. Und dann wurde spruchreif, dass Eva-Maria Ministerin wurde. Und der Rektor Kokenge fragte bei unserem Sekretariat an, ob Frau Stange Zeit hätte für einen Termin im Rektorat. So haben sich die Verhältnisse dann gewendet und ich muss sagen, es hat einen qualitativen Aufschwung gegeben in der Zusammenarbeit der Ministerien, in der Zusammenarbeit beider Ministerien mit den Universitäten. Und es war eine fruchtbare Zeit. Und all die Dinge, das ins Gesetz aufzunehmen, die sind damals mitgeschmiedet worden in dieser Zeit. Wir haben da dieser Konstellation viel zu verdanken.
23:19
Speaker 1: Axel Gehrmann
Das Zentrum ist ja erst weit nach 2005, dann tatsächlich mit einem Halbsatz im sächsischen Hochschulgesetz gekommen. Da kommen wir nachher zu noch, wie es dann heute eigentlich ist. Aber das ist dann der Ursprung. Im Grunde genommen ist ja nicht nur der Ursprung, dass die Beziehungen zwischen den Ministerien untereinander sich vielleicht vergünstigt haben, aber auch die Beziehung über die Elbe hinweg, wie wir sagen, hat sich einfach erleichtert, sodass von dort auch mehr Rückenwind da war, als es vielleicht je dann der Fall gewesen war. Also, das ist, glaube ich, auch bis heute so, dass da eine Verbindung entstanden ist. Und die hat sicherlich einen ersten persönlichen Hintergrund.
23:59
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Aber es ist nicht nur atmosphärisch oder an der Oberfläche, sondern im Ergebnis wurden Zielvereinbarungen zwischen beiden Ministerien und den Universitäten vereinbart, verbindlich. Und da ging es auch eben um Lehrermangel, Zahlen, Probleme und so weiter. Also die Lehrerbildung hat seinerzeit durch diese gemeinsame Kommission einen enormen Aufschwung erlebt.
24:27
Speaker 1: Axel Gehrmann
Das ist ja dann noch der nächste Punkt, die persönliche Perspektive, dass Menschen sich engagieren und dann auch neue Aufgaben bekommen. Gleichzeitig institutionalisiert sich etwas Neues. Also diese gemeinsame Kommission hat es ja vorher schon gegeben, aber sie hat eine neue Bedeutung bekommen. Heute wäre es die Staatliche Kommission Lehrerbildung (STAKO), so heißt sie jetzt seit einigen Jahren. Sie hat noch eine größere Bedeutung über die Jahre bekommen.
Ich würde gerne noch in der Chronologie bleiben. Auf der einen Seite habt ihr eben diesen positiven Effekt gezeigt. Da kommt jemand, da haben wir eine Abordnung. Das ist ja übrigens der Ursprung der Abordnungssystematik in Sachsen, die ja einzigartig in der Bundesrepublik Deutschland ist. Wir haben mittlerweile 17 abgeordnete Lehrkräfte, Leipzig hat über 20.
Das Abordnungssystem ist der Versuch, Theorie und Praxis miteinander stärker zu verzahnen, die Lehrkräfte stärker wieder in die Universität zu holen, sie auch zu promovieren, weiter zu akademisieren und dann auch zu neuen Perspektiven in der Schule zu bringen. Also einzigartig in der Bundesrepublik. Nichtsdestotrotz ist diese Beziehungsebene ja auch durchaus schwierig gewesen, denn jetzt kommt so langsam kann ich mich an Dinge auch schon erinnern. Wir kommen so in die Zeit dann zwischen 2005 und 2010, da beginnen die Diskussion um den Lehrermangel. Da gibt es erste Papiere. Steffen hat einiges uns nochmal rausgesucht. Kannst du uns da noch mal mitnehmen, was ihr beigetragen habt, aufmerksam zu machen, dass die Lehrerbildung eigentlich noch mehr Wertschätzung braucht und noch mehr Ausbildungskapazität und warum das eigentlich nicht aufgenommen wurde?
26:08
Speaker 2: Steffen Friedrich
Das letzte kann ich dir nicht beantworten. Absolut nicht. Wir hatten eigentlich einen sehr intensiven Kampf um die Erhaltung der Lehrerbildung in der TU Dresden im Bereich Grundschule, im Bereich Mittelschule und wollten diesen Standort nicht aufgeben. Dafür haben wir Untersuchungen aus der Kommission Lehrerbildung-Untergruppe benutzt und dort gab es auch Zahlen zur Perspektive der Lehrerbildung. Und ich kann mich erinnern, dass, ich denke, 2005, 2006 zu einer Anhörung im Landtag war, wo es um die Entscheidung ging, wie geht das mit der Lehrerbildung weiter. Da hatte man verschiedene Gäste geladen. Interessanterweise waren fünf Redner aus Leipzig da und einer aus Dresden, sollten zwei sein, die Prorektorin hatte kurz vorher abgesagt. Und dort habe ich diese Zahlen bei der Anhörung offeriert. Und die Zahlen waren in etwa so, dass es einen guten Besatz gab in den Jahren 2001 bis 2005. Wir hatten auch einen positiven Lehrerbesatz bis zum Jahr 2010.
27:21
Speaker 2: Steffen Friedrich
Aber in dieser Studie war schon klar, dass ein Defizit im Lehramt für Lehrer in der Schule in der Größenordnung von 7000 Lehrern für Sachsen 2010 bis 15 und in ähnlicher Höhe von 2015 bis 20 hochgerechnet wurde im unteren Bereich. Und dabei war die Grundschule auch deutlich beteiligt. Und das war aber nicht ausreichend dafür, diese Studiengänge in Dresden trotzdem zu schließen, sie zu erhalten. Man hat die trotzdem geschlossen, obwohl die Zahlen dort öffentlich waren.
27:58
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Es gibt ja die Egoismen der Fächer auch und das Hemd ist näher als der Rock. Und dann gibt es eben Beschlüsse hier der eigenen Fakultät, den eigenen Bereich zu schonen, die Grundschullehrerausbildung aufzugeben. Und diese Beschlüsse hat es gegeben. Das waren die Kollegen, die im Zimmer nebenbei saßen. Und ich war Geschäftsführender Direktor im Zentrum für Lehrerbildung, der dafür gekämpft hat, mit anderen die Lehrerbildung zu erhalten. Und das Rektorat wollte im Grunde genommen durch den Beschluss auch diese Strukturen erhalten, war daran interessiert. So ist die Politik eben. Wir wissen, wer die zuständigen Minister waren und wir wissen, wer nicht aufgeschlossen war für rationale Argumente und für Zahlen, die vorgetragen worden sind von den Zentren.
28:51
Speaker 1: Axel Gehrmann
Kommen wir jetzt noch einmal, wir haben den institutionellen Kontext ein bisschen beschrieben, wir haben den politischen Raum ein wenig beschrieben. Jetzt für eure Tätigkeit selber über die Jahre, was ist eigentlich wichtig für so eine Geschäftsführung? Also, als ihr angefangen habt, seid ihr ganz wenige Personen gewesen, kaum eine Handvoll. Was hat euch so angetrieben bzw. was ist nötig, so ein Standing eigentlich in der Universität auch zu halten, dass man nicht so zur Seite gedrängt wird?
29:21
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Es gab eine Handvoll Überzeugungstäter, die sehr überzeugt davon waren, dass das der richtige Weg ist, und dass der Lehrerberuf ein wichtiger Beruf ist, und dass man an die Schulen denken muss, an die eigenen Kinder denken muss. Es geht ja weiter und nicht nur an fiskalische Überlegungen, die für die Politik dann vielleicht richtig sind oder hochschulinterne Probleme. 300 Stellen sollen gestrichen werden. Wir verteilen die mal auf die Fakultäten und dann sind eben im Bereich Bildungswissenschaften so und so viele Stellen abzugeben. Das Ganze wird als rationaler Prozess, wird verkauft und dann wird die erste Stelle frei für Internationales. Alle sagen, Internationales ist wichtig, das wichtigste Thema überhaupt. Aber diese Stelle wird dann als erste C4-Stelle gestrichen. Es sind viele Irrationalitäten, mit denen wir eben zu kämpfen hatten. Aber die Motivation dieser Gruppe war da.
Ich denke, die Zusammenarbeit war wichtig und auch die Rückkopplung zu den Mitstreitern in den Fachdidaktiken, in den Fächern. Aber es gab viele Punkte, da waren wir kurz vorm Ende. Es waren enorme Belastungen auch für mich persönlich damit verbunden. Und da habe ich mir auch Rat und Coaching geholt, wie ich strategisch vorgehe. Das muss man sich nochmal auch überlegen. Ich sage es nochmal, der Kollege nebenan hat beschlossen, dass dein Laden dicht gemacht wird. Wie geht man damit um? Den sieht man jeden Tag.
31:05
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ich denke aber, Wolfgang, es war auch so, dass wir drei, die das Gründungsgremium waren, uns eigentlich perfekt verstanden haben von Anfang an und wussten, was wir wollten. Und da blieb auch nichts ungesagt, wenn die Türe zu war. Und das hat viel geholfen, hat auch manchmal Frust abgebaut, den wir mitgebracht haben. Und wir hatten eine Reihe von Kollegen, was du schon sagtest, in den Fachdidaktiken, die sich genauso mit engagiert und uns unterstützt haben. Das war, glaube ich, die Basis. Das zweite, was mir geholfen hat, was mich getrieben hat, war die Unterstützung im eigenen Bereich. Also, ich habe in meinem Umfeld ja schon viel mit Schulen und dem Kultusministerium zu tun gehabt, durch die Bildungsserver, Digitalisierung und was da alles war und die Rückkopplung durch die Lehrer, die wir ständig hier an der Universität hatten.
Und das hat mich dann auch immer wieder getrieben, dort etwas zu tun, was der Schule und der Lehrerbildung nützt.
32:01
Speaker 1: Axel Gehrmann
Drehen wir es jetzt mal so ein bisschen und gucken langsam, was sich dann weiterentwickelt hat. Also wir haben dann gemeinsam dieses QUER-Projekt gemacht, also überhaupt angefangen, neu über den Ersatzbedarf zu denken und das auch konkret umzusetzen. Ein neues Programm für den Seiteneinstieg oder für einen qualifizierten Seiteneinstieg. Das eine war auch nicht leicht, kannst du sicherlich gleich ein bisschen was noch zu sagen, dann sind wir schon in den 2010er, 2012er Jahren. Aber ich will noch mal zurück, dass ihr gesagt habt, ihr seid sehr zu dritt unterwegs gewesen, habt euch gestärkt, Unterstützung auch durch die Fakultäten oder durch die Fachdidaktiken gehabt. Da sag ich jetzt mal aus meiner Perspektive, kann sein, dass es auch noch ein bisschen die übergeleitete DDR-Tradition war. Man kannte sich sehr gut und hatte da quasi so eine ungemein intensive Beziehung und es gab noch nicht, das richte ich jetzt in Richtung Steffen.
Und das andere ist, es gab auch noch nicht in Richtung der westdeutschen Perspektive, vielleicht aus der Geschichte, so starken Hinwendungen zu individuellen Zielvereinbarungen, wo Menschen darüber abgerechnet werden, vielleicht nicht, wie viel Engagement sie in der Lehrerbildung vorlegen, sondern wie viel Aufsätze sie schreiben und wie viel Drittmittel sie produzieren. Also konnte quasi eure Kreativität und Dynamik auch existieren, weil es andere Referenzpunkte des Drucks für Professuren nicht gab?
33:51
Speaker 2: Steffen Friedrich
Also, das mit der Tradition ist keinesfalls so, denn die Kollegen, die das unterstützt haben, kamen überall her und das war einfach die Einstellung zur Lehrerbildung, die uns getrieben hat. Und es hat dem Ganzen geholfen, dass auch in den Bereichen teilweise Mitarbeiter waren, die ich persönlich seit 10 oder noch mehr Jahren kannte. Und auf diese Weise ist man dann natürlich schneller auf den Punkt gekommen und hat sich verständigt und hat sich geholfen und so weiter. Also das war absolut nicht. Der Druck, der mit den Drittmitteln und ähnlich da war, der war natürlich auch in der Fakultät da.
Ich hatte damals, Gott sei Dank, einen Dekan, der Andreas Fitzmann, kann man ruhig mal sagen, der sehr engagiert auch für die Lehrerbildung sich eingesetzt hat, der mir damals gesagt hat, pass mal auf, es zählen nicht nur die Drittmittel, sondern du hast hier fünf Abgeordnete, halbe Lehrerstellen und das rechnen wir mal zusammen, was das an Geld macht und das sind eigentlich auch Drittmittel. Und diese doppelte Sicht, die war häufig auch nicht so da.
35:03
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Dieses Dilemma war ja da. Meine Forschungen liefen ja an der Fakultät und dafür für DFG-Projekte gab es Kompensationsmittel. Und das war ja eine schulbezogene Forschung. Ich hätte diese Untersuchungen hier zur Aggression und Gewalt von Schülerinnen und Schülern oder zum Gesundheitsstatus, die WHO Studie, genauso gut am ZLSB machen können. Dann hätte ich aber meine eigene Professur ausgehöhlt. Dieses Dilemma war immer da und wir sind angefangen dann mit studiengangsbezogenen Forschungen, sozusagen kleineren Forschung, also die sich rankten um die Ausbildung von Lehrern und die Evaluation von Studiengängen. Und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Untersuchungen, meinetwegen wie Fend sie gemacht hat, oder wie wir sie gemacht haben, die Zentren stärken könnten in ihrem Forschungsprofil. Für mich war das damals eben ein Dilemma. Also, wenn ich die Projekte ans ZLSB gezogen hätte, hätte ich mir sozusagen meine eigene Professur geschmälert.
36:15
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Ich glaube, dass das für den jetzigen Geschäftsführenden Direktor auch ein Thema ist, ja, auf jeden Fall.
36:20
Speaker 1: Axel Gehrmann
Also, du triffst da genau eine Perspektive in der Verantwortungsverlagerung. Die Aufmerksamkeit in der Größe der jetzigen Einrichtung macht es im Grunde genommen nötig, es vollzeitig zu machen, weil du nimmst eigentlich für 70 Personen Verantwortung und nochmal 60 bei BQL, dem Seiteneinstiegsprojekt. Ich sage immer, ich leite ein „kleines mittelständisches Unternehmen“ mit Teamstrukturen und so weiter. Das hat sich bei euch angelagert, aber hat sich eben weiterentwickelt. Und das führt genau zu diesem Dilemma, das man hat, und wir haben es ja in der Forschung im Zentrum dann, du hast gesagt, die kleinen Projekte über die letzten Jahre dann immer weiter, auch im Rahmen der Qualitätsoffensive, da kommen wir ja gleich noch zu, dass wir gesagt haben, wir organisieren Lehrerbildungsbegleitforschung.
Und das ist für mich selbst, ich komme aus der Lehrerbildungsforschung, insofern konnte ich meine individuellen Interessen und diese Forschungsinteressen auch mit den Interessen des Zentrums oder unsere gemeinsamen Interessen, die wir begründet haben, zu den alternativen Wegen in den Beruf, mit der Zentrumstruktur verknüpfen. Aber da muss man was finden, was dann passt.
37:35
Speaker 2: Steffen Friedrich
Aber sage mal, war es nicht auch viel schwieriger für diesen Bereich überhaupt Drittmittel zu bekommen? Also ich kann mich erinnern, dass wir mal einen Graduiertenkolleg in der gemeinsamen Kommission Lehrerbildung Ende der 90er aufgeschrieben und beantragt haben. Das war im Nachhinein, ich habe mir es jetzt mal wieder durchgeblättert, eine tolle Idee, die dahintersteckte und die aber seitens der Begutachtungsstelle so vom Tisch gewischt wurde, ohne nötigen Tiefgang. Und ich glaube, es war auch wirklich in diesem Zeitraum, vielleicht so bis 2010, sehr schwierig, in diesem Bereich der erziehungswissenschaftlichen Forschung und der Lehrerbildung auch Forschungen finanziert zu bekommen von anderen Stellen. In der Informatik war das immer ein bisschen leichter vielleicht. Da hat es dann webbasierte Projekte gegeben, die die EU gefördert hat und so. Da hat man eher noch einen Fuß in die Tür gekriegt. Aber an diesen Stellen war es schon kompliziert und das Gutachtungs- und Genehmigungsverfahren war auch sehr schwierig.
38:54
Speaker 1: Axel Gehrmann
Das würde ich erstmal bestätigen. Ich nehme mal das Beispiel, das Wolfgang Melzer und mich verbindet. Er hat mich ja im Grunde genommen gekapert, so als Geschäftsführender Direktor, hat nicht alles erzählt, als er mir das übertragen hat und hat aber ein Projekt gefunden, wo wir uns gemeinsam verbunden haben. Das war eben das QUER-Projekt, die erste Option im Grunde genommen, alternativen Weg in den Beruf zu organisieren. Und da war ja interessant, das hat ja im Grunde der Bund nicht gefördert, das Land eigentlich auch nicht, sondern es ist durch den europäischen Sozialfonds gefördert worden für die Strukturentwicklung peripherer Räume oder regionaler Kontexte oder so, also benachteiligter Region. Das war im Grunde genommen der Kontext. Aber da konnten wir eigentlich im Zentrum, das war eigentlich das erste Mal eine Verknüpfung zwischen der Professur und auch dem Zentrum, würde ich sagen.
Und da sind 1 Million € geflossen und das hat einen richtigen Wumms gemacht, oder?
39:47
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Dem Quer- und Seiteneinstieg stehe ich und stand ich ambivalent gegenüber. Es ist die Frage, ob das, wenn es mit Qualität entwickelt wird, diese Ausbildungsprogramme, ob das äquivalent sein kann. Die damaligen Maßstäbe für die Aufnahme von Quer- und Seiteneinsteigern, die waren ja sehr hoch. Ich würde mal sagen, so 80 % derjenigen, die heute Quer- und Seiteneinsteiger sind, die hätten keinen Zugang bekommen zu unserem Programm, weil die Auswahlkriterien so hoch waren. Also zwei Fächer, Ausbildung in zwei Fächern und so weiter. Es war einfach bei der Schwierigkeit, Forschungsmittel zu akquirieren, eine super Gelegenheit. Ich hätte auch zugegriffen bei einem anderen Thema, würde ich ehrlich sagen, man kann aus dieser Forschung sehr viel machen. Und ich glaube, dass das Projekt immer noch modellhaft war.
Ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir die Leute auch in der Praxis qualifiziert haben, das bessere Modell war im Vergleich zu dem, was heute passiert. Ich wünschte mir eine grundständige, auch bildungswissenschaftliche Qualifizierung der Personen. Ich wünschte mir eine Begleitung auch in der Berufseinbindungsphase. Ich wüsste gerne, wenn ich an Forschung denke, was ist aus den Leuten geworden, mit welchen Schwierigkeiten haben sie zu kämpfen? Da gab es ja ein Stück weit Begleitforschung, die dann abgeebbt ist. Aber ich würde heute noch weitergehen und würde was mich interessiert an dem wie wirkt sich das aus, dass an den Schulen so viel oder so wenig, wie viel wissen wir nicht genau an den verschiedenen Kolleginnen Quer- und Seiteneinsteiger sind? Wie wirkt sich das aus für die Kooperation im Kollegium? Wie wirkt sich das aus für die Qualität des Unterrichts? Wie wirkt sich das aus für die Schüler?
Und hier sehe ich eine Möglichkeit, also die Schulforschung mit der QUER-Forschung zu verknüpfen und zu verbinden und so ein bisschen tiefer als nur zu schauen, wie ist der Verbleib, wie viel Abbrecher gibt es und so weiter, obwohl ich mir der methodischen Probleme sehr bewusst bin. Wie messe ich das, die Auswirkungen, die Kausalitäten?
42:30
Speaker 1: Axel Gehrmann
Wir haben ja damals auch schon breit darüber diskutiert, wie können solche Projekte aussehen, was kann man beforschen? Da komme ich dann quasi in den 2010er Jahren langsam dazu. Bis 2014 haben wir das Projekt gemacht, 2014, 2015. Dann sind ja die gleichen Personen, die 2012 gesagt haben, so ein Projekt brauchen wir nicht, zu uns gekommen und haben gesagt, Herr Gehrmann, machen sie mal. Das war ja dann schon auch interessant, dass das eigentlich von den gleichen Akteuren oder aus den gleichen Häusern dann kommt. Aber man hat es dann schon auch eingesehen. Aber wir mussten auch einsehen, dass wir nicht alles umsetzen konnten, was wir uns gewünscht haben. Insofern fehlt nach wie vor die bildungswissenschaftliche Vertiefung.
Gleichzeitig würde ich aber sagen, es sind eben allein in Dresden seitdem 1000 Personen qualifiziert worden in einem Programm, was einzigartig in der Bundesrepublik ist, dass es eben tatsächlich eine zweitägige Betreuung über zwei Jahre gibt, eine universitäre Anbindung, was es ja in den meisten Kontexten in der Bundesrepublik nicht gibt. Es sind also auch hier natürlich Kompromisse. Es ist eine Frage des Geldes und auch eine Frage, wie schnell die Menschen diesem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Aber wir wollen, glaube ich, diese Diskussion sollten wir vielleicht jetzt nicht vertiefen, sondern noch mal gucken. Euer Blick eigentlich jetzt auf die Zeit nach euch. So, ich nehme das QUER-Projekt, einmal ein Projekt für 1 Million €. Dann haben wir noch in der Übergangszeit, Wolfgang Melzer hörte auf, ich fing an im ZLSB 2012, haben wir zum ersten Mal zusammengesessen für die Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB). Daraus erwuchs später TUD-SYLBER (Synergetische Lehrerbildung im exzellenten Rahmen).
Ich weiß noch, wie wir die ersten Papiere, das erste Papier gemacht haben, habe ich mir die Tage auch noch mal angesehen. Hättet ihr da erwartet, was daraus wird eigentlich 2012?
44:29
Speaker 2: Steffen Friedrich
Absolut nicht.
44:30
Speaker 1: Axel Gehrmann
Verknüpft das mal mit der Perspektive eigentlich jetzt der letzten Jahre.
44:34
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ich war sicher guter Hoffnung, aber es war damals die Zeit, dass wir an verschiedensten Stellen ja solche Sachen gesucht haben, zusätzlich Mittel und Personal zu akquirieren, um Dinge voranzubringen. Das war eigentlich unser Mühen und da haben wir auf allen Feldern gegrast und überall geschaut, wo man was machen konnte. Und, ich muss es auch so sagen, leider nicht immer die Unterstützung der zuständigen Ministerien gehabt. Also, es waren wenige tausend Euro, die ich damals vom SMK brauchte, um vielleicht ein größeres Projekt mit dem SMWK zu machen, die ich nicht bekommen habe. Sonst wären wir in der Digitalisierung schon drei Schritte weiter. Aber, insofern war jeder Halm, war ja schön und wir haben uns versucht, passend zu machen und unsere Dinge einzubringen und möglichst vielschichtig das so zu machen, dass das in der Universität breit aufschlägt und dass wir auch was bewegen können.
Eigentlich mit demselben Fokus, den wir von Anfang an hatten. Wir wollen die Lehrerbildung in der Universität auf einem sehr guten Level haben. Wir wollen aus der Universität in die Schulen wirken. Das waren eigentlich die Dinge, die von Anfang an in der Gründungsphase bis heute, glaube ich, ein wichtiger Meilenstein sind.
46:03
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Also, ich habe das mit hoher Anerkennung begleitet und TUD-SYLBER war das richtige Thema zur richtigen Zeit. Also, wenn man dasselbe Thema 20 Jahre vorher gehabt hätte, hätte man keine Ressourcen dafür bekommen. Das Programm war dafür ausgelegt. Das ist das Problem heute, dass das Programm ausgelaufen ist. Welches ist jetzt die neue Perspektive? Das zweite, Einzelheiten kann ich nicht genau sagen, aber die Ergebnisse von SYLBER reichen ja bis in die Praxis hinein, bis in die Region hinein, bis in die Institution hinein, bis in die Beratung, bis in die Strukturen, die verbessert werden. Erste, zweite, dritte Phase. Also, ideale Verbindung eigentlich praktisch von Theorie und Praxis, also mit hoher Anerkennung und Bewunderung auch. Und es hat dem ZLSB Renommee gebracht in der Universität, das ist erstmal festzuhalten, aber sowas verflüchtigt sich eben auch schnell. Und insofern, jede Zeit hat ihre Herausforderung.
Also, ich denke, wir sind jetzt wiederum an einer Zäsur, dass man sich genau als Geschäftsführender Direktor, als Verantwortlicher im ZLSB überlegen muss, wo geht die Reise hin, nachdem alles so wunderbar konsolidiert und sich entwickelt hat.
47:33
Speaker 2: Steffen Friedrich
Aber, du musst die Anerkennung auch dem Axel jetzt sagen, wie er diesen Widerständen und Gegnerschaften damals getrotzt hat und dem widerstanden hat. Da habe ich den Hut gezogen damals und das mache ich heute noch.
47:49
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Darüber sind wir im Austausch gewesen und haben auch so manches stärkendes Gespräch darüber geführt. Manches ist einem bekannt vorgekommen.
47:58
Speaker 1: Axel Gehrmann
Ja, also das ist natürlich schon hilfreich. Auf der anderen Seite stehst du halt im Wind und musst es dann eben auch selber machen. Aber man muss schon sehen, glaube ich, dass auch das Momentum auch damals, wenn wir über Akteure sprechen, der neue Rektor auch verstanden hat, für den Moment es auch mit zu unterstützen. Also Frau Schäfer hat es mit unterstützt, dann eben auch Herr Müller-Steinhagen hat es unterstützt. Manche in den Fakultäten haben es, glaube ich, erst gar nicht so richtig verstanden. Mancher wollte es umdrehen und für sich nutzen.
Und, ich glaube, wir haben mit TUD-SYLBER drei Dinge gemacht. Wir haben etwas für die Organisation des Zentrums getan, wir haben was zur Qualitätssicherung getan und wir haben genau das entwickelt, was wir zur regionalen Vernetzung machen wollten, dass wir in die Fläche kommen. Und das zweimal, dann mit den Beruflern auch zusammen noch und dann konnten wir ja keine weiteren Anträge mehr stellen, weil wir alles ausgeschöpft hatten. Die Leipziger hatten ja nicht reüssiert und dann noch mit den Leipzigern zusammen noch ein Digitalisierungsprojekt zusammen gemacht zu haben.
Insofern, ich fasse einmal zusammen, 14,5 Millionen € sind dann auf die Uhr gekommen, sodass mit allen anderen Projekten aus den letzten Jahren ich so über den Daumen sagen kann: Es fing mit der Million an, aber wir stehen mittlerweile bei 35 oder so. Also das zeigt, wie die Mitarbeiterstruktur sich entwickelt hat und wie Projekte und, auch so etwas wie Schullogin bei euch jetzt in der Informatik, einfach zu uns kommen, weil die Institution ZLSB, glaube ich, dann auch funktioniert.
49:36
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ja, aber du musst auch sagen, dass es Dinge sind, die wir als Ideen in unserem ersten Konzept drin hatten. Wir müssen, du sagtest vorhin Prüfungsamt und Studienbüro, dir ist es gelungen, über das Projekt das zu institutionalisieren. Das ist ja nun auch nicht so einfach vom Himmel gefallen. Und es sind Dinge entstanden, die wir als Wunsch und Ideen immer so als Wolken formuliert haben. Und die sind Wirklichkeit geworden durch die Projekte und durch das Engagement jetzt. Und das ist eigentlich das Schöne. Und ich glaube auch, dass das Projekt auch den Zug der Zeit erkannt hat und auch ordentlich investiert hat in Digitalisierung. Ich erinnere mich an die erste Projektrunde, da waren deutschlandweit, ich glaube, ganze fünf oder sechs Universitäten, die etwas in Richtung Digitalisierung und Lehrerbildung gemacht haben, von den 20 Projekten, die es insgesamt gab. Das war erschreckend und ihr habt das damals richtig auf die Schiene gesetzt.
50:43
Speaker 1: Axel Gehrmann
Wir biegen langsam in die Zielgerade ein. Vielleicht können wir noch mal tatsächlich ein bisschen zur Verrechtlichung der Zentren etwas sagen. Also, sie fingen an in den 90er Jahren ohne Rechtsfigur. Es gab dann einen Halbsatz im Sächsischen Hochschulgesetz ab 2012, da stand dann immer drin, jede lehrerbildende Universität gründet ein Zentrum, Paragraf 92. Da stand mehr nicht drin. Also, wie ist die Ordnungsstruktur, wie soll ein Zentrum aussehen? Was soll gemacht werden? Jetzt gibt es einen Paragrafen 99 seit 2023. Da steht drin, was das Zentrum macht. Und wenn man jetzt noch mal in die ursprünglichen Texte von euch guckt, Steffen, was sieht man da eigentlich? Also, mir sind ja noch mal die Schuppen von den Augen gefallen.
51:33
Speaker 2: Steffen Friedrich
Ja, die Überlegungen, die wir hatten, waren so falsch nicht.
51:39
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Ja, da kann ich sagen, eine Vision ist Wirklichkeit geworden. Wir hätten es zum damaligen Zeitpunkt so nicht erreichen können. Das ist eine super Grundlage für die Weiterarbeit der Zentren. Also die Existenz wird nicht in Frage gestellt, von keiner Seite, kann nicht von Kritikern in Frage gestellt werden.
52:07
Speaker 1: Axel Gehrmann
Also, das war uns ja schon auch wichtig. Wir haben ja schon auch mit versucht, wirkmächtig zu sein. Es heißt eben jetzt nicht mehr, jede lehrerbildende Einrichtung gründet ein Zentrum für Lehrerbildung, sondern ich habe es hier nochmal vorliegen. Hier steht eben, „eine Universität, die Lehramtsstudiengänge anbietet, betreibt ein Zentrum für Lehrerbildung“. Also es ist auf Dauer angelegt. Und da gibt es bestimmte Aufgaben, da will ich nur sagen, das eine ist die Verfassungsnorm und das andere ist natürlich die Verfassungswirklichkeit. Wer untersetzt eigentlich jetzt in der Struktur? Das, was in Teilen die Qualitätsoffensive finanziert hat, müsste jetzt eigentlich in die Grundstruktur transformiert werden. Und da ist genau der nächste Zentralkonflikt vorhanden. Da geht es dann um Geld und Ressourcen.
Was würdet ihr uns an die Hand geben und was muss man jetzt aushalten oder wie muss man weiterkommen, um die Ausstattung auch so zu gewährleisten, dass sie nicht nur temporär vorhanden ist?
53:17
Speaker 2: Steffen Friedrich
Wenn solche neuen Strukturen sich bewährt haben, dann muss man sie auch auf Dauer betreiben. Das ist einfach nur das Ergebnis von 20 Jahren Bemühen um die Lehrerbildung in einem solchen Zentrum. Wobei ich sehe, dass die Idee damals eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung zu gründen, das entscheidende ist dafür, dass sich das in der TU Dresden so entwickelt hat. Jetzt muss man mal das Minimum definieren, was eine Universität dafür zu investieren hat. Es sind ja nach wie vor 10 % der Studierenden, die im Lehramt sind. 14 %, also ein paar mehr als damals. Also muss man auch diesen Prozentsatz auch in Ressourcen für die Lehrerbildung fest verankern. Und das betrifft alle diese Dinge, die sich entwickeln und die sich verändern. Das betrifft auch die Bereiche der Digitalisierung in der Lehrerbildung.
Da muss ich basismässig an einer Universität in der ersten Phase der Ausbildung was tun und dafür muss ich Ressourcen schaffen. Sonst schicke ich Absolventen in die Schulen, die an dem Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler vorbei lehren.
54:34
Speaker 1: Axel Gehrmann
Wolfgang, was würdest du sagen?
54:36
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Die damalige Idee ist ja gewesen, wenn ich das zitieren darf, auch der Grundgedanke der Integration. Das war unser Leitbild für die Lehrerbildung insgesamt. Also Ziel ist die Integration bislang hermetisch getrennter Ausbildungsphasen von Forschung und Lehre, Theorie und Praxis verschiedener Lehrämter für spezielle Schulformen. Dazu will ich gleich was sagen. Im Sinne einer Polyvalenz der Absolventen, auch im Sinne einer professionellen Ausbildung von Schülern unterschiedlicher Herkunft, Nationalität, unterschiedlichen Geschlechts und Schule. Also die Rückwirkung der Ausbildung auf die Schule ist hier schon thematisiert. Wir hatten damals tatsächlich die Idee und wir haben jetzt eine neue Schulform auch zusätzlich, die Gemeinschaftsschule im Schulgesetz. Und es gibt für alle Schularten Lehrer, aber es gibt keine Lehrer für Gemeinschaftsschulen. Und die Idee war damals eben, wie in anderen Bundesländern auch, für Schulstufen Lehrer auszubilden. Also eine Idee von damals ist eben nicht umgesetzt.
Und die Frage ist, ob das nicht noch aktuell ist oder ob diese Frage der Schulform, wo sich niemand die Finger dran verbrennen will, ob man die noch nicht mal aufnehmen muss. Also in der Forschung, zumindest auch im Zusammenhang mit Untersuchungen, die ich vorhin skizziert hatte, zum Quer- und Seiteneinstieg, dass man stärker in die qualitative Schulforschung oder die qualitative nicht im Sinne von Methoden qualitativ, sondern in die Qualität, in die Evaluation der Qualität der Ausbildung der Schulen investieren will, ob das nicht eine Initialzündung sein kann und muss, jetzt, wo die Programme ausgelaufen sind und wo es schwierig ist, studiengangsbezogene Mittel zu akquirieren, ob nicht die Verknüpfung zu der bisherigen Schulforschung eine Möglichkeit wäre, auch in Verbindung mit Digitalisierung, neuen Medien und so weiter.
56:58
Speaker 1: Axel Gehrmann
Ich greife das mal auf. Das eine ist ja die Perspektive nach innen. Ich gucke hier auf den Paragraphen 99 unter dem Absatz 1 im Punkt 9 heißt es, diese Aufgaben, also der Zentren, erfüllt es insbesondere durch Qualitätssicherung in Lehramtsstudiengängen und Unterstützung bei der Evaluierung der Lehre. Das ist quasi die Qualitätssicherung nach innen. Das ist klar, dass das Aufgabe der Zentrumsstruktur ist. Da haben wir noch ein bisschen zu tun, denn auch andere kümmern sich um die Qualität der Lehre und meinen, die Lehramtsausbildung damit abbilden zu können. Also, das ist schon auch ein Konflikt durchaus in der Universität. Also, was ist da die Aufgabe des Zentrums? Ich würde schon sagen, dass wir uns da noch lauter artikulieren müssten, denn die Expertise über die 20 Jahre liegt jetzt eben ja systematisch in der Beobachtung der Lehramtsstudiengänge durchaus in der Zentrumstruktur. Also das ist das eine.
Und das andere ist, tatsächlich denke ich auch immer öfter darüber nach, für welchen Markt wird es eigentlich gemacht. Der Schulmarkt verändert sich ganz deutlich. Demografisch, regional, strukturell, peripherer Raum, Metropolenperspektive. Mit der Wendesituation ist es ja schon so gewesen, dass klar war, in Ostdeutschland gibt es Zweigliedrigkeit nach der gemeinsamen Grundschulzeit. Der nächste Schritt wäre aber tatsächlich die Stufenstruktur, also darüber nachzudenken, wie sieht eigentlich eine Schule für alle aus in der Fläche? Denn wir werden möglicherweise eine gegliederte Zweigliedrigkeit auch nicht mehr aufrechterhalten können. Und dementsprechend ist unsere Aufgabe, vielleicht auch darüber zu forschen und sich darüber Gedanken zu machen. Meinst du das in diese Richtung?
58:57
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Ja, auch in Verbindung mit den Trägern dieser Prozesse, also sowohl den Lehrkräften wie den Schülerinnen und Schülern, aber auch an den Universitäten. Also, ich sehe doch, dass aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklung bei vielen ein hoher Grad der Erschöpfung erreicht ist. Und ich weiß nicht genau, ich bin seit 13 Jahren nicht mehr in der Lehre, wie diese neue Generation von Studierenden aufgestellt ist, wie motiviert sie sind, wie belastbar sie sind, ob da nicht auch Untersuchungen dieser Art, wie Schaarschmidt sie seinerzeit gemacht hat, als Replikation vielleicht auch noch mal eine Idee wären. Ich bin mir eben auch nicht sicher, die Situation in Schulen, die sich nicht verbessert hat. Ich sage nochmal Quer- und Seiteneinstieg, wenn da 10 Jahre lang Lehrer kommen, die nicht so gut qualifiziert sind wie die Lehrer, die wir früher ausgebildet haben, welche Auswirkungen hat das?
Also, da muss man Untersuchungen machen zum Schulklima und zu den Kompetenzen der Schüler und versuchen das zusammenzubringen. Das ist auch die Idee eines Projektverbundes, wo man sich vielleicht zusammentun kann und muss mit Psychologen, mit Vertretern verschiedener Fächer hier auch. Vielleicht kann man mal einen Sonderforschungsbereich auch etablieren an der Universität. Also, dass das ZLSB herauskommt aus diesem monolithischen. Also, wir haben ja da auch früher positive Erfahrungen gemacht mit so einem großen SFB, der Auswirkungen und Ausstrahlungen gehabt hat bis nach Ostdeutschland von der Universität Bielefeld.
01:00:47
Speaker 1: Axel Gehrmann
Ich komme gleich noch mal darauf zurück.
01:00:50
Speaker 2: Steffen Friedrich
Vielleicht auch noch ganz anders gedacht, nicht nur auf die Schule bezogen, sondern auf die Ausbildung bezogen. Also ich glaube, ein solcher Forschungsbereich könnte sich auch damit befassen, ob die Art der Ausbildungsstrukturen, wie sie jetzt über 50 Jahre in der Lehrerbildung gewachsen sind, noch der Zeit angemessen sind. Ob man in dieser Art der fach- und fachdidaktischen Ausbildung nicht noch andere Formen findet oder manches reduziert und anderes verstärkt und vertieft, damit die Absolventen der veränderten Schule gewachsen sind. Ich glaube, diese Frage stellt sich heute mehr als noch vor 10 oder vor unseren 20 Jahren. Ich glaube zu sagen, ihr seid erstmal Fachleute und dann habt ihr ein bisschen Didaktik und Psychologie und dann geht ihr in die Schule, die ist lange vorbei.
01:01:50
Speaker 1: Axel Gehrmann
Wir sind ja auch durchaus als Zentrum auch gefragt jetzt bei der Diskussion um die Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern. Also, ich bin selber auch für die Arbeitsgruppe gefragt gewesen. Da wird ja auch über die Zukunft der Schule auch mit nachgedacht. Da zeigt sich schon, dass das Zentrum eine Aufmerksamkeit erfahren hat, die es früher vielleicht nicht gehabt hätte, für die Bündelung von potenziellen Forschungen über die Sache selbst an einem Ort wie der Universität. Und, ich denke, perspektivisch sehr stark mit den Kolleg:innen darüber nach, wie wir jetzt z.B. solche Strukturentwicklungen der Transformation etwa in der Lausitz mit unterstützen können. Und da kämen dann solche Dinge zusammen, Digitalisierung, wie kannst du die Fläche treffen, wie kannst du den Seiteneinstieg in die Region stärker verankern?
Wie kannst du vielleicht eine Art Umbrella auch über Ostsachsen von der TU aus drüber werfen, vielleicht auch Orte schaffen jenseits von Dresden, damit Menschen sich mit der Lehrerbildung verkoppeln in der Fläche. Also, das sind so Dinge, die uns tatsächlich beschäftigen und die uns auch mit Kollegen, die jetzt dort arbeiten werden, die auch sehen, die Astrophysiker in der Lausitz, dass ohne einen ordentlichen bildungspolitischen Unterbau es natürlich auch schwierig ist, Fachkräfte zu gewinnen, Menschen in der Region zu halten. Und insofern sind wir da schon öfter gefragt und auch unterwegs. Man muss sehen, wie sich das entwickelt.
Kommen wir zum Schluss. 20 Jahre, guckt mal ein bisschen nach vorne für so eine Einrichtung. Ihr habt eine gewisse Distanz, ihr wart lange dabei. Was würdet ihr empfehlen dem Zentrum, aber auch dem Geschäftsführenden Direktor, der das ja noch gerade wieder bestellt worden ist für drei Jahre? Was liegt an?
01:04:00
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Auf jeden Fall eine schöne Feier, eine schöne Veranstaltung, zu der ich leider nicht kommen kann. Früher wäre das selbstverständlich gewesen, dass man familiäre Dinge und anderes zurückstellt, aber ich werde in diesen Tagen 77 Jahre dann und diesmal habe ich dem den Vorrang gegeben. Trotzdem also Gratulation und eine weitere angenehme Zeit. Das Dilemma sehe ich auf dem einen Bein im Zentrum zu stehen, vielleicht sogar auf 1,5 Beinen und trotzdem erfolgreich zu sein in einer Fakultät Erziehungswissenschaften, die aus meiner Sicht einer Unterstützung sehr bedarf.
01:04:43
Speaker 2: Steffen Friedrich
Wie sagt man so schön, wenn man so einen Jahrestag feiert, man merkt, wie man selber älter geworden ist und die Dinge aber trotzdem noch begleiten und beobachten kann. Und ich finde sehr schön, dass man mal wieder gezwungen ist, in Anführungsstrichen, über die Vergangenheit zu reden und nachzudenken und manches wieder hervorgekramt hat, was man selber schon fast vergessen hatte. Ich wünsche dem Zentrum und dem Vorankommen dort, dass die Wertschätzung und Beachtung in der Universität und in der Lehrerbildung in Sachsen sich weiter so etabliert und erhöht und aus ganz eigennütziger Sicht natürlich, dass dazu die Digitalisierung deutlich beitragen möge und dass sie auch gewollt sein möge in der Lehrerbildung und in der Verwaltung und Entwicklung von Schule und Lehrerbildung. Das, denke ich, erscheint mir wichtig heutzutage, damit es nicht so anhängselhaft alles ist, sondern dass es ein in sich geschlossenes Ganzes wird in Künfte. Da kommen wir auch bei Schülerinnen und Schülern am besten an damit.
01:05:54
Speaker 1: Axel Gehrmann
Vielen, vielen herzlichen Dank. Also, mir selbst hat es auch in der Vorbereitung sehr viel Freude gemacht, noch einmal eure alten Papiere zu sehen, in Teilen sie gar nicht gekannt zu haben. Und irgendwie gibt es tatsächlich etwas, was mich immer angetrieben hat. Es gab ja mal Forschungen zu den sogenannten morphogenetischen Feldern. Also das heißt, wenn in Japan Versuche gemacht werden mit Mäusen, wie sie in einer bestimmten Art und Weise durch Gänge gehen, das kann man trainieren. Und wenn das dort gemacht worden ist, dann können das auch Mäuse in Deutschland, ohne dass sie es vorher geübt haben. Interessant. Und so ist es hier ja vielleicht auch gewesen. Also, ihr habt was angetrieben und habt damit etwas in die Spur gebracht, was andere aufgenommen haben, ohne in Teilen genau zu wissen, wie das vorher auch alles gewesen ist.
Mich hat es noch einmal sehr angeregt, darüber nachzudenken, in was für einem Fahrwasser man sich eigentlich bewegt. Und vielen herzlichen Dank dafür. Man sieht diese Perspektiven dann eben auch aus diesen ersten Papieren. Man sieht eine gewisse Kontinuität und man sieht dann eben auch, das versuche ich auch den Mitarbeitern öfter zu sagen, wenn es mal schwierig ist: im Moment ist der Fortschritt immer der Gegenwart eine Schnecke. Aber, wenn man jetzt mit so gestandenen Kollegen zusammensitzt, dann weiß man im Zeitverlauf, was eben auch tatsächlich sich entwickelt hat. Und das freut mich einfach sehr.
Und ich freue mich auch sehr auf die Veranstaltung. Schade, Wolfgang, dass du nicht da bist, aber wir konnten…also es gab einfach keine andere Gelegenheit. Man muss einfach gucken. Die Termine sind immer rar und wir freuen uns auf die gemeinsame Veranstaltung.
Wir werden einiges aufzeichnen davon und so wirst du auch davon als Ehemaliger noch zusätzlich etwas mitbekommen. Und ich hoffe, dass du da auch deine Freude dran hast. Also, nochmals, vielen Dank. Wir sind, glaube ich, ganz gut durch die Geschichte des ZLSB durchgegangen. Wir haben gesehen, wie sich etwas institutionalisiert, ein Zentrum klein anfängt und größer wird.
01:07:59
Speaker 2: Steffen Friedrich
Herzlichen Dank für die Einladung und fürs sich erinnern dürfen.
01:08:14
Speaker 3: Wolfgang Melzer
Vielen Dank und Gratulation.
01:08:17
Speaker 1: Axel Gehrmann
Vielen Dank und dann alles Gute. Schönen Nachmittag noch.
Outro
Juliane Sichler:
Das war unser Rückblick auf zwei Jahrzehnte ZLSB-Geschichte. Wir hoffen, dass Sie einige spannende Einblicke und Erkenntnisse gewinnen konnten. Mit großer Vorfreude blicken wir nun in die Zukunft und sind gespannt, wie sich das ZLSB in den kommenden 20 Jahren weiterentwickeln wird. Vielen Dank, dass Sie heute dabei waren und uns zugehört haben.
Hinweis: das Transkript finden Sie unter dem Button unten rechts in der Audiobox.
Wir laden alle Interessierten herzlich ein, in dieses besondere Zeitdokument einzutauchen – ob als langjährige Wegbegleiter:in des Zentrums, als neugierige:r Hörer:in oder als Teil der zukünftigen Generation der Lehrer:innenbildung.
Viel Freude beim Zuhören!
Dieser Podcast wurde produziert von Dagmar Oertel, Christin Nenner, Milena Käppler, Laura Mitzscher und Ante Beslic.