Oct 15, 2015
„Gründungsväter“ religiöser Orden als Vehikel für neue Ideen und Veränderungen
Seit Anfang September ist Prof. Dr. Emilia Jamroziak als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Forschungsstelle für Vergleichende Ordensgeschichte (FOVOG) zu Gast.
Emilia Jamroziak ist Professorin für Medieval Religious History an der University of Leed. Ihre Forschungsschwerpunkte bilden das Mönchtum im hohen und späten Mittelalter, hier namentlich die Geschichte des Zisterzienserordens, und der Kult der Heiligen. Von der Geschichte religiösen Lebens im Mittelalter ist sie seit ihrem Studium begeistert: „Die mittelalterliche Geschichte fasziniert mich, weil wir so wenig wissen. Es gibt nur wenige Quellen und somit auch wenig Informationen aus dieser Zeit. Die Forschungsarbeit auf diesem Gebiet ähnelt einem Puzzlespiel. Ich habe eine Hand voll Informationen, also nur eine Hand voll Puzzleteile, die nur selten direkt zusammenpassen. Das Ziel ist aber das ganze Bild anhand der wenigen Informationen zu rekonstruieren. Hier ist neben der Interpretation der vorhanden Daten auch Kreativität gefragt.“
Während ihres Forschungsaufenthalt an der TU Dresden wird Emilia Jamroziak an ihrem aktuellen Projekt „The Cult of the ‚Founding Fathers‘ in Late Medieval Monastic and Mendicant Orders“ arbeiten, mit dem sie sich auch für das Humboldt-Stipendium beworben hat. “Das Projekt konzentriert sich auf die Entwicklung des Kults der "Gründerväter" bei den Zisterziensern, Karmeliten und Dominikanern in Texten und Bildern des späteren Mittelalters. Manche dieser Gründungsväter, wie etwa Bernhard von Clairvaux und Dominikus, waren historische Persönlichkeiten, der biblische Prophet Elia hingegen ein mythischer Gründer der Karmeliten. „Bei meiner Arbeit interessiert mich weniger, ob diese Personen wirklich gelebt haben. Es ist keine biografische Forschung. Ich untersuche vielmehr, wie mit Hilfe dieser Personen Neuerungen in den jeweiligen Orden eingeführt wurden. Im Mittelalter waren Veränderungen und Erneuerungen in der Regel etwas Negatives. Damit sich die Orden verändern und neue Dinge eingeführt werden konnten, wurden die Gründungsväter als Vehikel benutzt. Sie wurden zu Ikonen. Neue Ideen wurden so kommuniziert, dass sie im Interesse der Gründungsväter standen und deren ursprüngliche Intensionen unterstützten“, erklärt Jamroziak.
Emilia Jamroziak wählte die FOVOG an der TU Dresden, weil „es ein sehr gutes, international bekanntes Institut ist. Es ist ideal, um über religiöse Orden zu forschen und diese vergleichenden Analyseperspektiven zu unterziehen. Meine neuen Kollegen im Institut forschen alle zu verschiedenen religiösen Institutionen und der Austausch mit ihnen ist für mich sehr wichtig. Weiterhin gibt es hier eine hervorragende Bibliothek, die ideal für meine Forschung ist und die es so nicht noch einmal gibt.“ Prof. Emilia Jamroziak ist noch bis Sommer 2016 in Dresden.
Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert exzellente Wissenschaftler, die in Deutschland ein Forschungsprojekt mit einem Gastgeber und Kooperationspartner ihrer Wahl durchführen möchten. Bewerben können sich überdurchschnittlich qualifizierte Wissenschaftler aus dem Ausland. Jedes Jahr werden ca. 500 Humboldt-Forschungsstipendien für Postdoktoranden und erfahrene Wissenschaftler vergeben.