SoSe 24 - Hauptstudium
Ausgangspunkt für unsere Arbeit am Lehrstuhl ist die Wertschätzung des Bestehenden, sie bildet für uns die Grundlage, auf der wir in unserer Arbeit als Architekt:innen aufbauen dürfen. Unser Tun steht immer im Kontext eines größeren Ganzen, so sehen wir Häuser weniger als Objekte, sondern als spezifische Gebilde, die Teil eines Organismus sind, sei es Gebautes oder Natur.
Aus diesen Gedanken heraus möchten wir uns im zweiten Entwurf, den wir im Sommersemester 2024 für Studierende im Hauptstudium anbieten, Baden-Baden widmen. Baden-Baden ist einer der ältesten Thermalkurorte Europas. Durch die frühe Ansiedlung von Thermalbädern entwickelte sich eine spezifische Stadtstruktur, die durch eine hohe Dichte öffentlicher Gebäude charakterisiert werden kann. Das Festspielhaus, die Bäder, das Spielkasino, die Museen und die großen Kurhotels als halböffentliche Orte prägen das Stadtbild und die Atmosphäre im öffentlichen Raum. Einige der Bauten aus dem frühen Jugendstil, der Blütezeit der Thermenkultur, wurden seit den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts erweitert, so die Staatliche Kunsthalle und das Bahnhofsgebäude an der Langen Straße. Die staatliche Kunsthalle wurde 2004 nach Entwurf des amerikanischen Architekten Richard Meier um den Museumsneubau der Sammlung Frieder Burda ergänzt. Der Neubau wurde hierbei vom Bestand unabhängig betrachtet, die beiden Baukörper wurde lediglich über eine gläserne Brücke miteinander verbunden. Potentiale, die sich aus einer räumlichen Verbindung zwischen dem ursprünglichen Museum und dem Neubau hätten ergeben könnten, wurden nicht genutzt. Auch das Festspielhaus leidet heute unter einem ähnlichen Dilemma. Nach einem Entwurf von Wilhelm Holzbauer aus dem Jahr 1998 wurde der Saal mit Foyer auf der Rückseite des bestehende Bahnhofsgebäudes errichtet, die Verbindung von Alt und Neu wurde durch eine gläserne Fuge gelöst, so dass keine wirkliche räumliche Beziehung entstehen konnte. Wir werden im kommenden Semester den Fokus auf diesen Themenbeireich richten und uns mit der Frage beschäftigen, wie wir durch Ergänzungen den Charakter eines Hauses stärken können und wie eine räumliche Verwebung unterschiedlicher zeitlicher Schichtungen gelingen kann.
Im Rahmen einer Exkursion werde wir verwandte Phänomene untersuchen und uns durch die Untersuchung von Referenzen auf das Thema einstimmen. Das Festspielhaus in Baden-Baden steht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen, wir werden mit der Umstrukturierung der bestehenden Eingangssituation beginnen und im nächsten Schritt ein zusätzliches Raumangebot für kleinere Konzerte und Veranstaltungen ebenso wie eine Übernachtungsmöglichkeit für Künstler:innen schaffen. Wir möchten dem Haus eine bessere Sichtbarkeit und Präsenz nach Aussen verleihen und durch die Neuordnung des Eingangsbereiches ermöglichen, das Innenleben des Hauses auch in den öffentlichen Raum zu tragen. In diesem Zusammenhang werden wir Schwellenräume als Orte des Übergangs untersuchen. Unmittelbar damit verbunden ist auch die Frage nach der räumlichen Verwebung der Eingangszone mit den Foyerbereichen des Hauses. Es ist ein Konzept zu erarbeiten, das neben der Stärkung der räumlichen Verbindung zwischen Eingangshalle und Foyer auch eine Nutzung dieser Räume tagsüber, außerhalb der Aufführungen, zulässt. Zudem wird eine Erweiterung des bestehenden Gebäudekomplexes durch einen multifunktionalen, unterteilbaren Saal und die Planung von drei Gemeinschaftswohnungen für junge Künstler gewünscht. Die neu zu errichtenden Gebäudeteile sollen in einem engen räumlichen Zusammenhang mit den bestehenden Foyers und Erschließungszonen stehen und mit diesen zu einem räumlichen Konglomerat verbunden werden.
Das Projekt wird in Zweiergruppen bearbeitet, die Arbeit in den Zeichenräumen am Lehrstuhl wird ausdrücklich gewünscht.