05.03.2024
Deutsches Archiv der Kulinarik: Neu entdeckte Dokumente aus dem Nachlass des DDR-Fernsehkochs Kurt Drummer kommen nach Dresden
Das Deutsche Archiv der Kulinarik übernimmt den Nachlass von DDR-Fernsehkoch Kurt Drummer. Zu dem Bestand gehören zahlreiche Auszeichnungen, persönliche Dokumente aber auch Spuren staatlicher Zensur. In 650 Folgen stand Drummer für das DDR-Fernsehen vor der Kamera. Zuletzt waren ausgewählte Dokumente in einer Ausstellung im Hotel Chemnitzer Hof zu sehen. Fortan ist der Nachlass in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) für die Forschung und die Öffentlichkeit nutzbar.
„Was uns besonders freut ist, dass bei der Sichtung vom jahrzehntelang eingelagerten Teil des Nachlasses neue, bisher unbekannte Dokumente ans Licht gekommen sind“, sagt Claudia Lappöhn, Vorsitzende des Chemnitzer Köchevereins. „Unter anderem haben wir 29 Manuskripte zu Drummers Kochsendungen gefunden. Wenn man bedenkt, dass von den insgesamt 650 Sendungen nur fünf erhalten sind, ist das eine Sensation. Außerdem fanden wir auch Spuren der staatlichen Zensur, handschriftliche Aufzeichnungen Drummers und jede Menge ‚Fanpost‘.“
Prof. Dr. Andreas Rutz von der TU Dresden, Mitinitiator des Deutschen Archivs der Kulinarik und Leiter einer interdisziplinären Forschungsgruppe zur kulinarischen Ästhetik vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, zeigt sich ebenfalls begeistert: „Der Bestand, insbesondere auch die kürzlich aufgetauchten Dokumente, sind für die Forschung von herausragendem Interesse. Sie erlauben es, unsere Arbeiten zur kulinarischen Ästhetik mit Blick auf die Kochkunst in der DDR weiter auszubauen und damit eine wichtige Facette der ostdeutschen Gesellschaft zu beleuchten. Bei Kurt Drummer spielt dabei nicht zuletzt auch seine mediale Präsenz eine wichtige Rolle. Ich freue mich sehr, dass sich der Köcheverein Chemnitz entschieden hat, den Nachlass an das Deutsche Archiv der Kulinarik in Dresden zu übergeben und damit sicherzustellen, dass die Unterlagen professionell aufbewahrt werden und für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit langfristig zur Verfügung stehen.“
Die Kulturhistorikerin Nancy Nilgen von der Universität Leipzig erforscht im Rahmen ihrer Promotion die ostdeutsche Esskultur, wobei die DDR-Fernsehküche und die Kochbücher des TV-Kochs einen bedeutenden Schwerpunkt ihrer Arbeit darstellen. Sie ist erfreut über die Überführung dieses Bestandes an das Archiv der Kulinarik, da dies einen wertvollen Beitrag zur Bewahrung und Weiterentwicklung unseres kulinarischen Erbes darstelle.
Kurt Drummer, 1928 in Gornsdorf im Erzgebirge geboren, erlernte das Kochhandwerk in Chemnitz im Hotel Chemnitzer Hof. Ab 1946 arbeitete er bei renommierten Köchen, unter anderem auf der Wartburg, im Hotel Elephant in Weimar und erneut in Chemnitz. 1955 erhielt er seinen Meisterbrief. Ab 1958 zog es ihn zum Deutschen Fernsehfunk, wo er dem Publikum bis 1983 in 650 Folgen von „Der Fernsehkoch empfiehlt“ die Kulinarik näherbrachte. Mit seinen Fernsehauftritten und Kochbüchern prägte er nachhaltig die ostdeutsche Esskultur. Von 1965 bis 1990 war Drummer zudem Chefkoch der Hotelkette „Vereinigung Interhotel“. Als solcher nahm er erfolgreich an zahlreichen Kochwettbewerben teil. 1986 erhielt er die Auszeichnung „Meisterkoch der internationalen Klasse“ und 1999, ein Jahr vor seinem Tod, die Kulinarische Medaille des Verbandes der Köche Deutschlands.
Zum Nachlass Kurt Drummers gehören neben den erwähnten Stücken rund 30 Auszeichnungen und Medaillen internationaler Kochwettbewerbe, darunter zum Beispiel der „Gold Medal Award for an Outstanding Exhibit on the Table d’Honneur“ vom 11. Internationalen Gastronomiewettbewerb in Torquay (GB) 1969. Auch persönliche Dokumente wie etwa sein Meisterbrief von 1955 und ein Fotoalbum mit zahlreichen Bildern, die seine lange Karriere dokumentieren, sind enthalten. Im Bestand befindet sich auch eine eigens für das Schwarz-Weiß-Fernsehen angefertigte gelbe Kochmütze. Ebenso dazu gehören mehrere von Drummer mitverfasste Kochbücher wie „Das Fernsehkochbuch“ oder „Die besten Rezepte aus der Fernsehküche“, teilweise als Erstausgaben.
Die Technische Universität Dresden (TUD) und die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB Dresden) haben am 10. Oktober 2022 das Deutsche Archiv der Kulinarik an der SLUB Dresden gegründet. Die umfangreiche Kulinaria-Sammlung mit Handschriften, Büchern und Zeitschriften sowie Menükarten, Gebrauchsgrafik, Fotografien und audiovisuellen Medien gehört deutschlandweit zu den bedeutendsten ihrer Art. Zu den Highlights zählen die Sammlungen von Ernst Birsner, Walter Putz und Wolfram Siebeck. Sie bildet die Grundlage für die inter- und transdisziplinäre Forschung in den Geistes-, Kultur- und Naturwissenschaften rund um die Themen Kochkunst, Tafelkultur und Ernährungskunde und deren Wirken in Kultur und Gesellschaft über die Zeiten, wie sie bereits erfolgreich an der TUD etabliert ist. SLUB und TUD beleben mit Veranstaltungen, Ausstellungen, partizipativen Formaten und Publikationen den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs rund um die Themen Ernährung und Kulinarik und etablieren so das Deutsche Archiv der Kulinarik als zentralen Akteur für Forschung, Lehre und Wissenstransfer in die Gesellschaft.
Im Rahmen des Kulturhauptstadt-Jahres 2025 in Chemnitz und anlässlich des 25. Todestages von Kurt Drummers im kommenden Jahr sind weitere Veranstaltungen geplant.
Kontakt
Prof. Dr Andreas Rutz
Professur für Sächsische Landesgeschichte
Institut für Geschichte
TU Dresden
Tel.: +49 351 463-36460
Email: andreas.rutz@tu-dresden.de
Claudia Lappöhn, Vorsitzende
Verein Chemnitzer Köche 1898 e.V.
Siedlerstraße 28
09387 Jahnsdorf / Leukersdorf