Mar 14, 2019
Dr. Adriana Paolini – DRESDEN Senior Fellow am Institut für Romanistik
Name: Dr. Adriana Paolini
Position / Professur: Professur für Romanistische Sprachwissenschaft (Ital./Frz.)
Institut: Institut für Romanistik
Fakultät: Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften
Ich komme vom Meer, bin in Pescara, in den Abruzzen geboren, und ich wohne jetzt in den Bergen in Trient. Ich sage das gerne, weil ich glaube, ich hatte Glück an zwei so verschiedenen Orten leben zu können. Ich habe mein Studium als Mediävistin begonnen, zuerst in Chieti und dann in Padua, wo ich promoviert wurde. Seit 2004 unterrichte ich an der Universität von Trient Kodikologie und Paläographie.
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte und Forschungsinteressen?
Meine Leidenschaft für Bücher und das Interesse an der Dynamik der Kulturgeschichte haben mich veranlasst, mich zunächst auf mittelalterliche Kodizes zu konzentrieren, aber ich erforsche auch frühneuzeitliche sowie Manuskripten, die erst nach dem 16. Jahrhundert entstanden. In den letzten Jahren habe ich mich ferner mit Inkunabeln und frühen Druckausgaben beschäftigt. Bücher faszinieren mich deshalb, weil sie in erster Linie Ideen und den Zeitgeist ihrer jeweiligen Epoche konservieren. Weil Bücher zirkulieren konnten, arbeiteten Intellektuelle und Kunsthandwerker mit einem gemeinsamen Ziel und brachten Wissen und Fähigkeiten zum Ausdruck, die der Spiegel der Gesellschaft waren, in der sie lebten. Ihre Geschichten sind wichtig für das Verständnis der Vergangenheit und der Zeit, die wir jetzt erleben. Um die Wichtigkeit von Büchern und Lesen zu vermitteln, sage ich meinen Studierenden immer, dass Bücher oft verbrannt (und in Wahrheit laufen sie noch immer Gefahr) und ihre Autoren, Transkriptoren, Drucker und Besitzer verfolgt wurden. Das ist der Beweis, dass sie wirklich wichtige Artefakte sind!
Was war Ihr interessantestes bzw. spannendstes Forschungsprojekt?
In den letzten Jahren habe ich mich den „zwei Herzen in meiner Brust“ gewidmet, und vorrangig als Kodikologin und Buchhistorikerin gewirkt. Ich arbeitete an einem ziemlich anspruchsvollen Projekt über die Rezeption der Werke von Bernardino Telesio, einem Naturwissenschaftler aus dem 16. Jahrhundert, der die Theorien von Tommaso Campanella und Francis Bacon inspirierte. Die Ergebnisse wurden 2017 für Les Belles Lettres veröffentlicht (Giliola Barbero, Adriana Paolini, La circolazione delle opere di Bernardino Telesio nel XVI secolo, Parigi, Les Belles Lettres, 2017).
Gleichzeitig erforschte ich weiterhin mittelalterliche Handschriften, insbesondere eine "atlantische" Bibel aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die in Trento aufbewahrt wird, was mir die Gelegenheit gab zu zeigen, wie die Form der Bücher, ihre Größe – beeindruckend in diesem Fall, das Seitenlayout und die Form der Schrift als weitere Kommunikationskanäle auch für politische und religiöse Ambitionen interpretiert werden können, in diesem Fall im Zusammenhang mit der sogenannten Gregorianischen Reform. Diese Recherchen konnte ich vertiefen, dank der Entdeckung einiger Fragmente einer anderen großen Bibel vom Anfang des 12. Jahrhunderts, die für die Bindung von etwa fünfhundert weiteren, in der Bibliothek in Riva del Garda aufbewahrten, wiederverwendet wurden.
An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?
Ich habe mehrere laufende Projekte, aber seit einigen Jahren arbeite ich kontinuierlich und gerne mit der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der TU Dresden zusammen, insbesondere mit Prof. Dr. Maria Lieber und ihrer brillanten Forschungsgruppe, für das Studienprojekt der Erschließung italienischer Manuskripte der SLUB, wo ich meine Erfahrung als Kodikologin und Paläographin einbringen kann. Dank dieser Zusammenarbeit kann ich die wertvolle Gelegenheit nutzen, nicht nur die in der SLUB verwahrten Manuskripte zu studieren, sondern auch mein Interesse an Digital Humanities zu vertiefen.
Was darf auf Ihrem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Irgendein Medium, mit dem Musik abgespielt werden kann.
Haben Sie ein Lieblingszitat? Wenn ja, welches und wem ist es?
Ich habe kein Lieblingszitat, aber weil ich Poesie sehr liebe, inspirieren mich Verse, in denen ich glaube mich selbst wieder zu erkennen. Vor einiger Zeit fand ich in einem Buch von Jean-Claude Izzo eine Passage aus einem Gedicht von Louis Braquier, die mich sehr berührt hat:
«Sono in cammino verso la gente del mio silenzio
Lentamente, verso coloro presso cui posso tacere.
Verrò da lontano, entrerò e mi siederò.
Vengo a prendere quel che mi serve per ripartire».
(frei übersetzt: Ich gehe auf Menschen meiner Stille zu,
Langsam, zu denen bei denen ich schweigen kann.
Ich werde von weit her kommen, eintreten und mich setzen.
Ich komme um das zu bekommen, was ich brauche, um noch einmal von vorne zu beginnen.)
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen? Alternativ:
Welchen Film/Welche Serie haben Sie als letztes gesehen?
Ich las Julian Barnes’ Vom Ende einer Geschichte, was ich außerordentlich schön fand. In diesen Tagen in Dresden lese ich Murakami. Der letzte Film, den ich im Kino gesehen habe, war Green Book – Eine besondere Freundschaft, und davor noch Cold War – Der Breitengrad der Liebe, ein Film von seltener Poesie.
Ich schaue wenig TV, aber wenn, dann bevorzuge ich Polizei-Serien, weil sie mich entspannen. Allen voran natürlich Tatort ...
Weitere Infos über Sie gibt es auf:
http://www.adrianapaolini.it/