Susanne Röseler
Einfluss der HDI-Herstellung auf den Baugrundzustand im Berliner Sand
Einleitung
Bei dem Bauvorhaben Shopping- und Entertainmentcenter "Alexa" am Berliner Alexanderplatz wurde eine Trogbaugrubehergestellt. Die Umschließungskonstruktion bildete eine rückverankerte, teilweise ausgesteifte Schlitzwand. Als Dichtsohle dient eine tiefliegende Düsenstrahlsohle (DS-Sohle). Im Zuge der Baugrubenherstellung ergaben sich unerwartet große Baugrubenwandverformungen. Bereits während der Herstellung der tiefliegenden Dichtsohle wurden Schlitzwandverformungen von bis zu 27mm beobachtet. Da für den Berliner Baugrund im ungestörten Zustand ein relativ steifes Scherverhalten zu erwarten ist, ist davon auszugehen, dass diese unerwartet großen Wandverformungen eine unerwünschte Folge der durch die DS-Herstellung hervorgerufenen Korngerüstumlagerungen und der damit verbundenen Veränderungen des Baugrundzustands sind. Der Lagerungszustand körniger Stoffe ist in erster Linie durch die Dichte und den Spannungszustand definiert.
Die Beurteilung und Vorhersage von Verformungen von Baugrubenwänden, erfordert maßgeblich die genaue Kenntnis des Materialverhaltens und der geologischen Entstehungsgeschichte des Baugrundes, der Eigenschaften des gewählten Verbausystems sowie der eingesetzten Bauverfahren. Um den Einfluss des Düsenstrahlverfahrens auf den Baugrundzustand zu untersuchen, wurde ein umfangreiches Erkundungs- und Versuchsprogramm durchgeführt. So sind nach der Herstellung der DS-Sohle Drucksondierungen innerhalb der Baugrube ausgeführt worden, welche eine Verminderung des Sondierspitzenwiderstands auf etwa die Hälfte des Sondierspitzenwiderstands im ungestörten Zustand vor der HDI-Herstellung zeigten.
Ziel dieser Diplomarbeit ist, die Veränderung des Baugrundzustands durch Herstellung der Sohle im Düsenstrahlverfahren zu quantifizieren und den Einfluss auf das mechanische Verhalten der körnigen Bodenschichten zu bewerten.
Geologie
Berlin ist ein Teil des norddeutschen Tieflands, dessen Oberfläche durch die Inlandsvereisungen des Pleistozän geprägt ist. Das Untersuchungsgebiet liegt im Berliner Urstromtal. Unter der ca. 4m mächtigen Auffüllung werden eiszeitliche Nachschüttsande angetroffen. Bis 23 mNN stehen locker bis mitteldicht gelagerte Sande an, die darunter in mitteldicht bis dicht gelagerte Sande mit Kiesbeimengungen übergehen. Die dicht gelagerten Bereiche werden als eiszeitlich vorbelastet eingestuft. Sie wurden während der drei Eiszeiten von mehreren hundertmeter dicken Gletschermassen überlagert. Dies führte zu einer verstärkten Konsolidation. Es ist anzunehmen, dass auch heute noch erhöhte Horizontalspannungen vorhanden sich, da sich der Boden nach dem Abschmelzen und Rückgang der Gletscher nur in vertikaler Richtung entspannen konnte.
Projekt und Verfahren
Da in Berlin seit 1989 Grundwasserabsenkungen nicht mehr genehmigt werden, müssen tiefe Baugruben als quasi wasserdichte Tröge ausgeführt werden. Für die 23.000 m² große und 13,8 bis 17,3 m tiefe Baugrube "Alexa" bildete eine bis zu 25 m tief reichende, zweifach verankerte Stahlbetonschlitzwand die Umschließungskonstruktion. Zur horizontalen Abdichtung gegen das Grundwasser kam eine tiefliegende Dichtsohle, die im Düsenstrahlverfahren hergestellt wurde, zum Einsatz. Aufgrund der Größe unterteilte man die Baugrube in 4 Abschnitte, die Baufelder (BF) 1-4. (Abb. 1)
Im Vorfeld und auch während der Baumaßnahme wurde ein umfangreiches Untersuchungsprogramm durchgeführt. Im Zuge der Baugrubenherstellung ergaben sich Baugrubenwandverformungen von bis zu 112,0 mm. Insbesondere wurden bereits vor Baugruben- aushub während der Herstellung der tiefliegenden Düsenstrahlsohle Schlitzwandverformungen von bis zu 27,0 mm beobachtet.
Zur Ursachenklärung standen die Drucksondierergebnisse aus dem BF1 und 2 zur Verfügung, welche vor, während und nach Herstellung der DS-Sohle ausgeführt worden. Bis zur kompletten Fertigstellung der Düsenstrahlsohle hat sich der Sondierspitzen- widerstand schrittweise im gesamten Bereich um 50-60% verringert. (Abb. 2)
Auswertung
Die Beurteilung der eingetretenen Reduzierung der Sondierwiderstände erfolgte zunächst konventionelle nach DIN4094-1. Anhand dieser festgestellten geringen Sondierspitzenwiderstände wird auf eine Verminderung der Lagerungsdichte Id von dicht auf locker bis mitteldicht geschlossen, was auch eine Volumenzunahme bedeuten würde. Daraus ergeben sich theoretische Hebung im BF1 von 94 cm und im BF2 von 70 cm. Derartig große Volumenänderungen, die ein merkliches Anheben der Arbeitsebene zur Folge hätten, wurden jedoch nicht beobachtet.
Theorie der sphärischen Hohlraumaufweitung
Die Auswertung nach DIN berücksichtigt nicht die granulometrischen Eigenschaften des Materials und den Spannungszustand des Bodens. Das Modell der sphärischen Hohlraumaufweitung nach Ossinov und Cudmani erfasst diese wesentlichen Einflussgrößen. Danach wird der Sondierspitzenwiderstand qc wie folgt definiert:
Somit ist der Spitzenwiderstand qc abhängig von der druckbezogenen Lagerungsdichte Id, dem mittleren Druck p0 und dem Erddruckbeiwert K0.
Weiterhin wird dieses Modell in Verbindung mit dem hypoplastischen Stoffgesetz angewandt, so dass das druck- und dichteabhängige Verhalten granularer Böden mit einfließt. Für das relevante hypoplastische Modell werden insgesamt acht Stoffkonstanten benötigt. Um diese zu ermitteln, standen 9 Sedimentproben aus dem Untersuchungsgebiet zur Verfügung.
Anhand dieser Proben konnten mittels Laborversuchen wie Schüttkegel-, Schlaggabel-, Einriesel-, Ödometer- und Rahmenscherversuchen die hypoplastischen Stoffparameter für den vorliegenden Berliner Sand bestimmt werden. (Abb. 3)
Numerische Berechnung
Der Sondierspitzenwiderstand ist abhängig vom Ausgangsspannungszustand. Dieser ist über den mittleren Druck p0 in Abhängigkeit von dem Erddruckbeiwert K0 definiert.
Aufgrund der Vorbelastung aus Eiszeit wird für die überkonsolidierten Sande ab einer Tiefe von 23 mNN im Ausgangszustand von einem erhöhten K0-Wert aus- gegangen. Während der Herstellung der Düsenstrahl- sohle kam es zu Kornumlagerungen im Baugrund, die auch eine Spannungsabnahme bedingen, wodurch K0 auf den aktiven Erddruckbeiwert absinken kann. Um den Einfluss des Spannungszustandes auf den Baugrund zu untersuchen wurden in der numerischen Berechnung der Erddruckbeiwert im Ausgangszustand zwischen 0,46 ≤ K0 ≤ 1,50 und im Endzustand (nach Herstellung der DS-Sohle) zwischen 0,30 ≤ K0 ≤ 0,46 variiert.
Mit Zunahme der des K0-Wertes im Ausgangszustand, nimmt auch der mittlere Druck p0 zu. Für eine Spannungsabnahme von K0=1,5 auf 0,3 nähern sich die Kurvenverteilungen für den Ausgangs- und Endzustand einander an.
Zusammenfassung
Reduzierte Werte der Sondierspitzendrücke nach der Herstellung der Düsenstrahlsohle der Baugrube "Alexa" wurden in allen Baufeldern und über die gesamte Sondiertiefegemessen. Neben geringen Auflockerungserscheinungen konnte diese Abnahme der Messwerte größtenteils auf eine Entspannung des Bodens bei nahezu gleichbleibender Lagerungsdichte Id zurückgeführt werden.
Bearbeitungszeitraum:
10/2006 - 12/2006
Wissenchaftliche Betreuer:
Leiter des Institutes für Geotechnik
NameUniv.-Prof. Dr.-Ing. habil. Ivo Herle
Leiter Professur für Bodenmechanik und Grundbau
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Besuchsadresse:
Neuffer-Bau (NEU), NEU 111 George-Bähr-Str. 1a
01069 Dresden
Sprechzeiten:
nach Vereinbarung
- D. Dohmel , Technische Universität Dresden
- T. Brandt, TBT Züblin
- Dr. R. Cudmani, TBT Züblin