09.05.2023
Komplexe Systeme wie das Gehirn durch die Analyse der verborgenen Geometrie ihrer Netzwerke verstehen
Eine in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie unter der Leitung von Prof. Carlo Vittorio Cannistraci, Direktor des Center for Complex Network Intelligence (CCNI) am Tsinghua Laboratory of Brain and Intelligence (THBI) und Alumni des Biotechnologischen Zentrums (BIOTEC) der TU Dresden, stellt einen schnellen Algorithmus zur Messung der Beziehung zwischen den räumlichen Variablen eines vernetzten komplexen Systems, seiner Geometrie und seiner Navigationsfähigkeit vor. Der neue Algorithmus kann dazu beitragen, unser Verständnis der Unterschiede zwischen den Gehirnen verschiedener Altersgruppen und Geschlechter zu verbessern.
Viele Variablen bestimmen die Konnektivität von Netzwerken, die mit komplexen Systemen wie der menschlichen Gesellschaft verbunden sind. Einige dieser Faktoren und deren Einfluss sind bekannt, beispielsweise je höher die Popularität einer Person ist, desto größer ist die Anzahl der Kontakte, die diese Person in sozialen Netzwerken haben kann. Weitere Beispiele sind Variablen wie die semantische oder räumliche Nähe. Je mehr Menschen gemeinsame Interessen haben oder in geografischer Nähe leben, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie miteinander Beziehungen aufbauen und kleine und mittlere Gemeinschaften in einem Netzwerk bilden. Wenn Variablen wie Beliebtheit und Distanz bekannt sind, sind viele andere Variablen, die die Konnektivität des Netzwerks in einem komplexen System bestimmen, unbekannt. Die geometrische Beziehung dieser Variablen in einem mehrdimensionalen Raum, den die Forschenden als Mannigfaltigkeit bezeichnen, bleibt jedoch als „Spur" in der Netzwerkstruktur eingeprägt.
In ihrer kürzlich erschienenen Veröffentlichung in Nature Communications haben Prof. Cannistraci und Dr. Muscoloni einen optimierten Algorithmus entwickelt und implementiert, der die Berechnungszeit für ein Worst-Case-Szenario von 26 Jahren auf nur eine Woche reduziert. Der Algorithmus ist in der Lage, das Ausmaß zu messen, in dem eine Netzwerktopologie mit einer zugehörigen mannigfaltigen Geometrie übereinstimmt. Die Mannigfaltigkeit stellt die Regel der geometrischen Verbindungen zwischen allen Variablen dar, die dazu beitragen, die Form des Netzwerks in einem komplexen System abzubilden; das Netzwerk ist also eine Art Diskretisierung dieser Mannigfaltigkeit. Die verborgene Geometrie der Mannigfaltigkeit hinter der Struktur von Gehirnnetzwerken ist unbekannt.
„Obwohl wir Gehirnnetzwerke in einem dreidimensionalen Raum visualisieren, ist die Zahl der Variablen, die ihre Architektur beeinflussen, größer. Einige dieser Faktoren wie Alter und Geschlecht sind bekannt, aber viele andere bleiben unbekannt. Dennoch können wir ihre Spuren in der Form des Hirnnetzwerks finden und versuchen zu messen, wie kongruent die Form eines Netzwerks mit seiner verborgenen Geometrie ist. Diese Messungen können als Marker verwendet werden, um verschiedene Stadien oder Zustände von Hirnnetzwerken zu unterscheiden und können dazu beitragen, neue Theorien und Maßnahmen zur Entwicklung von Markern für Hirnkrankheiten zu entwerfen", erläutert Prof. Cannistraci zusammen mit seinem Kollegen Dr. Alessandro Muscoloni.
Carlo Vittorio Cannistraci leitete die Forschungsgruppe Biomedizinische Kybernetik am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der TU Dresden, wo er diese Studie zusammen mit Dr. Alessandro Muscoloni begann, der zu dieser Zeit als Postdoktorand in Cannistracis Team arbeitete. Vor zwei Jahren wechselte Carlo Vittorio Cannistraci an die Tsinghua-Universität in China, wo er Lehrstuhlinhaber und Direktor des Center for Complex Network Intelligence (CCNI) ist.
„Während die Physik die Prinzipien und Funktionsweisen des äußeren Universums erforscht, untersucht die Gehirnforschung die Prinzipien und Mechanismen des inneren Universums. Meine Forschung befindet sich an der Schnittstelle dieser beiden Disziplinen. Ich beschäftige mich mit der Physik und Technik von Komplexität und Intelligenz: Der Erforschung von Prinzipien der natürlichen und künstlichen Intelligenz", erklärt Prof. Cannistraci.
Publikation:
Carlo Vittorio Cannistraci und Alessandro Muscoloni: Geometrical congruence, greedy navigability and myopic transfer in complex networks and brain connectomes. Nature Communications (November 2022).
Link: https://doi.org/10.1038/s41467-022-34634-6
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Carlo Vittorio Cannistraci
Email:
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