28.05.2019
Nachhaltig bauen mit Carbonbeton
TUD-Mitglieder der Arbeitsgruppe des Carbon Composites e.V. gehen dem Baustoff auf den Grund
Obwohl in aller Munde, ist das Thema „Nachhaltig bauen mit Carbonbeton“ durchaus ein Wagnis. Nachhaltigkeit entsteht im Umgang mit Werkstoffen und nicht per se durch das Material allein. Nachhaltiges Bauen erfordert die Entwicklung werkstoffgerechter Konstruktionen und Prozesse über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Nur unter Beachtung dieser Zusammenhänge können Wertschöpfungsketten nachhaltig gestaltet werden. Lebenszyklus- und werkstoffgerechte Konstruktionen und Verfahren sind zudem zwingende Voraussetzungen für ein nachhaltiges Ressourcenmanagement und die Organisation von Stoffkreisläufen. In der Umsetzung dieser Grundprinzipien besteht jedoch die Herausforderung. Zum Beispiel bestehen für jeden Unternehmer eine Vielzahl firmen- und auftragsspezifischer Randbedingungen: Bauherrenforderungen, Kostenbudgets, Zeitvorgaben, technische Regelwerke, Rechtsvorschriften. Es geht es um Einnahmen, Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit. Für langfristigen Erfolg sind Visionen dennoch wichtig.
In der Arbeitsgruppe Faserverbundarmierte Betone der Fachabteilung CC BAU des Carbon Composites e.V. (CCeV), des führenden europäischen Netzwerks für die industrielle Anwendung von faserverstärkten Werkstoffen im Bauwesen widmen sich u. a. Vertreter aus dem Bereich Bau und Umwelt dieser Thematik. In einer kürzlich stattgefundenen Vortragsreihe des CC Bau an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften wurde an ausgewählten Stellen der Wertschöpfungskette sondiert, wie sich diese komplexen Zusammenhänge technisch und unternehmerisch auswirken. Anhand erster Praxisprojekte konnten die Vortragenden darlegen, dass die Anwendung von Textil- bzw. Carbonbeton nachhaltige Lösungen im Neubau und im Bestand ermöglichen bzw. überhaupt erst realisierbar machen. Zu den Inputgebern gehörten unter anderem Dipl.-Ing. Arch. Sabine Behrens vom Sächsischen Staatsministerium der Finanzen, Dipl.-Vw. Christoph Scope, Professur für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie der TU Dresden, Dipl.-Ing. Jan Kortmann vom Institut für Baubetriebswesen der TU Dresden, Dipl.-Ing. Arch. Kirsten Hollmann-Schröter und Herr Dipl.-Ing. Arch. Felix Lowin, Juniorprofessur Ressourceneffizientes Bauen der TU Dortmund, Dr.-Ing. Frank Jesse (Hentschke Bau GmbH Bautzen), Dipl.-Vw. Stefan Wappler, Institut für Betonbau der HTWK Leipzig, Forschungsgruppe „Nachhaltiges Bauen“, Dipl.-Ing. Arch. Dominik Wirtgen (Fischer Architekten GmbH Mannheim), Dipl.-Ing. Lenard Dankesreiter (Züblin AG) und Dipl.-Ing Kolja Kuse, Geschäftsführer des Münchener Unternehmens Clean Carbon Technology.
Die Teilnehmenden fanden für die Abschlussdiskussion drei Leitfragen, auf denen in nächster Zeit der Fokus bei Gesprächen liegen soll.
- Welche Zielgruppen und Zielmärkte werden Ihrer Meinung nach kurz- oder mittelfristig für unternehmerisch erfolgreiche nachhaltige Anwendungen von Carbonbeton entstehen?
- Welche Vorstellungen haben Sie bezüglich guter Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand. Welche Erfahrungen zur Vergabepraxis liegen Ihnen vor?
- Welche Messgrößen/Indikatoren steuern und erhöhen den Anwendungsgrad von Carbonbeton beim Neubau bzw. bei der Sanierung/Ertüchtigung im Bestand?
Dipl.-Vw. Christoph Scope, Professur für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie der TU Dresden, eröffnete die Arbeitsgruppensitzung mit einer Einführung in die Nachhaltigkeitsbewertung im Bauwesen und deren Integration in unternehmerische Steuerungssysteme. Er unterstrich die Notwendigkeit nachhaltigen Bauens aus Sicht der aktuellen Umweltbelastung (z. B. globales CO2 Budget für 1,5 Grad-Ziel), aus der Sicht politischer Zielvorgaben (z. B. Pariser Klimaabkommen, Nachhaltigkeitsstrategien der EU) und aus der Sicht geltender Normenwerke (z. B. DIN EN 15643 - Nachhaltigkeit von Bauwerken). Es fehle derzeit noch an quantifizierten, umfassenden Nachhaltigkeitsbewertungen von Carbonbeton entlang der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Diese Fragen werden z. Z. im Rahmen des Forschungsprojekt C³-V2.10 durch Scope untersucht. Das Projekt endet im März 2020, so dass in naher Zukunft mit belastbaren Aussagen zu rechnen sei.
Dipl.-Ing. Jan Kortmann vom Institut für Baubetriebswesen der TU Dresden beleuchtete das Ende der Wertschöpfungskette, das im Sinne nachhaltigen Bauens zugleich den Anfang neuer Stoffkreisläufe bilden sollte. Er stellte Ergebnisse des Forschungsprojekts C³-V.15 „Abbruch, Rückbau und Recycling von C³-Bauteilen“ vor. Untersuchungen sowohl an einzelnen Bauteilen als auch kompletten Baukörpern aus Carbonbeton hätten gezeigt, dass Bedenken bezüglich des Gesundheitsschutzes nicht begründet sind. In umfangreichen Messreihen von der Bauteilherstellung (z.B. Bewehrung) über die Bauteilbearbeitung (z.B. Bohren, Sägen) bis hin zu Abbruch bzw. Recyclings wurden keine Anzeichen von gesundheitsgefährdenden Faserfreisetzungen nach WHO-Definition (so genannte „lungengängige“ Fasern) festgestellt. Ferner wurde nachgewiesen, dass Carbonbeton mit gängigen, marktüblichen Technologien getrennt und wiederaufbereitet werden kann, zum Teil sogar mit geringerem Aufwand als bei stahlbewehrten Betonstrukturen. Eine kamerabasierte Separation der Bestandteile zum Beispiel kann unter praxisnahen Bedingungen bereits mit Leistungen von 10 t pro Stunde umgesetzt werden: Aus der Betonfraktion entsteht Betonrezyklat für stoffliche Wiederverwertung, aus der Carbonfaserfraktion kann Ausgangsmaterial für rCF-Vliese, -Spritzguss oder –Hybridgarne gewonnen werden.
Kontakt:
Dr.-Ing. Ingelore Gaitzsch
Leiterin der AG Faserverbundarmierte Betone der Fachabteilung CC BAU
Alte Dresdner Str. 99, 01108 Dresden
Tel.: 0351-8804109
E-Mail:
Dipl.-Vw. Christoph Scope
Wiss. Mitarbeiter an der Professur für Nachhaltigkeitsmanagement und Betriebliche Umweltökonomie der TU Dresden
Münchner Platz 1/3, Georg-Schumann-Bau, SCH B 047, 01187 Dresden
Tel.: +49 351 463-33245
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