Forschungsschwerpunkte
Neben der Technologie für Drehflügler beschäftigt sich die Abteilung auch zunehmend mit der Technologie der Windenergieanlagen (WEA). Einen Überblick über die strategische Ausrichtung und die adressierten Forschungsziele gibt die nachfolgende Grafik.
Schwerpunkt der Abteilungsaktivitäten ist die Erforschung von Drehflüglern, zu denen auch die Hubschrauber gehören. Sicherheit und Nachhaltigkeit sind hier die wesentlichen Abteilungsziele, wobei der Flug eines Drehflügers bei allen Sicht- und Witterungsbedingungen, das schließt auch Vereisungsbedingungen ein, möglich werden soll. In letzter Konsequenz kann das den vollautomatisierten Flug vom Start bis hin zur Landung bedeuten. Zur Nachhaltigkeit trägt die Abteilung durch aktive Systeme zur Lärm- und Leistungsbedarfsreduktion bei. Darüber hinaus ist die Vibrationsreduktion ein weiteres Ziel. Für die zahlreichen Aufgaben im Bereich der Drehflüglerforschung und –entwicklung werden immer bessere Simulationsmodelle gebraucht (Stichwort: Virtual Rotorcraft). Diese Modelle werden im Bereich der Windenergieanlagen zunächst auf diese Systeme übertragen und angepasst (Virtual WEA). Allerdings fließen von hier auch Verbesserungen wieder in die Drehflüglerforschung zurück. Im Bereich der Windenergielangen sind dann Lasten, sowohl Vorhersage als auch Reduktion durch aktive Eingriffe in die Steuerung, Gegenstand der Abteilungsforschung.
Inhaltsverzeichnis
- Bereich Drehflügler
- Physikalisch-mathematische Modellierung von Drehflüglern
- Systemidentifikation von Hubschraubern
- Flugregleroptimierung und Pilotenassistenz
- Aktive Sidesticks zur Pilotenunterstützung
- Kopplung und Degradierungsszenarien von aktiven Sidestiks
- Vorentwurf von Drehflüglern
- De-Icing
- Aktive Rotorsteuerung
- Schiffsdecklandung
- Air-to-Air Refueling
- Bereich der Windenergieanlagen
- Bereich Drehflügler
Bereich Drehflügler
Physikalisch-mathematische Modellierung von Drehflüglern
Hubschrauber wie Drehflügler allgemein sind sehr komplexe Systeme, die auch heute noch nur ungenügend genau simuliert werden können. Beispielsweise generiert der Hauptrotor einen Nachlauf, der mit der Rumpfstruktur interagiert und Schwingungsprobleme am Leitwerk hervorruft. Umgekehrt beeinflusst der Rumpf die Durchströmung des Rotors, Rotor- und Zellendynamik können miteinander agieren und zu selbsterregten Schwingungen führen und Lasten können immer noch nicht genau genug vorhergesagt werden. Ziel ist deshalb, eine Simulationssoftware für Hubschrauber aufzubauen, die genaue, aber auch schnelle Berechnungen durchführen kann. Dies reicht bis hin zur Echtzeitfähigkeit. Zudem sollen Schnittstellen mit numerischen Strömungslösern bereitgestellt werden.
Systemidentifikation von Hubschraubern
Neben der physikalisch-mathematischen Modellierung von Hubschraubern werden auch die Methoden der Systemidentifikation verwendet, um aus Flugversuchsdaten Simulationsmodelle abzuleiten. Zumeist sind diese Modelle linear und dienen u.a. zur Flugeigenschaftsbewertung und Regleroptimierung. Dafür werden durch den Piloten standardisierte Steuereingaben vorgenommen und die Hubschrauberreaktionen aufgezeichnet. Mit einem speziellen Verfahren, das im Frequenz- oder Zeitbereich angewendet werden kann, werden die Übertragungsfunktionen zwischen Ein- und Ausgängen bestimmt. Dafür können einerseits Parameter vorher definierter Modellstrukturen identifiziert oder auch die gesamte Modellstruktur samt Parameter abgeleitet werden.
Flugregleroptimierung und Pilotenassistenz
Da Hubschrauber schwer zu fliegen sind, werden zur Pilotenentlastung Flugregler eingesetzt, deren erste Aufgabe die Stabilisierung des Hubschraubers ist. Darauf aufbauend können weiterführende Funktionen realisiert werden, die das Fliegen weiter vereinfachen. Diese Funktionen können Regler zur Kommandierung einer Fluglage, einer Translationsgeschwindkeit bei Steuerbetätigung oder der Haltung einer Position sein. Schließlich können darauf weitere Pilotenassistenzsysteme aufbauen, die den Piloten weiter entlasten. Das können die auf Sensordatenfusion basierende hindernisfreie Flugbahnoptimierung mit Regelung auf der Flugbahn und dem automatischen Ausweichen vor Hindernissen oder die Entlastung von Sonderaufgaben wie dem Außenlasttransport (Lastpendeldämpfung und –positionierung) sein.
Aktive Sidesticks zur Pilotenunterstützung
Eine besondere Form der Mensch-Maschine-Schnittstelle ist die Nutzung des Tastsinnes der Hand. Dieses hochsensible Organ wird derzeit noch nicht zur Kommunikation mit dem Piloten genutzt, erste Ansätze finden sich im Automobilbereich. Aktive Sidesticks sind mechatronische Systeme, die die konventionellen Steuer des Hubschraubers ersetzen und dem Piloten Kraftrückmeldungen geben können. Die „Kraft-Weg“ Kennlinie der Sticks kann in Echtzeit im Flug nahezu beliebig geändert werden. Da Hubschrauber eine Reihe von Flugbereichsgrenzen haben, die der Pilot kennen und teils durch Instrumente überwachen und gleichzeitig den Blick auf sein Umfeld zur Beobachtung von Flugverkehr und Hindernissen haben muss, bietet es sich an, ihm Funktionen zur Flugbereichsgrenzenüberwachung auf diese aktiven Sticks zu legen (Stichwort: Envelope Protection). Darüber hinaus lassen sich mit diesen Sticks neuartige Assistenzsysteme z.B. zum Abfliegen bestimmter Manöver realisieren sowie die Sitzhaltung des Piloten ergonomisch deutlich verbessern.
Kopplung und Degradierungsszenarien von aktiven Sidestiks
Die Steuerorgane von Hubschraubern mit mechanischem Flugsteuerungssystem sind mechanisch miteinander gekoppelt. Durch den Einsatz aktiver Sticks wird dies durch eine elektronische Kopplung ersetzt. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, wie die Steuer gekoppelt werden, entweder indem eine mechanische Steuerung simuliert wird oder indem die Sticks eben nicht gekoppelt werden. Die Steuerkopplung hilft dem nicht steuernden Piloten dabei ein besseres Situationsbewusstsein über die Steuereingaben des steuernden Piloten zu erhalten, was insbesondere in Situationen wichtig ist, in denen der nicht steuernde Pilot die Steuerung übernehmen muss. In dieser Situation ist dann die Entkopplung beider Sticks sehr sorgfältig zu gestalten. Dies kann manuell oder automatisch geschehen.
Aktive Steuerorgane können bei Ausfall einzelner Komponenten wie Motor, Kraft- oder Wegsensor durch Rekonfiguration weiterhin ein Steuersignal liefern. Zwei Extremsituationen stellen die plötzliche Umschaltung in eine Kraftsteuerung bei blockiertem Steuer, wobei der Stick sich nicht mehr bewegen lässt, bzw. ein Ausfallszenario, bei dem das Steuerkraftgefühl des Sticks verloren geht und der Stick „kraftlos“ wird, dar. Hier gilt es zu untersuchen, wie der Pilot mit der Stickdegradierung zurechtkommt, insbesondere, wenn diese in kritischen Flugsituationen eintritt.
Vorentwurf von Drehflüglern
Die Spannbreite an Konfigurationen für Drehflügler ist sehr viel weiter gefasst als für Flächenflugzeuge, für die sich im zivilen Bereich nahezu eine einzige Variante durchgesetzt hat. Bei Hubschraubern lassen sich bereits Konfigurationen mit einem Hauprotor von solchen mit mehreren Rotoren und diese in der Anordnung der Rotoren unterscheiden. Jüngst wird der Designraum durch elektrische Antriebe im Bereich leichter Drehflügler, die eine Vielzahl von Propellern statt Rotoren aufweisen, nahezu beliebig erweitert. Teils werden auch bei ihnen Flügel und separate Vortriebsorgane zur Erzielung höherer Fluggeschwindigkeiten hinzugefügt. Diese Designvielfalt gilt es in Entwurfstools abzubilden, um so „optimale“ Konfigurationen für vordefinierte Missionen zu entwerfen.
De-Icing
Während in großen Hubschraubern Enteisungssysteme Einzug gehalten haben, ist dies für leichte bis mittelschwere Hubschrauber nicht der Fall. Dies erklärt sich aus dem Gewicht und dem Leistungsbedarf dieser Systeme. Das bedeutet aber auch, dass ein Rettungshubschrauber heute bei Vereisungsbedingungen trotz guter Sicht nicht ausrücken kann. Deshalb soll in diesem Forschungsgebiet ein spezielles Augenmerk auf alternative Enteisungssysteme gelegt werden, die mit möglichst wenig Energie auskommen oder sogar bereits in Form von Wärme reichlich vorhandene Energie nutzen.
Aktive Rotorsteuerung
Die aktive Rotorsteuerung zielt darauf ab, zusätzlich zum Piloten Steuersignale in den sich drehenden Rotor einzusteuern, ohne dass dieser davon etwas mitbekommt. Dazu werden zumeist in den sich drehenden Rotor zusätzlich Aktuatoren eingebaut. Dies ist als Einzelblattsteuerung (engl. Individual Blade Control, kurz IBC) bekannt. Solche Systeme können sehr gut Vibrationen an ihrem Entstehungsort, dem Rotor, den vom Rotor abgestrahlten Lärm und seinen Leistungsbedarf reduzieren und wurden in vielen Windkanal- und Flugversuchen erfolgreich getestet. Allerdings ist immer noch die Frage nach dem effizientesten IBC-System offen. Derzeit forscht das DLR an zwei Konzepten, der Mehrfachtaumelscheibe, die als einziges IBC-System ohne Aktuatoren im Rotor auskommt, und dem „Smart Twisting Active Rotor“ (STAR), der in die obere und untere Blatthaut integrierte Piezzofolienaktuatoren vorsieht.
Schiffsdecklandung
Landungen mit Hubschraubern auf Schiffsdecks sind aus mehrerer Hinsicht herausfordernd. Offensichtlich ist die begrenzte Landefläche, die sich je nach Seegang noch dazu beträchtlich bewegen kann. Weniger offensichtlich, dafür aber ebenso problematisch, sind die zusätzlichen aerodynamischen Interaktionen des Hubschraubers mit dem Nachlauf der Schiffsdeckaufbauten, die durchaus zu deutlichen Beeinträchtigungen des Hubschraubers führen können. Zur Erforschung dieses Themas gilt es zunächst die gesamte Kette im Simulatorzentrum des DLR umzusetzen und darauf aufbauend Assistenzsysteme zu entwickeln, die die Landung des Hubschraubers auf dem sich bewegenden Schiffsdeck vereinfacht.
Air-to-Air Refueling
Bei der Luft-zu-Luftbetankung muss der Pilot mit einem langen Füllstutzen den vom Tanker ausgefahrenen Tankschlauch, der durch einen kleinen Schirm an dessen Ende stabilisiert wird, treffen. Diese Flugaufgabe stellt höchste Anforderungen an die Präzision des Piloten. Erschwert wird auch diese Aufgabe durch den Nachlauf der Triebwerke und des Flügels auf Hubschrauber und Schirm. Insbesondere letzterer kann beträchtliche Bewegungen ausführen, denen der Pilot mit dem Stutzen folgen muss, wobei er darauf achten muss, nur moderate Steuerkommandos einzusteuern. Auch hier gilt es zunächst die geschilderte Wirkungskette im Simulatorzentrum darzustellen und darauf aufbauend Assistenzsysteme zu entwickeln, die dem Piloten bei dieser Aufgabe unterstützen oder ihm diese gänzlich abnehmen.
Bereich der Windenergieanlagen
Modellierung von Windenergieanlagen
In diesem Thema werden die für Drehflügler bereitgestellten Modellansätze auf Windenergieanlagen übertragen. Momentan wird dazu ein sogenanntes Freewake Verfahren, das zu den sog. Wirbelgitterverfahren gehört und zu jedem Zeitschritt die sich frei ausbildende Nachlaufgeometrie eines schuberzeugenden Rotors berechnet, angepasst. Dies betrifft z.B. die Interaktion mit der turbulenten Zuströmung, die für Hubschrauber selten modelliert wird, oder die Interaktion mit den Nachläufen anderer Windenergieanlagen, um die Simulationswerkzeuge für die Simulation ganzer Windparks vorzubereiten.
Forschung zu neuen Konfigurationen von Windenergieanlagen
Hierfür werden Multirotorkonzepte untersucht. Die Idee hierbei ist, nicht immer größere Rotoren zu entwickeln, um immer höhere Leistungsausbeuten zu erzielen, sondern mehrere Rotoren auf eine gemeinsame Turmstruktur zu integrieren. Eine Fragestellung hierbei ist, wie dicht man die Rotoren nebeneinander anordnen oder sogar überlappen lassen kann, um Kosten an der Turmstruktur zu senken, ohne dass die Leistungsausbeute deutlich nachteilig beeinflusst wird.
Aktive Lastregelung
Für dieses Forschungsgebiet werden neue Regelungsverfahren untersucht, um durch Eingriff in die Anlagensteuerung Lasten z.B. an der Blattwurzel oder der Turmstruktur zu reduzieren. Dazu sollen an der Blattwurzel durch einen Lastregler zusätzliche Blatt-Pitch-Winkel kommandiert werden, die die gewünschten Ergebnis erzielen. Da dies die Verstellung des gesamten Blattes mit entsprechend hohem Leistungsbedarf erfordert, ist eine weiterführende Idee, neue Stellmechanismen in das Blatt zu integrieren. Das können z.B. Hinterkantenklappen sein, um den an den Blattaußenbereichen herrschenden hohen Staudruck zu nutzen. In Ergänzung zur Blattwurzelsteuerung gelangt man zur MIMO-Steuerung (multiple input, multiple output), mit der mehrere Regelungsziele gleichzeitig adressiert werden können. Sowohl der Einsatz innovativer Regelungsverfahren als auch die systemtechnischen Fragestellungen sind hierzu Forschungsgegenstand.