May 22, 2017
Europa gemeinsam Denken – Internationalisierung stärken
Während Europa manchmal als abstraktes politisches Projekt erscheint, geht es eigentlich um den Austausch von Menschen über nationale Grenzen hinweg. Davon konnte man sich unlängst auch in Dresden überzeugen. Am 12. und 13.Mai fand an der TU Dresden der erste „Joint Workshop on Europe“ statt. Die Veranstaltung wurde von der Professur für Internationale Politik mit Unterstützung des Internationalen Büros des Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften organisiert. Als Referenten wurden Nachwuchswissenschaftlern, Post-Docs und Professoren der TU Dresden, der Universität Trento, dem King's College London und der Universität Breslau (inklusive des vom DAAD geförderten Willy Brandt Zentrums) geladen. Darüber hinaus war die Veranstaltung für Studierende der TU Dresden geöffnet.
Der Workshop hatte zweierlei Ziele. Zum einen wurden aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt. Zum anderen sollte die Basis für eine weitergehende Vernetzung zwischen den teilnehmenden Universitäten gelegt werden. Thematischer Schwerpunkt war die Europäische Union (EU) aus politikwissenschaftlicher Perspektive. Gemeinsam diskutierten die Wissenschaftler über vergangene, aktuelle und zukünftige Probleme und Herausforderungen. Ein besonderer Schwerpunkt war die Frage des geplanten Austritts Großbritanniens („Brexit“) und dessen Auswirkungen auf die „Rest-EU“. Unter anderem wurde diskutiert, ob es nun verstärkt zur differenzierten Integration – also einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ – kommen wird. Gegenwärtige Tendenzen in der Eurozone scheinen in diese Richtung zu weisen. Generell wurde aber darauf hingewiesen, dass die EU schon heute ein höchst differenziertes System ist, was z.B. im Bereich der „Opt-outs“ aus den EU Verträgen sichtbar wird.
Bezüglich der Außenpolitik wurde unter anderem die Entwicklung bilateraler Handelsverträge in der EU beleuchtet. Mit TTIP und CETA sind diese ja unlängst auch in den breiteren Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Die Frage, die sich dabei aufdrängt, ist, ob Handelsabkommen in Zukunft generell stärker politisiert werden oder ob TTIP und CETA die Ausnahme bleiben. Außerdem wurde ein erst kürzlich im Journal of Common Market Studies veröffentlichte Sonderausgabe zum Ukrainekonflikt vorgestellt. Dabei wurde unter anderem argumentiert, dass die EU trotz aller Differenzen überwiegend einheitlich auf die Krim-Annexion reagiert hat und mit der Verhängung der Sanktionen gegenüber Russland bei gleichzeitiger Ausweitung der Kooperation mit der Ukraine einen positiven Beitrag zur Konfliktlösung leistet – auch wenn es die Auswirkung seiner Assoziationspolitik mit der Ukraine auf russische Sicherheitsinteressen (oder zumindest wie diese in Moskau wahrgenommen werden) unterschätzt hat. Ein Ergebnis dieser Krise könnte, wie so oft, eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach sich ziehen.
Im zweiten Teil des Workshops wurden ausgehend von diesen Forschungsthemen gemeinsame Fragestellungen und Ideen für kooperative Projekte erarbeitet. Unter anderem wurde die Möglichkeit gemeinsamer Publikationen, Konferenzen und Forschungsanträge andiskutiert. Der nächste „Joint Workshop on Europe“ könnte am King's College London stattfinden. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die Solidarisierung mit den Kollegen an der Central European University (CEU) in Budapest, die trotz (oder weil?) ihres großen Renommees besonders auch in der Europa-Forschung zur innenpolitischen Zielscheibe wurde und von der Schließung bedroht ist. Die Teilnehmer sehen darin einen direkten Angriff auf die akademische Freiheit und nutzen die Gelegenheit gerne um von Dresden auch ein Zeichen der Solidarität nach Ungarn zu senden (siehe Foto).
Seit 2014 baut der Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen seiner Internationalisierungsstrategie die Kooperationen mit der Universität Breslau und Trento systematisch aus. Seit 2016 werden auch die Beziehungen zum King's College London in den Geisteswissenschaften intensiviert.
Weitere Informationen zum Workshop gibt es unter: https://tu-dresden.de/gsw/phil/powi/intpol/ressourcen/dateien/workshops/20170509programme.pdf
Autor: Markus Gastinger und Anselm Vogler