17.12.2021
Neue Fördermittel für internationale Forschungsprojekte zu Mikrozephalie
Einige Menschen werden mit sehr kleinen Gehirnen geboren, ein medizinischer Sachverhalt, der als Mikrozephalie bekannt ist und zu geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen führt. Warum aber sind ihre Gehirne kleiner? Das neue internationale Forschungskonsortium möchte herausfinden, ob der zelluläre Stoffwechsel bei dieser Krankheit eine Rolle spielt. Die Initiative wurde mit über 1,17 Millionen Euro im Rahmen des ERA-NET NEURON-Programms gefördert. Dr. Mareike Albert vom Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden wird mit einer Reihe von Projekten zur Erforschung des Zusammenspiels von Stoffwechsel und Epigenetik bei der Gehirnentwicklung beitragen.
Im sich entwickelnden Fötus wächst während der Schwangerschaft ein Pool von Stammzellen. Aus diesen so genannten neuralen Vorläuferzellen gehen fast alle Zellen des Gehirns hervor. Im Falle der Mikrozephalie gehen die Forschenden davon aus, dass sich die neuralen Vorläuferzellen nicht genügend teilen und daher nicht genügend Gehirnzellen produzieren. In vielen Fällen ist der genaue Mechanismus der Krankheit noch weitgehend unklar. Obwohl einige genetische Mutationen mit Mikrozephalie in Verbindung gebracht wurden, trägt ein großer Teil der Patienten und Patientinnen keine bekannten Veränderungen. Nun hat das ERA-NET NEURON-Programm ein neues internationales Forschungskonsortium finanziert, das die Ursachen der Mikrozephalie erforschen will, um die Frühdiagnose zu verbessern.
„Neuste Studien bringen Mikrozephalie mit Veränderungen im Zellstoffwechsel, einer Reihe von Prozessen, die Energie und zelluläre Bausteine produzieren, in Verbindung", erklärt Dr. Mareike Albert, Forschungsgruppenleiterin am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden. Das neue Konsortium vereint das Fachwissen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Finnland, Belgien und Frankreich, um sich auf die Identifizierung und Charakterisierung der Stoffwechselwege zu konzentrieren, die die Expansion neuraler Vorläuferzellen steuern.
Die Forschungsgruppe von Dr. Albert wird eine Reihe von Experimenten koordinieren, die sich speziell auf die Verbindung zwischen Stoffwechsel und Epigenetik beziehen. „Wir wissen, dass der zelluläre Stoffwechsel eine wichtige Rolle bei der Regulierung epigenetischer Modifikationen spielt, d.h. kleiner chemischer Modifikationen an der Erbinformation (DNA) und an mit der DNA verbundenen Strukturproteinen, die das Ablesen einzelner Gene (Genexpression) verändern. Ein gestörter Stoffwechsel könnte zu Veränderungen in der Genexpression führen und sich letztlich auf das Zellschicksal auswirken, z.B. zu einer geringeren Anzahl von Vorläuferzellen, aus denen sich Neuronen entwickeln", erklärt Dr. Albert.
Die Albert-Forschungsgruppe am CRTD untersucht epigenetische Mechanismen, die die Entwicklung und Evolution des Gehirns steuern. Die Gruppe verwendet modernste Ansätze, darunter die Kultivierung menschlicher Hirnorganoide (Zellkulturmodelle, die Gewebestrukturen nachbilden), die Entwicklung von Werkzeugen zur Epigenom-Editierung und quantitative Analysen der Genexpression und epigenetischer Veränderungen.
Über das ERA-NET NEURON
European Research Area Networks (ERA-NETs) sind von der Europäischen Kommission initiierte Projekte in verschiedenen Forschungsbereichen. Ihr Ziel ist es, einen Europäischen Forschungsraum zu schaffen, in dem länderübergreifend geforscht und finanziert wird. So können europäische Forschungsgruppen bestimmte Probleme zusammen bearbeiten, Ideen austauschen und von grenzüberschreitender Expertise und Mobilität profitieren. Am ERA-NET NEURON (Network of European Funding for Neuroscience Research) beteiligen sich 27 Forschungsförderungsorganisationen und Ministerien aus 23 Ländern, um die Grundlagen-, klinische und translationale Forschung auf dem vielfältigen Gebiet der Erforschung des Gehirns und seiner Krankheiten zu unterstützen.