Michael Kupka
Inhaltsverzeichnis
Mobilisierung des räumlichen passiven Erddrucks auf Pressschilde in feinkörnigen Böden
Einleitung
Tunnelvortriebe im Lockergestein mit herkömmlichen Tunnelbohrmaschinen (TBM) erfolgen diskontinuierlich, da während des Einbaus eines Tübbingringes ein Teil der Presszylinder eingefahren werden muss und dadurch nicht genügend Vortriebskraft zur Verfügung steht. Dies stellt eine starke Einschränkung der Wirtschaftlichkeit des mechanisierten Tunnelvortriebs dar. Die HOCHTIEF Construction AG entwickelt zurzeit eine zweigeteilte Tunnelbohrmaschine mit kontinuierlichem Vortrieb im Lockergestein, den so genannten Conti-Schild (siehe Abb.1). Dabei sollen seitliche Druckplatten, die auch als Pressschilde bezeichnet werden (rot gekennzeichnet in Abb. 1), zur Abtragung von Vorschubkräften herangezogen werden. Sobald die Vortriebsleistung den Einbau eines Tübbingringes zulässt, fahren diese Press-schilde aus und mobilisieren stützende Erddruckkräfte, wodurch der vordere TBM-Bereich mit dem Schneidrad den Tunnel kontinuierlich vorantreiben kann.
Es werden zwischen Pressschild und Tunnellaibung sowohl Normalkräfte zur Lagekontrolle der TBM als auch als Vortriebskräfte wirkende Schubkräfte abgetragen. Zusammen mit der Vortriebswirkung eines Teils der Presszylinder soll somit auch während des Tübbingringeinbaus genügend Vortriebsleistung zur Verfügung gestellt werden, um einen kontinuierlichen Vortrieb gewährleisten zu können.
Zur Untersuchung der übertragbaren Erddruckkräfte an den Pressschilden fanden bereits Versuche und numerische Untersuchungen für grobkörnige Böden am Institut für Geotechnik (IGT) Dresden statt. Da dieses Vortriebsverfahren auch in feinkörnigen Böden eingesetzt werden soll, wurde in dieser Diplomarbeit das Mobilisierungsverhalten bei undrainiertem Materialverhalten näher untersucht. Hierzu wurden numerische Untersuchungen mit dem Finite-Elemente-Programm TOCHNOG durchgeführt. Dabei kam ein vom Autor vorgeschlagenes Ersatzmodell zur Beschreibung undrainierten Materialverhaltens zum Einsatz.
FE-Modell
Es wurden sowohl ebene als auch räumliche Berechnungen durchgeführt. Für grobkörnige Böden wurde dabei das hypoplastische Stoffgesetz und für feinkörnige Böden das Modified-Cam-Clay Modell verwendet. Da das Verhalten feinkörniger Böden stark vom Überkonsolidationsgrad (OCR) abhängt, wurden Berechnungen mit OCR = 1, 2, 3 und 4 durchgeführt.
Tunnelvortriebe sind sehr komplexe Bauabläufe, bei denen verschiedenste Prozesse parallel ablaufen. Als maßgebend für die Mobilisierung des stützenden Erddrucks wur-den folgende Einflüsse berücksichtigt:
- Initialspannungszustand
- Schließen des Überschnitts infolge des vergrößerten Ausbruchsradius (siehe Abb. 2)
- Einschubvorgang des Pressschildes.
Undrainiertes Modell
Der Vorschub des Pressschildes führt zum Aufbau von Porenwasserüber- bzw. unterdrücken im Boden. Dadurch kommt es zu Konsolidationsvorgängen. Konsolidationsberechnungen mit finiten Elementen unterliegen jedoch der Zeitschrittproblematik (Auftreten von Oszillationen unterhalb einer kritischen Zeitschrittgröße). Aus diesem Grund können nur in sehr begrenztem Umfang Konsolidationsberechnungen durchgeführt werden.
Bei schnellen Einschubvorgängen und geringen Durchlässigkeiten wird undrainiertes Materialverhalten maßgebend. Jedoch kann TOCHNOG nicht standardmäßig undrainiertes Materialverhalten wiedergeben. Deshalb wurde durch die Kombination zweier Elementnetze undrainiertes Materialverhalten vorgeschrieben (siehe Abb. 3).
Berechnungsergebnisse
Die Berechnungsergebnisse werden für ausgewählte Fälle detaillierter dargestellt.
Grobkörniger Boden, drainierte Berechnung, ebener Fall
- Das Schließen des Überschnittes führt zu einer Entspannung im umliegenden Boden
- Nichtlinearer Mobilisierungsverlauf (siehe Abb. 4)
- Anstieg der maximal mobilisierten Normalspannung bei dichter Lagerung um 63.2 % gegenüber der lockeren Lagerung
- Nach ausreichend großen Verschiebungswegen liegt eine Unabhängigkeit der mobilisierten Spannungen von vorangehenden Verformungen vor
Feinkörniger Boden, undrainierte Berechnung, räumlicher Fall
- Nichtlinearer Verlauf der effektiven Normalspannungen am Pressschild, anschließend Konstanz (siehe Abb. 5)
- Mit zunehmendem Überkonsolidationsgrad steigt die mobilisierte Normalspannung an
- Nur bei sehr hohen Überkonsolidationsgraden ist ein kontinuierlicher Vortrieb möglich, da ansonsten der Anstieg der Spannungen am Pressschild zu gering ist
- Eine vorangehende Verformung der Tunnellaibung führt zu einer Abnahme der übertragbaren Spannungen am Pressschild
Feinkörniger Boden, räumlicher Fall, Langzeitentwicklung der Spannungen
- Die Langzeitentwicklung der Spannungen (Porenwasserdruck + effektive Spannungen) nach Abschluss des Einschubvorganges wurde untersucht. Dabei konnten folgende Zusammenhänge festgestellt werden
- Abnahme der totalen Spannungen mit fortschreiten der Konsolidation vor dem Schild (siehe Abb. 6)
- Anstieg der effektiven Horizontalspannungen um ca. 30 %
- Keine wesentliche Zunahme der übertragbaren Spannungen für
- Auch bei grobkörnigen Böden ist eine Anpassung der Einpressgeschwindigkeit an die Durchlässigkeit des Bodens erforderlich, um eine Annäherung an den undrainierten Verlauf zu vermeiden
Ausblick
Für weitergehende Untersuchungen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Beispielhaft seien genannt
- Einfluss der Tunnelgeometrie/Überlagerungshöhe
- Optimierung der Pressschildabmessungen
- Vergleichsrechnung mit verschiedenen Böden
- Lastausbreitung infolge des Einpressens
- Einfluss der Bentonitsuspension
- Mobilisierungsverhalten bei inhomogenem Boden
Bearbeitungszeitraum:
07/2006 - 09/2006
Wissenschaftliche Betreuer:
Leiter des Institutes für Geotechnik
NameUniv.-Prof. Dr.-Ing. habil. Ivo Herle
Leiter Professur für Bodenmechanik und Grundbau
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Besuchsadresse:
Neuffer-Bau (NEU), NEU 111 George-Bähr-Str. 1a
01069 Dresden
Sprechzeiten:
nach Vereinbarung
Dr. M. Arnold, Technische Universität Dresden
Verleihung des Johann-Ohde-Preises 2007 an Michael Kupka
Die Diplomarbeit von Herrn Dipl.-Ing. Michael Kupka wurde im Rahmen des Tags der Fakultät am 26.10.07 mit dem von der Fa. BAUER Spezialtiefbau GmbH gestifteten Johann-Ohde-Preis ausgezeichnet.