01.11.2022
Pressemitteilung - Projektabschluss ScoNe
E-Tretroller als neue Herausforderung der städtischen Verkehrsplanung
Datengrundlagen für die Routenwahl und zur Entschärfung von möglichen Konflikten mit dem Radverkehr – Projektergebnisse werden auf internationalen Konferenzen vorgestellt
Dresden, den 01. November 2022
Mit der Zulassung von Elektrokleinstfahrzeugen für den Straßenverkehr in Deutschland ergibt sich für Kommunen und Städte die Notwendigkeit, die E-Tretroller in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen. Wie der Datenzugang zu E-Tretroller-Nutzungsdaten erleichtert werden kann, untersuchte das Projekt ScoNe an der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Cyface GmbH. Dabei wurde geprüft wie E‑Tretroller-Daten, die als Quelle-Ziel-Verbindungen vorliegen, beschafft werden können und inwiefern diese geeignet sind, um z. B. Begegnungsbereiche mit dem Radverkehr zu ermitteln. Die Ergebnisse des Projektes werden diesen Monat auf zwei internationalen Konferenzen vorgestellt: auf der International Cycling Safety Conference in Dresden, Deutschland, und auf der Transport Research Arena 2022 in Lissabon. Das Projekt „ScoNe – Verwendbarkeit von E-Tretroller-Nutzungsdaten“ wurde im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 105.109 Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. ScoNe startete im Juni 2021 und wurde im Mai 2022 abgeschlossen.
In einem ersten Schritt konnten in dem Projekt erfolgreich E-Tretroller-Nutzungsdaten für den Anwendungsfall der Stadt Dresden durch die Cyface GmbH über eine offene Schnittstelle eines führenden Leihanbieters für E-Tretroller in Dresden beschafft werden. Die hierfür genutzten Java-Codes stehen als Open Source auf Github zur Verfügung (https://github.com/cyface-de/crawler).
Anschließend übernahm die Professur für Verkehrsökologie der TU Dresden die Verarbeitung der Daten und das Routing der Datenpunkte (Start-/Endpunkte). Aufbauend auf den gewonnenen Routen konnten erste Anhaltspunkte für Begegnungs- und Konfliktbereiche zwischen Radverkehr und E-Tretrollern ermittelt werden. Der Abgleich mit Radverkehrsdaten aus dem mFUND-Projekt MOVEBIS ergab, dass es trotz eines, proportional zum Radverkehr geringengen E‑Tretroller-Anteils im Hauptstraßennetz zu möglichen Konflikten, etwa bei Überholvorgängen aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeitsniveaus zwischen Rad- und E-Tretroller-Fahrer:innen kommen kann
Enge oder nicht vorhandene Radverkehrsanlagen können dabei zu Konflikten beitragen. Daneben wurde festgestellt, dass das Verhältnis der E‑Tretroller-Nutzung zum Radverkehrsaufkommen im Nebennetz weitaus größer ist als im Hauptstraßennetz (siehe Abb. 1 und 2).
Zusätzlich wurde an der Professur für Verkehrspsychologie der TU Dresden eine empirische Studie mit 26 Probandinnen und Probanden durchgeführt, um zu prüfen, inwieweit die aus Start- und Endpunkt einer Fahrt ermittelten E‑Tretroller-Routen dem tatsächlichen Verhalten der Nutzer:innen entsprechen. „Es hat sich gezeigt, dass die Einflussfaktoren auf die Routenwahl beim E-Tretroller-Fahren sehr vielseitig sind. Allerdings waren insbesondere das sichere Fahren und die Fahrbahnoberfläche für die Entscheidung der E-Tretroller-Fahrenden relevant.“ so Dr. Madlen Ringhand, Projektleiterin aus der Professur für Verkehrspsychologie der TU Dresden. Wie in Abb. 3 zu sehen ist, gab es eine hohe Variabilität an gefahrenen Routen mit dem E‑Tretroller. Je nachdem welches Ziel angefahren wurde, unterschied sich dabei die Anzahl an gewählten Routenoptionen.
In einem letzten Schritt wurden die tatsächlich gefahrenen Routen mit den algorithmisch ermittelten Routen verglichen, um eine abschließende Bewertung der Nützlichkeit der E-Tretroller-Nutzungsdaten im verkehrsplanerischen Kontext vorzunehmen. Dazu sagt Iwan Porojkow, Projektmitarbeiter der Professur für Verkehrsökologie der TU Dresden: „Start-Ziel-Verbindungen, die über bekannte und viel befahrene Wege angebunden sind, lassen sich mithilfe der tatsächlich gefahrenen Routen gut prognostizieren. Ziele, die über eher unbekannte Wege erreichbar sind und viele Routenalternative im Nebennetz vorweisen, sind schwerer vorhersagbar. Dafür müssen die Faktoren die zur Entscheidung einer bestimmten Routenoption führen, besser in den Algorithmen berücksichtigt werden.“
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden am 14. Juli 2022 in einer öffentlichen Abschlussveranstaltung mit Beteiligung von 20 Kommunen, dem BMDV und weiteren Akteuren vorgestellt und diskutiert. Der Workshop hat gezeigt, dass Datenzugang und Nutzung von E‑Tretroller-Daten durch die Verwaltungen je nach Kommune sehr variiert. Sofern die E-Tretroller-Nutzung anhält ist aus Sicht der Kommunen eine Integration in die Radverkehrsplanung möglich. Hierfür wären dann Quelle-Ziel- bzw. Daten zur Routenwahl, auch von Nutzer:innen privater E‑Tretroller nötig. Allerdings besteht eine große Herausforderung in dem großen zeitlichen und personellen Aufwand für Datenauswertung und ‑integration. Einige größere Kommunen konnten in diesem Zusammenhang, v. a. für das Monitoring der E-Scooter-Nutzung von Dashboards bzw. Datenmanagementtools profitieren.
Das Projekt ScoNe hat gezeigt, dass E‑Tretroller-Nutzungsdaten als Quelle-Ziel-Daten abgerufen und verarbeitet, daraus Konfliktpunkte mit dem Radverkehr abgeleitet und somit eine Grundlage für die Verkehrsplanung geschaffen werden konnte. Zur Entwicklung eines aussagekräftigen Routenwahlmodells müssen die Determinanten der Routenwahl von E-Tretroller-Nutzer:innen künftig weiter untersucht werden, u. a. für verschiedene Nutzer:innengruppen und im Vergleich zum Radverkehr. Ein dadurch verbessertes Routenwahlmodell kann für die Verkehrsplanung genutzt werden und genauer Aufschluss über die Flächenwahl, Bedarfe für Abstellmöglichkeiten bei der E-Tretroller-Nutzung, und auch über eine mögliche Flächenkonkurrenz mit dem Radverkehr geben. Für die Verkehrsnachfragemodellierung können die E‑Tretroller-Nutzungsdaten im Quelle-Ziel-Format somit sehr hilfreich sein, wenn basierend auf bereits bestehenden Modifikationen der Routingalgorithmus weiterentwickelt und das Routenwahlverhalten zukünftig besser beschrieben wird.
Die Ergebnisse des Projektes werden auf folgenden wissenschaftlichen Konferenzen vorgestellt:
- Ergebnisse zur Ableitung von Konfliktpunkten der E-Scooter-Nutzungsdaten mit Radverehrsdaten: Transportation Research Arena 2022, Lissabon, 15. November: „Friend or Foe? A special approach to overlay bicycle and scooter trajectories“ vorgestellt durch Iwan Porojkow
- Ergebnisse der empirischen Studie von Probandinnen und Probanden: International Cycling Safety Conference 2022, Dresden, 10. November: “Importance of safety and road surface for route choice when riding shared e-scooters vs. bicycles” vorgestellt durch Dr. Madlen Ringhand
Weitere Informationen zum Projekt sind auf den Seiten des BMDV und der TU Dresden zu finden:
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/DG/mfund-projekte/scone.html
https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/vpsy/forschung/projekte-alt/scone
Über das Förderprogramm mFUND des BMDV
Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMDV seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität der Zukunft. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung. Die Bereitstellung von offenen Daten erfolgt über die Mobilithek. Weitere Informationen finden Sie unter www.mFUND.de.
Kontakt:
Dr. Madlen Ringhand, , +49 351 463 36517