Dec 19, 2016
Neue Perspektiven aus Osteuropa? Fazit zum internationalen Workshop über neue Ansätze der Ordensgeschichtsschreibung
Die Verbreitung religiöser Orden im Mittelalter war ein gesamteuropäisches Phänomen. Trotz dieser allgemeinen Tendenz waren die einzelnen Regionen von geographischen, kulturellen oder auch politischen Besonderheiten geprägt. Die moderne Geschichtswissenschaft ist daher um eine staatsübergreifende Zusammenführung von Ergebnissen bemüht, die auch aus verschiedenen Forschungstraditionen entspringen. Am 22. und 23. November 2016 fand mit dem Fokus auf Mittel- und Osteuropa der internationale Workshop „New Approaches towards a Comparative History of Religious Communities: Contributions from Central and Eastern Europe” an der TU Dresden statt. Die Veranstaltung wurde von der „Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte“ (FOVOG) durchgeführt. Sie ist ein weltweit führendes Institut für die Erforschung der mittelalterlichen Klöster und Orden, deren Experten interdisziplinär die Formen klösterlichen Lebens und ihre Wechselbeziehung mit der Gesellschaft untersuchen. Die Leitung übernahm Prof. Dr. Gert Melville (Direktor der FOVOG) zusammen mit Dr. Kriston Rennie (Humboldt-Fellow und Senior Lecturer an der Universität Queensland, Australien). Der Workshop, der exklusiv an NachwuchswissenschaftlerInnen gerichtet war, verfolgte das Ziel, innovative und zukunftsweisende Forschungsansätze vorzustellen, die mit der Ordensgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa in Verbindung stehen.
Vor diesem Hintergrund stellten Doktorand*innen aus Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Tschechischen Republik und der Slowakei ihre Dissertationsprojekte aus den Bereichen der Mittelalterlichen Geschichte und Geschichte der Frühen Neuzeit vor. Insgesamt zeigte sich ein vielgestaltiges Bild an aktuell bearbeiteten Themen. Insbesondere die regional charakteristischen Kultformen und Heiligenverehrungen waren in vielen Studien vorzufinden: Die Herausbildung von Nationalheiligen – wie Hieronymus im heutigen Kroatien – oder die Repräsentationsformen von Heiligen im spätmittelalterlichen Ungarn anhand ausgewählter Orden waren Gegenstände von Einzelfallstudien, die auf dieser Basis eine Gegenüberstellung mit Befunden anderer örtlicher Konstellationen ermöglichen. Zwei der vorgestellten Arbeiten widmeten sich darüber hinaus dem Prämonstratenser-Orden in Zentral- und Osteuropa, speziell in der Slowakei. Hierbei wurden nicht nur neuere historische Analysetechniken herangezogen, sondern auch über Bedeutungsvariationen einzelner Begriffe in den verschiedenen Landessprachen reflektiert, um Fragestellungen und Ergebnissen eine möglichst große Transparenz zu verleihen. Weitere Einzelbetrachtungen beschäftigten sich mit den Maltesern in Ungarn, den Gründungstraditionen der Zisterzienser in Schlesien, der Missionsarbeit der Franziskaner im Bosnien des 17. Jahrhunderts sowie mit Siegeln und pragmatischer Schriftlichkeit in Transsylvanien (Siebenbürgen, Rumänien) und angrenzenden Ländern. Überdies war auch die erst vor wenigen Jahren aufgekommene Geschichte der Emotionen ein inhaltlicher Bestandteil, der sich konkret mit der Bedeutung des Gefühls der Angst innerhalb verschieden ausgerichteter monastischer Organisationsformen befasste.
Diese reiche thematische Variationsbreite unterstützte den Dialog des vergleichenden Ansatzes der FOVOG, der sich seit vielen Jahren um die ertragreiche Verknüpfung westlicher und östlicher Forschungspraktiken bemüht. In gemeinsamen Diskussionen wurden konstruktive Vorschläge zukünftiger Projekte und weiterer Arbeitstreffen entwickelt, um die enge Kooperation über Landesgrenzen hinaus zu festigen und auszubauen – ganz nach dem Muster der religiösen Orden im Mittelalter.
Die Veranstaltung wurde unterstützt aus Mitteln des Zukunftskonzepts der TU Dresden, finanziert aus der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder.
Autor: Marcus Handke (FOVOG Dresden)