Linienplanung
Vielfach stehen Aufgabenträger vor dem Problem, eine Verkehrsleistung im Nahverkehr zu bestellen, welche sowohl fahrgastfreundlich als auch finanzierbar ist. Demgegenüber benötigen Nahverkehrsunternehmen kundenattraktive Liniennetze, um Erlöse aus den Fahrgeldeinnahmen zu steigern. Verschiedene Forschungsansätze beschäftigen sich mit dieser Aufgabenstellung. Bisher bekannte Verfahren bilden entweder Radiallinien bei einer mono-zentrischen Netzstruktur oder werden so mit Durchmesserlinien kombiniert, dass möglichst Linien mit gleichen Verkehrsstärken verbunden werden bzw. der betriebliche Aufwand an Fahrzeugen oder Personen minimiert wird. Andere rechnergestützte Verfahren basieren auf Heuristiken und liefern bei praxisüblichen, großen Netzen kein Optimum mehr.
Die Professur für Verkehrsströmungslehre der TU Dresden stellt mit dem Programm LINOP ein nachfrageorientiertes, simultanes Linienplanungsmodell vor, das den Komfort der Fahrgäste maximiert und dabei die begrenzten Ressourcen der Infrastruktur und der Betriebsmittel gewährleistet. LINOP dient der automatischen Generierung zulässiger und optimaler Liniennetze. LINOP kann dazu beitragen, durch optimale Liniennetze den öffentlichen Nahverkehr attraktiv und wirtschaftlich zu gestalten. Mit LINOP können Angebote strukturiert bzw. Bestellungen und Ausschreibungen von Nahverkehrsdienstleistungen durchgeführt werden.
Die Infrastruktur wird graphenatheoretisch durch Knoten (den Haltestellen) und Kanten (den Straßen/Bahnstrecken) modelliert. Es können die verschiedenen Produkte im Personennahverkehr abgebildet werden. Zusätzlich werden Endhaltestellen als Zugbildungsbahnhöfe festgelegt. Mit diesen Daten wird mit LINOP initial eine Menge von möglichen Linien erzeugt. Beispiele mit mehreren tausend Knoten und Kanten konnten bereits berechnet werden. Die Verkehrsnachfrage wird einer Quelle-Ziel-Matrix entnommen und als Belastungen auf jeder Kante berechnet. Dabei wird eine obere und untere Grenze für die Bedienungsfrequenz ermittelt. Die verkehrlich sinnvollen Linien werden mit linearer Optimierung so kombiniert, so dass die Anzahl der Fahrgäste ohne Umstieg maximal ist und die Bedienungsfrequenzen eingehalten werden. Die Zielfunktion des Optimierungsverfahrens der Professur für Verkehrsströmungslehre berücksichtigt neben der Kundenattraktivität auch den betrieblichen Aufwand.
LINOP wurde u. a. für den Verkehrsgroßraum Berlin validiert. Das Infrastrukturnetz Berlin umfasste derzeit insgesamt 3040 Knoten und 4054 Kanten. Neben der Linienoptimierung ist eine Reiseauskunft in LINOP implementiert, um die Qualität des Liniennetzes mit gegebenen oder prognostizierten Taktzeiten überprüfen zu können sowie Stresszeiten in den täglichen Mobilitätsabsichten zu ermitteln. Mit dieser Funktion können für ein Liniennetz die optimalen Wegeketten nebst komplexen Reisezeiten bestimmt werden.
Ansprechpartner
Prof. Dr. rer. nat. habil. Karl Nachtigall
Ausgewählte Publikationen
Müller, Torsten (Stadtwerke Tübingen); Opitz, Jens; Rittner, Michael (TU Dresden):
Weiterentwicklung eines linearen Linienoptimierungsmodells mit Hilfe entscheidender Kenntnisse aus der Betriebspraxis – Umsetzung für die Anwendung.
Proceedings zur Tagung „HEUREKA '11 – Optimierung in Verkehr und Transport“, FGSV Verlag, Köln, 2011.
Rittner, Michael:
Modelling Line Network and Schedule Optimisation Simultaneously in Public Transport.
Vortrag auf Tagung „European Conference on Operational Research“, Bonn, 05. – 08.07.2009.
Nachtigall, Karl:
WtW – Angebotsorientierte Linienplanung.
Vortrag auf der DVWG-Tagung "Transfer von Methoden aus der Verkehrswissenschaft in den Verkehrsbetrieb", Dresden, 2008.
Nachtigall, K.; Jerosch, K.:
Simultaneous Network Line Planning and Traffic Assignment.
Karlsruhe: 8th Workshop on Algorithmic Approaches for Transportation Modeling, Optimization, and Systems, 18.09. 2008.
Stichwörter
- Liniennetzoptimierung
- Verkehrsleistung im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
- Angebotsplanung zur Erzeugung kundenattraktiver Liniennetze
- simultanes Linienplanungsmodell LINOP
- automatischen Generierung zulässiger und optimaler Liniennetze
- graphentheoretische Abbildung der Infrastruktur
- Abbildung verschiedener Produkte des ÖPNV
- Zugbildungsbahnhof (ZBB)
- Quelle-Ziel-Matrix zur Modellierung der Verkehrsnachfrage
- Bedienfrequenz der verkehrlich sinnvollen Linien
- Reiseauskunft zur Bestimmung der optimalen Wegeketten und komplexen Reisezeiten