Frühjahrsexkursion nach Nordrhein-Westfalen vom 11. bis 13. Mai 2011
Die Frühjahrsexkursion des Institutes für Baubetriebswesen mit Zielen in Nordrhein-Westfalen fand vom 11. bis 13. Mai 2011 statt.
Mittwoch, 11.05.2011
Werksbesichtigung Deutsche Rockwool
Am Beginn der Frühjahrsexkursion stand ein Werksbesuch bei der Deutschen Rockwool. Der Gesamtkonzern Rockwool produziert und vertreibt weltweit Steinwolle-Produkte zur Wärme-dämmung. Im Anschluss an einen Imbiss stellte man uns am Standort Gladbeck (Deutschlandzentrale) das Unternehmen vor. Nach der Geschichte und der Struktur gab man uns einen Überblick zu den einzelnen Rockwool-Produkten. Darauf folgend besichtigten wir die Produktionsanlagen bei einem Werksrundgang.
Als ersten Schritt der Produktion wurden die Ausgangsstoffe vorgestellt. Neben den Basaltsteinen werden Recyclingsteine (sogenannte Formsteine) und Koks als Energieträger im Hochofen verschmolzen. Die Gesteinsschmelze wird zu feinen Fäden verwirbelt, welche dann zusammen eine Matte aus Steinwolle bilden. Je nach Anforderungen an das Produkt wird die Matte dicker oder dünner beziehungsweise fester oder weicher. Aus der entstandenen Steinwolle-Bahn werden anschließend die Dämmplatten geschnitten. Die Fasern werden während der Verarbeitung zur Sicherstellung der Stabilität mit Bindemitteln und zur Erreichung des Feuchteschutzes mit Ölen versehen. Steinwolle-Produkte erreichen die höchste Feuerschutzklasse A1. Trotz des hohen Energiebedarfs zum Schmelzen der Steine haben die Erzeugnisse über ihre Lebensdauer betrachtet eine sehr positive Energiebilanz, da durch ihren Einsatz beträchtliche Mengen Heizenergie eingespart werden.
Donnerstag, 12.05.2011
Kö-Bogen
Der zweite Exkursionstag startete in Düsseldorf. Dort stellte uns die Zechbau GmbH den Neu-bau des Kö-Bogens vor. Dabei handelt es sich um einen von dem Architekten Daniel Libeskind entworfenen Gebäudekomplex, der aus zwei 26 m hohen Gebäuden besteht, die später auf einer Bruttogrundfläche von 40.000 m² hochwertige Einzelhandels-, Büro- und Gastronomieflächen in bester Lage bieten werden.
Aus einem ehemals verkehrsreichen Platz im Zentrum der Stadt entsteht seit April 2010 eine Verbindung zwischen der berühmten Königsallee und dem historischen Hofgarten. Um dies zu realisieren, wurde zunächst der bestehende Verkehrsknoten zurückgebaut und die entsprechenden Straßenbahnlinien umverlegt. Dabei treten Probleme mit dem Bestand auf: die angrenzende, historische Tausendfüßler-Brücke soll aus Denkmalsgründen nicht abgerissen werden. Ihr Abriss wäre jedoch notwendig, da die Brücke heutigen statischen Anforderungen nicht mehr entspricht und der Bauablauf durch sie behindert sowie die Sicht auf die neuen Gebäude versperrt wird.
Bei unserem Besuch führte die Zechbau GmbH gerade die Arbeiten an der Baugrube für die viergeschossige Tiefgarage durch. Diese bietet eine Bruttogrundfläche von 36.000 m² und wird über einen Tunnel erschlossen, der gleichzeitig die bestehende Straße ersetzt und in offener Bauweise realisiert wird. Bei den Erdarbeiten treten immer wieder Probleme mit dem Grundwasser durch den nahegelegenen Rhein auf. Die späteren sechsgeschossigen Gebäude sind von einer aufregenden Fassade geprägt. Durch den Einsatz von Glas und Naturstein sowie die begrünten Dächer und Fassade soll eine städtebauliche Lücke zwischen Stadt und Natur geschlossen werden und die bekannte Königsallee einen architektonisch würdigen Abschluss erhalten, ohne dass sich das Gebäude vom Bestand zu sehr absetzt. Ab September 2013 kann an diesem Ort auf höchstem Niveau eingekauft, gegessen und gearbeitet werden.
JVA Wuppertal-Ronsdorf
Das Land Nordrhein-Westfalen lässt in Wuppertal-Ronsdorf eine neue Justizvollzugsanstalt speziell für junge männliche Straftäter bauen. Eine ARGE der bam Deutschland AG und der Ed. Züblin AG wickelt die Maßnahme als Generalunternehmer ab. Neben dem Bau wurden folglich auch die mit solch einem Projekt verbundenen komplexen Planungen durch die ARGE geleistet. Insgesamt entstehen 510 Haftplätze. Das Bauvolumen des Auftrages beträgt 124 Mio. EUR. Im Anschluss an eine Einführung in das Projekt im Rahmen eines Vortrages konnte das fast fertige Objekt bei einem Rundgang besichtigt werden. Die Gesamtmaßnahme befand sich zum Zeitpunkt unseres Besuches kurz vor der Übergabe an den Bauherrn, so dass lediglich kleinere Restarbeiten durchgeführt wurden.
Auf dem Gelände der JVA stehen neben den beiden Hauptgebäuden mit den Hafträumen auch Gebäude für Verwaltung, Technik und Versorgung. Weiterhin sind Werkstattgebäude errichtet worden, in denen die Gefangenen einen Beruf erlernen oder ausüben können. In der Küche bereiten Gefangene später unter Anleitung von Fachpersonal die Mahlzeiten zu. Zur sportlichen Betätigung wurden großzügige Sportanlagen angelegt. Eine Dreifelder-Sporthalle mit Fitnessräumen, ein Kunstrasenplatz und ein Joggingpfad stehen zur Verfügung. Umgeben ist das Gelände von einer 1.200m langen Mauer, welche nur durch eine Pforte den Zugang ermöglicht. Diese ist aber nur ein Teil des Sicherheitskonzeptes der JVA. Im Wesentlichen wird durch ein umfängliches Videosystem und zahlreiche technische Hilfsmittel eine Überwachung der Häftlinge sichergestellt. In der Sicherheitszentrale laufen alle Informationen zusammen.
Steinkohlekraftwerk Hamm
Zum Abschluss des zweiten Exkursionstages wurden wir von der Alpine Bau Deutschland AG nach Hamm zu dem Steinkohlekraftwerk „Westfalen“ eingeladen. Dort errichtet die RWE Power AG bis Mitte 2012 für etwa 2 Mrd. EUR am bestehenden Kraftwerksstandort eine neue Doppelblock-Anlage, die bis 2013 die beiden alten Blöcke von 1962 ablösen soll. Dabei besteht die neue Anlage aus zwei baugleichen Kraftwerksblöcken D und E, die eine Leistung von jeweils 800 Megawatt erzeugen. Die alten Blöcke A und B konnten dagegen nur mit einer Leistung von insgesamt 300 Megawatt aufwarten. Die Alpine Deutschland AG, die nach eigenen Angaben zu den führenden Kraftwerksbauern Deutschlands zählt, wurde bei diesem gewaltigen Projekt für etwa 10 Prozent der Auftragssumme mit den Erd-, Roh- und Ausbauarbeiten für die 40 Haupt- und Nebengebäude des Kraftwerks beauftragt.
Dieses Bauvorhaben ist vor allem durch einen hohen Baustoffverbrauch charakterisiert. So wurden etwa 350.000 m³ Boden ausgehoben und allein das Unternehmen Alpine verbaute bei seinem Vorhaben 255.000 m³ Beton. Dies konnte nur durch zwei vor Ort errichtete Betonmischanlagen realisiert werden. Weiterhin kamen 350.000 m² Schalung zum Einsatz und es wurden 40.000 t Betonstahl verbaut. Zu den aufregendsten realisierten Gebäuden gehören die Treppenhaustürme der Kesselhäuser und die monströsen Maschinenhäuser. Letztere haben insgesamt einen Bruttorauminhalt von 450.000 m³. Die 120 m hohen Treppenhäuser wurden ausschließlich in einem Gleitschalsystems realisiert.
Freitag, 13.05.2011
Goldbeck
Zum Start des Abschlusstages waren wir bei der Goldbeck GmbH eingeladen. In einem Vortrag wurden die Entwicklung und das Leistungsspektrum des Familienunternehmens vorgestellt. Vor über 40 Jahren als Stahlbaubetrieb in Bielefeld gegründet, hat sich das Unternehmen in den letzten Jahrzehnten zum Baudienstleister für gewerblichen und kommunalen Hochbau entwickelt. Die Goldbeck GmbH bietet dabei von der Planung über die Errichtung bis zum Betrieb ein umfassendes Leistungspaket an. Bei der Planung der Gebäude wird von den unternehmenseigenen Ingenieuren und Architekten stets ein vorgegebenes Rastermaß eingehalten. Durch die festgelegten Rastermaße ist die Konstruktion in bestimmten Grenzen vorgeschrieben, erlaubt aber ausreichenden Spielraum, um die Bauwerke zu spezialisieren. Durch einheitliche Systeme ist es möglich, bei verschiedenen Bauvorhaben gleiche Teile zu verwenden und somit eine effektive Produktion zu gewährleisten.
Weiterhin wird Wert auf einen hohen Vorfertigungsgrad gelegt. Dieser wird durch Betonfertigteile, Stahlbauelemente und Aluminiumkomponenten, welche in unternehmenseigenen Werken produziert werden, umgesetzt. Auch bei den Fertigteilen schlägt sich die vorgeschriebene Konstruktion in immer wieder gleichen oder gleichartigen Bauteilen nieder.
Im Anschluss an den Vortrag unternahmen wir eine Werksführung. Hierbei durchliefen wir alle wesentlichen Produktionsprozesse im Stahlbau. Zum Ende des Besuches bei der Goldbeck GmbH besichtigten wir die Musterhalle. Von den verschiedenen Systemen, die sich im Angebot befinden, war je ein Teil als kleines Beispiel in Originalgröße aufgebaut. Hier konnte man die verschiedene Elemente der Systeme erkennen und den fertigen Zustand einer Konstruktion ansehen.
Campus Bielefeld
Die abschließende Baustellenbesichtigung unserer Frühjahrsexkursion 2011 führte uns zum neuen Campus der Fachhochschule und Universität Bielefeld. In der Ostwestfalen-Metropole entsteht für mehr als 1 Mrd. EUR ein neues, modernes Zentrum der Wissenschaft. Dieses soll bei seiner Fertigstellung im Jahre 2025 einer der modernsten Hochschulstandorte Deutsch-lands sein. Bauherr, Investor, Planer und Entwickler ist dabei der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW.
Drei Bauprojekte dieses Großvorhabens werden bereits seit 2010 realisiert: Der Ersatzneubau Universitätsstraße auf dem alten Universitätsgelände, dem Campus Süd, sowie der For-schungsbau Interaktive Intelligente Systeme und der Neubau der Fachhochschule auf dem neuen Campus Nord. Bei letzterem begrüßte uns das zuständige Projektsteuerungsunterneh-men Ernest & Young Real Estate GmbH, Düsseldorf. In einem interessanten Vortrag bekamen wir diesmal eine Projektbeschreibung aus einer ganz anderen Sichtweise, nämlich aus der Sicht des Steuerers und nicht wie üblich, aus dem Blickwinkel des ausführenden Unternehmens. Uns wurden dabei sowohl Einblicke in die Wettbewerbs- und Planungsphase als auch Informationen über die Ausführungs- sowie die Nutzungsphase des Objekts gegeben. Bei unserem Besuch waren die Arbeiten an der Baugrube bereits in vollem Gange. Später wird der 154 Mio. EUR teure Neubau eine Tiefgarage mit 1.050 Stellplätzen beinhalten, was während der Planungsphase aus Platzgründen zu großen Problemen führte, jedoch städtebaulich vorgeschrieben ist. Das Gebäude der Fachhochschule wird von Offenheit und Transparenz geprägt sein, d. h. es wird variable Raum- und Nutzungsstrukturen, sichtbare Labor- und Forschungsräume sowie verschiedene Innenhöfe geben. Nach der Fertigstellung kann ab dem Wintersemester 2013/14 auf einer Nutzfläche von 31.500 m² modern und praxisnah gelehrt und geforscht werden.
Wir danken den beteiligten Firmen für die Möglichkeiten des Besuches ihrer Werke und Baustellen sowie für die gebotenen Impressionen.
Text und Fotos: Paul Oschatz und David Rudolph