Jan 04, 2016
GenderPartnerSCHAFFTBrücken – Interview „Über polnische weibliche Leitbilder in der Literatur“
Am 8. Dezember 2015 fand der erste von insgesamt drei Tandem-Vorträgen in der Reihe GenderPartnerSCHAFFTBrücken statt. Dr. Monika Mańczyk-Krygiel (Wroclaw/PL) sprach über die „Mutter Polin und Ritterin. Polnische Narrative über Gender und Nation“ und Prof. Dr. Christian Prunitsch (Dresden) über die Stellung der Frau in der polnischen Kultur - Zwischen Sex und Mission. Dr. Monika Mańczyk-Krygiel arbeitet am Lehrstuhl für deutschsprachige Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts im Institut für Germanistik an der Uniwersytet Wrocławski (Universität Breslau). Wir sprachen mit Ihr über ihre Forschung, ihre aktuellen Projekte und Ihren Tandem-Vortrag.
Wie ist die Zusammenarbeit mit der TU Dresden zustande gekommen?
Meine Kollegin Prof. Miroslawa Czarnecka, die Inhaberin des Lehrstuhls für deutschsprachige Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts im Institut für Germanistik in Breslau, hielt bei der ersten Edition der Veranstaltung „gender³“ Gastvortrag. Das ganze Projekt wurde später in einer Lehrstuhlsitzung ausführlich vorgestellt. Wir fanden es sehr interessant, zumal in Polen Gender-Projekte eher schwer durchzusetzen sind. Zu dieser Zeit wusste man allerdings noch nicht, ob das Projekt fortgesetzt wird. Als ich dieses Jahr von Frau Prof. Loster-Schneider zu einem Gastvortrag eingeladen wurde, war ich hoch erfreut und habe sofort zugesagt.
Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Meine Forschungsschwerpunkte sind neben den Gender-Fragen in der deutschsprachigen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts auch andere Themenstellungen zur schlesischen und österreichischen Literatur derselben Periode, wie etwa Motivforschung (Rübezahl, Stein, Mittagsfrau). In den letzten Jahren habe ich mich auch mit dem Kulturtransfer beschäftigt (am Beispiel von Adam Mickiewicz), mit der Rezeption österreichischer Literatur von Frauen in Polen und mit den polnischen, deutschen und österreichischen Tagebüchern von Frauen über den I. Weltkrieg und über den polnisch-russischen Krieg 1919-21.
Was fasziniert Sie an diesen Themen?
Ich finde es sehr interessant, Gender als Analysekategorie auf „ältere“ Texte (d.h. vor dem II. Weltkrieg entstandene) anzuwenden. Denn zuweilen kommt man zu wirklich überraschenden Ergebnissen, insbesondere bei den Texten, die einmal „schubladisiert“ wurden, was ihre Rezeption nachhaltig beeinflusst hat. In letzter Zeit finde ich auch immer mehr Gefallen an komparatistischen Studien (polnisch/deutsch, polnisch/österreichisch, deutsch/österreichisch/schweizerisch) – aus Differenzen, intertextuellen und -kulturellen Bezügen ergeben sich immer wieder neue und anregende Schlussfolgerungen und neue Themenstellungen.
An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?
Zurzeit arbeite ich an einem großen Projekt zum Nexus Familiengedächtnis, Gender und Heimat in der Prosa deutschsprachiger Schriftstellerinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich möchte dabei eine neue Lesart von einigen zu ihrer Entstehungszeit recht erfolgreichen, heutzutage aber vergessenen Romanen vorschlagen. Dabei erweisen sich besagte Diskurse als vielversprechend, besonders im Hinblick auf die Herausarbeitung von deutschen, österreichischen und schweizerischen Spezifika. In kleineren Projekten setze ich mich zur Abwechslung mit dem Heimatbegriff in den Erinnerungen österreichischer Emigrantinnen, mit den „Sportmärchen“ Ödön von Horvaths und mit dem ästhetischen Paradigmenwechsel nach 1945 auseinander.
Wie finden Sie das Veranstaltungsformat „gender³“ und wie fanden Sie den Tandem-Vortrag GenderPartnerSCHAFFT Brücken?
Ich finde das Veranstaltungsformat „gender³“ eine einzigartige Idee. Dank verschiedenen Formen (Vorträge, Lesungen etc.) kann man ein wirklich großes Publikum begeistern, denn jeder kann etwas Interessantes für sich finden und Anregungen für sein Studium oder Forschung finden. Die große Zahl der Zuhörer war beeindruckend. Ich würde mir wünschen, dass das Interesse an Gender-Fragen in Polen genauso groß sein würde. Bei der Einstellung der neuen polnischen Regierung ist es allerdings zweifelhaft und auch im universitären Bereich werden solche Initiativen oft nur belächelt.
Einen besonderen Vorteil und Gewinn bei den Tandem-Vorträgen sehe ich in der Tatsache, dass dabei verschiedene Sichtweisen auf ein Problem bzw. Thema nacheinander präsentiert werden. Es sind aber keine Wiederholungen, sondern Ergänzungen und Erweiterungen. Es war gestern bei dem Thema über polnische weibliche Leitbilder besonders gut zu sehen. Forscher aus verschiedenen Ländern bekommen die Gelegenheit, eigene Zugänge zu Texten, Problemstellungen o.ä. zu präsentieren, und das Kennenlernen anderer Herangehensweisen wirkt immer anregend.