Klimakrise
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"Wenn wir wollen, dass unsere Kinder und Jugendlichen in der Schule für das Leben lernen, dann muss eines in der Schule stimmen: Die emotionale Atmosphäre beim Lernen." (Manfred Spitzer)
Ist die emotionale Atmosphäre einer Lerngelegenheit negativ aufgeladen, werden Lernen und Entwicklung erschwert. Negative Emotionen werden häufig durch folgende Aspekte in Lehrveranstaltungen aufgerufen:
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Druck und Stress erzeugende Situationen zwischen Lehrperson und Lernenden
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Konflikte unter den Lernenden
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vorher aufgekommene, in die Lernsituation mitgebrachte, negative Gefühlslagen
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Planungsentscheidungen wie Medien, Materialien, Methoden etc.
In jedem Fall ist es Aufgabe der Lehrperson, die unangenehme Situation aufzulösen und eine sichere und angstfreie Atmosphäre wiederherzustellen. Zum Aufbau sowie zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines sicheren und angstfreien Umfelds, sollten die psychischen Grundbedürfnisse (Grawe 2004: 192-303) der Lernenden berücksichtigt werden. Dazu zählen:
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das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle,
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das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und -schutz sowie
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das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung (ebd.).
Auch wenn diese Bedürfnisse im Folgenden kurz und einzeln beschrieben werden, wichtig ist, dass "in ganz alltäglichen Situationen fast immer mehrere Bedürfnisse gleichzeitig aktiviert sind" (ebd.: 261).
Hinter dem Bedürfnis nach Bindung steckt der evolutionsbiologisch begründete Wunsch, eine enge und überdauernde emotionale Beziehung zu einer vermeintlich kompetenteren Person zu etablieren und zu bewahren (Bowlby 1975, 1976). Dieses Bedürfnis haben Menschen von Beginn an. Es dient dem Lebenserhalt und bezieht sich daher in erster Linie auf enge Bezugspersonen wie Eltern. Aber auch in Lehr-Lern-Kontexten muss es ernst genommen werden. Denn die Lernenden nehmen auch die Lehrenden als kompetenter wahr. Von einer guten Bindung zu den Lehrpersonen erhoffen sie sich Handlungssicherheit, Unterstützung und Hilfestellungen. Bindung wird daher vielfach einerseits als zentrale Gelingensbedingung schulischer Inklusion (Prengel 2013a: 176) und andererseits auch von Bildung allgemein (Hoffmann 2009: 303) angesehen.
Die positiven Erfahrungen mit und in Bindungsbeziehungen zahlen dabei auf eine Art Emotionskonto ein: „Psychische Sicherheit basiert auf einer emotionalen Organisation, die auch bei Belastung funktioniert, da sie auf die Zuwendungsbereitschaft anderer vertraut“ (Grossmann 2013: 176). Sind die Lernenden beispielsweise eine sichere Lernatmosphäre gewöhnt, sind sie auch bei emotional herausfordernden Themen bereit, sich mitzuteilen und mitzuarbeiten (Hölzel, Jugel 2019: 258). Denn sie vertrauen auf die für sie gewohnte Zuwendungsbereitschaft der Lehrperson. Jedoch ist hierbei ebenso wie bei pädagogischen Beziehungen die Kontinuität von essentieller Wichtigkeit:
“Weder genügt ein einmaliger Bindungsaufbau zu Beginn [...] für eine dauerhafte Öffnung der Teilnehmenden, noch kann immer sichergestellt werden, dass Bindung positiv verstärkt wird. So kommt es in der Praxis immer wieder auch zu ›drops‹ in Form von Verletzungen, Ausschluss und Ablehnung, die Bindung abbauen und folglich auch bestimmte emotional verknüpfte Themen aus dem Bereich diskutierbarer Themen hinauswandern lassen. Bindung muss folglich durch Anerkennung steter Bestandteil [...] sein, um Räume zu schaffen, nahezu alle [..] Themen besprechen zu können.“ (ebd.: 259f.)
Menschen orientieren ihr Handeln an Zielen, die sie erreichen bzw. Bedürfnissen, die sie anhand der Zielerreichung befriedigen möchten (Grawe 2004: 231). Dies können eher kurzfristig erreichbare Ziele wie das Überstehen der Sportstunde ohne Diskriminierungserfahrung oder langfrstige Ziele wie der erfolgreiche Abschluss einer Bildungsgelegenheit sein. Je nach Ziel und Rahmenbedingungen erlebt Mensch mehr oder weniger Kontrolle über die Zielerreichung - erlebt eher positive oder negative Kontrollerfahrungen (ebd.). Orientieren Menschen ihre Ziele um, so kann dies als Ausdruck eines Strebens nach Kontrolle gelesen werden (ebd.). So lässt sich beispielsweise erklären, dass Lernende auf wiederholte Isolation aus einer Gruppe und damit wiederholtes Erleben von Kontrollverlust mit einer Umorientierung ihres Ziels reagieren. Nicht selten bedeutet das, dass sie sich als Kompensationshandlung einreden, gar nicht zu dieser Gruppe gehören zu wollen.
"Je nach den Lebenserfahrungen, die das Individuum bezüglich seines Kontrollbedürfnisses (vor allem in seiner frühen Kindheit) macht, entwickelt es eine Grundüberzeugung darüber, ob Voraussehbarkeit und Kontrollmöglichkeit besteht, ob es sich lohnt, sich einzusetzen und zu engagieren und inwieweit das Leben einen Sinn macht." (ebd.)
Zur Selbstwerterhöhung und zum Selbstwertschutz bedarf es einer dazu geeigneten Umgebung (Grawe 2004: 252). Was als dienlich eingeschätzt wird und wie Selbstwertreaktionen beispielsweise auf Lob oder Abwertung ausfallen, ist "immer in hohem Maße subjektiv" (ebd.: 251). Fehlt eine subjektiv als passend wahrgenommene Atmosphäre, sind Selbstwerterhöhung und -schutz nur unter Einsatz persönlicher Ressourcen möglich. In solchen Situationen fällt es Menschen mit negativem Selbstwertgefühl häufig leichter, den eigenen Selbstwert zur Befriedigung anderer Bedürfnisse wie Unlustvermeidung oder Kontrolle zu "opfern" (ebd.: 250-260). Stellen wir uns beispielsweise vor, eine lernende Person hat keinen Anschluss an eine Lerngruppe - wird also isoliert. Es kann für die Person hilfreicher erscheinen, zu denken: “Die wollen mich nicht dabei haben, weil ich dieses oder jenes (falsch) gemacht habe.”, als den eigenen Selbstwert aufrechtzuerhalten und den Fehler bei der Gruppe zu suchen. Denn auf die Gruppe hat die Person keinen Einfluss, auf das eigene Verhalten sehr wohl. Würde die Person ihre Isolation also der Gruppe zuschreiben, wäre die Situation ziemlich unkontrollierbar. Hält die Person sich aber selbst für den Grund der Isolation, kann sie potentiell Einfluss nehmen. Sie opfert also ihren Selbstwert, um zumindest das psychisches Grundbedürfnis nach Kontrolle zu befriedigen. Den eigenen Selbstwert zum Wohle der Befriedigung anderer Bedürfnisse zu opfern, “heißt jedoch nicht, dass die betreffenden Personen nicht gleichzeitig dennoch ein Bedürfnis nach selbstaufwertenden Wahrnehmungen haben." (ebd.: 255)
"Kaum einer wird Widerspruch einlegen gegen die Behauptung, dass wir im Allgemeinen angenehme Zustände anstreben und unangenehme vermeiden." (Grawe 2004: 261) Dies gilt auch für Emotionen in Lern- und Entwicklungsprozessen. Was dabei als angenehm oder unangenehm empfunden wird, ist subjektiv, denn es hängt "von den Vorerfahrungen und dem momentanen Zustand des bewertenden Individuums" (ebd.: 262) ab. Jedoch können körperliche und geistige Genüsse auch erlernt werden (ebd.: 263). Dies gilt gleich im doppelten Sinn, denn zur geistigen Lust zählt auch "die Freude an eigenen Kompetenzen. Man muss nicht unbedingt ein Virtuose sein, um Freude an einer eigenen Fähigkeit haben zu können. Es reicht schon, etwas besser zu können als zuvor [...]". (ebd.: 264)
Fall 1 - Student*in zweiter Klasse
Lehramststudierende haben häufig mit Unsicherheit, Scham, Angst und anderen negativen Gefühlen bezüglich ihres Studiums zu kämpfen. mehr erfahren
Fall 2 - Die unausgeglichene Lehrperson
Mittlerweile hat die neuropsychologische Forschung klargestellt, dass Emotion und Kognition als Einheit gedacht werden müssen (Hölzel, Jugel 2019: 248 ff). Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn eine Lehrperson ihre Emotionen in Lehrkontexten als herausfordernd erlebt. mehr erfahren
Fall 3 - Wohin mit den Emotionen
Manchmal verliert man über den Lerninhalten die Emotionen der Lernenden aus dem Blick. Das kann gravierende Folgen haben. mehr erfahren