13.11.2014
Von „magischen Nächten“ und „deutschen Blitzkriegen“
Seit diesem Wintersemester ist die Professur für Neuere und Neuste Geschichte an der Philosophischen Fakultät wieder besetzt. Am 4. November 2014 hielt die neu berufene Professorin Dr. Dagmar Ellerbrock ihre Antrittsvorlesung zum Thema „Von der Sehnsucht nach dem Unverfügbaren, von ‚magischen Nächten‘ und ‚deutschen Blitzkriegen‘. Zur Bedeutung der Gefühle in der Neueren und Neuesten Geschichte“.
Nach einer kurzen Begrüßung durch den Dekan, Prof. Dr. Matthias Klinghardt, und den Direktor des Instituts für Geschichte, Prof. Dr. Winfried Müller, begann Dagmar Ellerbrock ihren Vortrag mit Zitaten aus verschiedenen internationalen Zeitungen: „Deutsches Massaker“, „Höllennacht “, „Gejammer! Schande und Erniedrigung. Ein Furcht erregendes und vor nichts Angst habendes Deutschland kämpft hier“. Die Titel, die unmittelbar Assoziationen an den Zweiten Weltkrieg weckten, waren allerdings „Überschriften vom 9. Juli 2014 nach der magischen Nacht in Belo Horizonte, als im WM-Halbfinale Deutschland mit 7:1 gegen Brasilien gewann“, so Dagmar Ellerbrock.
Die Überschriften bilden eine Dynamik ab, die nur unter Einbeziehung der damit verbundenen Emotionen verstehbar ist. Der dabei relevante Zusammenhang, so Ellerbrock, ist auch für ein Verständnis historischer Kontexte und konkret für die Analyse historischen Gewalthandelns relevant. Denn „niemand spricht, schreibt und handelt ohne emotionale Einbettung.“ erklärt die Historikerin. „Gefühle haben eine Bedeutung für die Geschichte. Sie können Energien bündeln, Perzeptionen strukturieren und die Art und Weise steuern, wie Akteure sich in soziale Prozesse eingliedern.“ Für Dagmar Ellerbrock sind Emotionen und Geschichte eng miteinander verbunden. Sie nutzt Emotionen als Perspektive auf historische Prozesse, um geschichtliche Zusammenhänge zu analysieren . Ein Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist demzufolge die Erforschung der Relation zwischen Gewalt und Gefühlen. Hier widmet sie sich speziell der Untersuchung von Amokläufen, politischer Protestbewegungen und der Attraktivität des Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt steht aber nicht der einzelne Akteur, wie z.B. der einzelne Amokläufer – Ellerbrock interessiert sich für das Gefüge aus Amokläufer, Medien, Politik und Öffentlichkeit und die damit verbundenen und erzeugten Emotionen.
Dagmar Ellerbrock studierte Geschichte, Anglistik und öffentliches Recht in Freiburg. Nach ihrer Promotion in Bielefeld arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Universität Bielefeld. Dort habilitierte sie 2011 zur Geschichte des deutschen Waffenrechts im 19. und 20. Jahrhundert. Von 2012 bis 2014 war sie Leiterin des Minerva-Forschungsschwerpunkts „Emotionen, Gewalt und Frieden“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Zu den Forschungsinteressen der Historikerin zählen u.a. die Gesellschafts- und Sozialgeschichte der Moderne, die Emotionsgeschichte, die Kulturgeschichte von Technik und die historische Gewalt-, Friedens- und Protestforschung.