Teilprojekt Grenzschichtmodell
Grenzschichtmodell
Ziel von Grenzschichtmodellen ist im Wesentlichen die Simulation der turbulenten und advektiven Transportvorgänge in der atmosphärischen Grenzschicht. Besonderes Augenmerk gilt der Turbulenz. Grenzschichtmodelle zählen zu den sogenannten Reynolds-Averaged-Numerical-Simulation (RANS). Diese Modellgattung ist dadurch charakterisiert, dass die turbulenten Austauschprozesse vollständig durch mittlere zeitliche Zustände beschrieben werden, wodurch der Rechenaufwand niedrig gehalten wird. Demgegenüber stehen die Large-Eddy-Simulation (LES) und die Direct-Numerical-Simulation (DNS), bei denen die großen bzw. alle Turbulenzstrukturen (Eddies) zeitlich und räumlich aufgelöst werden. Dies ist nur durch hohen Rechenaufwand zu gewährleisten.
Als weitverbreitete Methode zur Beschreibung der turbulenten Transporte hat sich der sogenannte K-Ansatz etabliert. K wird dabei als turbulenter Diffusionskoeffizient bezeichnet, um die Analogie zur molekularen Diffusion zu verdeutlichen. Der turbulente Diffusionskoeffizient ist kurz gesagt ein Maß dafür, wie schnell Potentialunterschiede in einem Potentialfeld durch turbulente Durchmischung ausgeglichen werden können. Die Schwierigkeit im Grenzschichtmodell besteht also darin, die Diffusionskoeffizienten im Modellgebiet zu bestimmen. Dies erfolgt üblicherweise über die Berechnung von 2 zusätzlichen Gleichungen (neben den Gleichungen für die zu untersuchenden Größen wie Impuls, Wärme, etc.), aus denen K abgeleitet wird. Zum einen wird eine Gleichung für die mittlere turbulente kinetische Energie (TKE) gelöst und zum anderen wird entweder über einen Mischungsweglängenansatz die Größe der Eddies ermittelt oder noch eine zusätzliche Gleichung für die Dissipation (ε) von TKE gelöst. Dadurch sind die Parametrisierungen physikalisch fundierter, aber das Problem an sich wird nur verlagert. Also statt einer geeigneten Wahl von K muss nun z. B. eine geeignete Wahl für die Mischungsweglänge getroffen werden.
Von großem Interesse sind die Austauschprozesse über Waldbeständen. Der Wald spielt z. B. eine wichtige Rolle im Kohlenstoffkreislauf als Kohlenstoffsenke bzw. –quelle, aber auch im Wasserkreislauf durch pflanzengesteuerte Transpiration. Die Messungen der turbulenten Flüsse über Waldbeständen sind insbesondere im Bereich von Inhomogenitäten durch advektive Transporte beeinflusst. Für die Berücksichtigung advektiver Flüsse gibt es bis heute keine befriedigende Methodik. Ein Grenzschichtmodell ist ein vielversprechendes Werkzeug, die advektiven Einflüsse zu berücksichtigen und damit eine Grundlage zu liefern, Messdaten richtig zu interpretieren. Im Rahmen von TurbEFA soll im Grenzschichtmodell vor allem die Turbulenzparametrisierung im Bestand verbessert werden. Das erfolgt zum einen mit Hilfe der hochaufgelöster Bestandesdaten, aus denen mittlere Weglängen für einen geeigneten Mischungsweglängenansatz abgeleitet werden können. Und zum anderen soll mit Hilfe von Messungen im Freiland und Windkanal sowie den LES-Ergebnissen der Einfluss der Vegetation auf die Produktion und Dissipation von TKE besser berücksichtigt werden. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt auch der Widerstandsbeiwert, der im Wesentlichen die Abgabe von kinetischer Energie der Luftströmung an die Vegetation steuert. Dieser wird üblicherweise für alle Vegetationselemente und Windgeschwindigkeiten als konstant angenommen, was in der Realität nicht der Fall ist. Mit Hilfe von Windkanalexperimenten an einzelnen Vegetationsobjekten und Schwingungsmessungen im Freiland sollen auch die Widerstandsbeiwerte angepasst werden.
HIRVAC-2D
Das Grenzschichtmodell HIRVAC-2D ist eine Weiterentwicklung des 1D-Grenzschichtmodells HIRVAC, das seit vielen Jahren erfolgreich hier an der Professur für Meteorologie angewendet und stetig weiterentwickelt wurde. Schwerpunkt von HIRVAC ist die detaillierte Parametrisierung der pflanzenphysiologischen Prozesse, wie z. B. Photosynthese und Respiration, und die daraus resultierende Wechselwirkung mit der Atmosphäre und dem Boden.
HIRVAC-2D ermöglicht nun die differenzierte Betrachtung von turbulentem und advektivem Transport unter Berücksichtigung von Inhomogenitäten in Waldbeständen. Das Modell berechnet die Navier-Stokes-Gleichungen für die horizontalen Windkomponenten, potentielle Temperatur, spezifische Feuchte und die turbulente kinetische Energie (TKE). Die vertikale Windgeschwindigkeit ergibt sich aus der Kontinuitätsbedingung. Die Vegetation wird mittels Blattflächenverteilungen nachgebildet. Für jede Pflanzenschicht und den Erdboden wird die Energiebilanz berechnet, um die Quell- und Senkenwirkung von vorerst Wärme und Feuchte zu berücksichtigen.
Stand
- hochaufgelöste Vegetation wurde im Modell integriert
- der kinematische Druck wird über das SIMPLEC-Verfahren berechnet
- verschiedene Turbulenzschließungen können berücksichtigt werden (k-l, k-ε, k-ω...k = TKE, ε = Dissipation, ω = spezifische Dissipation)
- Berechnungen wurden erstmal nur für neutrale Schichtung
durchgeführt (Energieumsätze und Stoffausbreitungen wurden
außer acht gelassen)
Ergebnisse
Simulationen mit dem hoch aufgelösten Vegetationsmodell haben gezeigt, dass eine detaillierte Berücksichtung der Vegetation notwendig ist, um die Strömungsverhältnisse in einem bewaldetem Gebiet adäquat wiederzugeben. Typischerweise wird das Vegetationsmodell anhand von wenigen Standortparametern geschätzt, was offenbar zu große Unsicherheiten birgt.
Der Vergleich der verschiedenen Schließungsmethoden hat bestätigt, dass die Methode des K-Ansatzes prinzipiell eine gute Grundlage ist, um Strömungen im Bereich einer Waldkante zu simulieren. Jedoch stellte sich auch heraus, dass der K-Ansatz möglicherweise nicht ausreicht, um alle notwendigen Strömungseigenschaften hinreichend genau zu berechnen. So ist z.B. die k-ε-Schließung in der Lage, mittlere Profile des Horizontalwindes innerhalb des Waldbestandes sehr gut wiederzugeben. Dafür werden aber turbulente Strömungseigenschaften deutlich unterschätzt. Die anderen Schließungen überschätzten die mittlere Windgeschwindigkeit, trafen dafür die turbulenten Eigenschaften besser. Es scheint also mit gängigen Schließungsansätzen erstmal nicht möglich, mittlere und turbulente Strömungseigenschaften in Einklang zu simulieren.
- Normierte Profile der Windgeschwindigkeit an den
Positionen der Türme. Berechnet unter Verwendung des
detaillierten Vegetationsmodells.
- Normierte Windprofile der Windgeschwindigkeit an
den Positionen der Türme. Berechnet unter Verwendung eines
geschätzten Vegetationsmodells. Zur Schätzung wurde ein
gemessenes PAD-Profil verwendet. Die Baumhöhen wurden
anhand von Standort-Fotos geschätzt.
- Normierte Profile des vertikalen Impulstransports an den Positionen der Türme (detailliertes Vegetationsmodell)
- Normierte Profile der TKE an den Positionen der Türme (detailliertes Vegetationsmodell)
Die Simulationen zeigten auch, dass sich im Bereich der Waldkante möglicherweise ein signifikanter Druckgradient ausbildet, der im Stammraum für eine Beschleunigung der Luft sorgt. Dies bewirkt das ausgeprägte lokale Windmaximum im Stammraum, dass in den Windprofilen zu erkennen ist und relativ gut mit den Messwerten übereinstimmt.
Ein großer Unsicherheitsfaktor für die Beschreibung von Stoff- und Energieflüssen im Bereich der Waldkante ist der Vertikalwind. Dieser ist nicht vernachlässigbar und dessen Quantifizierung ist notwendig, um zwischen advektiven und turbulenten Flüssen unterscheiden zu können. Außerdem muss er auch berücksichtigt werden bei der Beurteilung, wo gemessene Stoffkonzentrationen ihre Herkunft haben (Wald, Lichtung). Bisher konnten aus den Simulationen noch keine befriedigenden Erkenntnisse gewonnen werden. Aufgrund der geringen Größenordnung des Vertikalwindes ist eine mögliche Ursache, dass der Einfluss einzelner großer Böen durch den K-Ansatz nicht abgedeckt wird. Dieser Einfluss soll im Fortgang des Projektes mit berücksichtigt werden.
- Normierte Profile des Vertikalwindes an den Positionen der Türme (detailliertes Vegetationsmodell)
- Isotachen der vertikalen Windgeschwindigkeit berechnet mit k-ε-Modell
- Isotachen der vertikalen Windgeschwindigkeit
berechnet mit einem k-l-Modell
nächste Schritte
- Parametrisierung nicht-lokal gebildeter Turbulenz (Böen)
--> hinreichend genaue Simulation von mittlerem Wind und
turbulenten Transporten
- Simulation von Stoff- und Energietransporten --> durch die genauere Beschreibung von Wind und Turbulenz kann die Ausbreitung passiver Tracer genauer simuliert werden. Zweck des Modells soll in Zukunft die Quantifizierung und Bilanzierung von Stoffen und Energie zwischen Wald und Atmosphäre sein.
- Erweiterung zu einem dreidimensionalen Modell mit
Berücksichtigung der Orographie --> orographische Effekte
wurden bisher vernachlässigt, ein Einfluss auf die Strömung im
Untersuchungsgebiet ist jedoch nicht auszuschließen. Es ist
dann auch eine Anwendung auf beliebige andere Gebiete
möglich.