Projekt im Rahmen des NRVP
Mit dem Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) setzt sich die Bundesregierung aktiv für eine Stärkung des Radverkehrs ein. Der Bund nimmt hierbei eine wichtige Rolle als Moderator, Koordinator und Impulsgeber der Radverkehrsförderung wahr. Damit wird nicht zuletzt eine nachhaltige Mobilität sowie die Schaffung attraktiver Städte und Gemeinden unterstützt. Der NRVP dient dazu, einen breiten gesellschaftlichen Dialog über neue Wege und Umsetzungsstrategien zur Radverkehrsförderung zu initiieren, Handlungsempfehlungen zu geben und insgesamt einen Beitrag zu einem fahrradfreundlichen Klima in Deutschland zu leisten.
Der Lehrstuhl für Verkehrsökologie und die Professur für Verkehrspsychologie der TU Dresden unterstützen dieses Vorhaben im Rahmen des NRVP aktuell mit dem Projekt
"Mit Smartphones generierte Verhaltensdaten im Radverkehr - Überprüfung der Nutzbarkeit und Entwicklung eines Auswertungsleitfadens für Akteure der Radverkehrsplanung"
unter Leitung von Prof. Dr. Udo Becker und Prof. Dr. Bernhard Schlag. Gefördert wird dieses Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).
Motivation und Projektbeschreibung
Ein attraktiver Radverkehr bedarf einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur. Der Ausbau und der Erhalt von Radverkehrsinfrastruktur im Rahmen der entsprechenden Zuständigkeiten ist deshalb eines der wesentlichen Ziele des NRVP und der Kommunen. Voraussetzung dafür ist eine systematische Erfassung der Radverkehrsnachfrage. Hier setzt das Projekt an: Ziel ist es, Kommunen ein Werkzeug für die flächendeckende Erfassung der Verkehrsnachfrage und der Qualität des Radverkehrsablaufs, basierend auf vorhandenen „Big Data“, zur Verfügung zu stellen.
Eine solche, umfassende Datengrundlage ist für den Paradigmenwechsel von der Angebots- zur Nachfrageplanung unerlässlich.
Bisher liegen durch den enormen Aufwand von Vor-Ort-Erfassung jedoch sowohl zeitlich als auch örtlich nur punktuelle Verkehrsstärken vor, wodurch auch die Bedeutung des Nebennetzes für den Radverkehr nicht erfasst werden kann. In der untenstehenden Grafik sind Dauerzählstellen des Radverkehrs aus dem Themenstadtplan der Stadt Dresden, welche als Pilotkommune fungiert, abgebildet. Daraus ist leicht erkennbar, dass aktuell aus dieser Quelle keine flächendeckenden Daten zum Radverkehr in Dresden vorliegen können.
Eine Möglichkeit, diese Erfassung zukünftig zu verbessern und flächendeckender zu gestalten, bilden GPS-basierte Daten. An Fahrradlenkern befestigte oder in Bekleidungen mitgeführte Smartphones erfassen alle Bewegungsdaten der NutzerInnen automatisiert per Satellitenpositionierung (GPS). Betreiber von Smartphone‐basierten Radfahr‐Apps speichern bereits seit Jahren die Sport‐ und Alltagswege ihrer NutzerInnen. Seit dem Jahr 2014 bietet mindestens ein Anbieter (Strava , Inc) die aggregierten und anonymisierten Datensätze interessierten Akteuren in der Radverkehrsplanung (z. B. Kommunen, Planungsbüros, Verbänden) zum Kauf an. Die GPS-basierten Daten bieten die Möglichkeit, flächendeckende Verkehrsmengenkarten und Quelle-Ziel-Matrizen zu erstellen, abschnittsfeine Durchschnittsgeschwindigkeiten sowie Wartezeiten an Knotenpunkten zu ermitteln und Routen von Einzelwegen in Korridoren nachzuvollziehen.
Insgesamt kann somit auch die Qualität des Verkehrsablaufes (Level of Service) für den Radverkehr bestimmt werden. Zudem kann perspektivisch ein Vergleich von Verkehrsnachfrage und -angebot angestrebt und somit die Planung der Kommunen sinnvoll unterstützt werden. In der untenstehenden Abbildung ist eine Erfassung der Landeshauptstadt Dresden mit GPS-Daten dargestellt. Die Hauptrouten des Radverkehrs können anhand der Dicke der blauen Linien erkannt werden.
Trotzdem fehlen bisher methodische Kenntnisse zur Datenauswertung und die Eignung der Daten ist noch nicht nachgewiesen, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Verwendungszwecke und die möglicherweise fehlende Repräsentativität. Aus diesen Defiziten ergibt sich folgendes Ziel des explorativen Projekts: Es soll die Nutzbarkeit von vorhandenen GPS‐Massendaten des Radverkehrs für die Radverkehrsplanung in Deutschland nachgewiesen werden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie werden vorhandene Datensätze geprüft und die Übertragbarkeit einer Hochrechnungsmethodik der Datensätze für Kommunen im Bundesgebiet nachgewiesen.
Zielstellungen sind demnach:
- Nutzbarkeit von GPS-Massendaten für die Radverkehrsplanung
- Prüfung von Plausibilität und Repräsentativität
- Entwicklung von geeigneten Visualisierungsformen
- Entwicklung einer Hochrechnungsmethodik bzw. Korrekturrechnungen
- Erstellung eines Leitfadens mit Empfehlungen und Arbeitsschritten für Kommune
Treffen des Forschungsbeirats
Am 09.11.2016 fand das zweite Treffen unseres Forschungsbeirats statt. Unter den Teilnehmern waren u.a. die Radverkehrsbeauftragten der Städte Dresden und Leipzig, Vertreter des ADFC Sachsen sowie einige namenhafte Forscher der TU Dresden, bspw. aus den Fachbieten Psychologie und Geografie.
Zuerst wurden die Teilnehmer durch Vorträge zum aktuellen Stand des Projekts sowie der Auswertung der Kommunalbefragung und des Strava-Fragebogens auf den neusten Stand gebracht. Im zweiten Teil des Treffens brachten die Anwesenden anschließend Ihre Expertise und Gedanken in Diskussionsrunden zu Nutzertypen im Radverkehr sowie zur Erstellung des Leitfadens für Kommunen ein. Dabei wurde diskutiert, welche Planungskriterien in der Praxis relevant sind und für welche Nutzergruppen momentan geplant wird. Zur Diskussion der Erwartungen an den Leitfaden wurden die Anwesenden in die Gruppen "Planung / Kommunen" und "Forschung / Verbände" aufgeteilt, um verschiedene Perspektiven auf die Thematik abzudecken.
Die Vorträge zum aktuellen Stand des Projekts stehen für Interessierte hier zur Verfügung:
- Sven Lißner zum aktuellen Stand
- Angela Francke zur Auswertung der Kommunalbefragung
- Angela Francke zur Auswertung des Strava-Fragebogens
Im Rahmen des Projektes wurde ein Leitfaden zum Umgang mit smartphone-generierten Radverkehrsdaten erstellt. Zum Leitfaden gelangen Sie hier. Die englische Version des Leitfadens finden Sie hier.
Abschließend konnte nun der Ergebnisbericht des Projektes veröffentlicht werden. Diesen finden Sie hier.
Ansprechpartner
Dipl.‐Verk.wirtsch. Angela Francke
Dipl.‐Ing. Sven Lißner