10.09.2024
Nachgefragt: Marie Meyerding – Walter-Benjamin-Postdoc am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft
Mit einer Walter Benjamin-Stelle der DFG forscht Marie Meyerding seit Mai 2024 am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft an der Professur für Bildwissenschaft im globalen Kontext von Prof. Kerstin Schankweiler als Postdoc zu „Landschaften der Überwachung: Umweltkunst und die Stasi in der globalen DDR“. Im Interview erzählt Sie, wie Sie auf die Arbeit von Kerstin Schankweiler und ihrem Team aufmerksam geworden ist und gibt Einblicke in Ihre aktuelle Forschung.
Marie Meyerding ist Kunsthistorikerin. Sie promovierte mit summa cum laude in der Kunstgeschichte Afrikas an der Freien Universität Berlin und erwarb einen MA mit Auszeichnung in Kunstgeschichte am Courtauld Institute of Art. In ihrer Dissertation untersuchte sie die Darstellung von Frauen in der Geschichte der Fotografie im Apartheid-Südafrika. In ihrem Forschungsprojekt untersucht sie die Rolle der Umwelt für das Kunstfeld in der DDR der 1980er Jahre, um festzustellen, inwieweit umweltbewusste künstlerische Ansätze sowohl von der Stasi als auch von lokalen oder globalen Phänomenen beeinflusst wurden. Meyerdings Forschungsergebnisse sind unter anderem in African Arts, Third Text, kritische berichte, Critical Arts, Safundi and sehepunkte erschienen. Ihr erstes Buch „Sights of Struggle“, das die Geschichte der Frauen von Tambo Village anhand ihrer Texte und der Fotografien von Mavis Mtandeki erzählt, wurde im Frühjahr 2023 bei Lecturis veröffentlicht. Im Sommer 2023 kuratierte sie die Ausstellung „Defiant Visions“ bei der Non-Profit-Organisation apexart in New York City, in der sie die öffentliche Wahrnehmung von Anti-Apartheid-Bildern erweiterte, indem sie zeigte, wie Fotografinnen durch das Objektiv ihrer Kameras Widerstand gegen Unterdrückung leisteten. Meyerdings Forschung wurde vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, der Peter E. Palmquist Foundation, dem Photography Network und dem Smithsonian National Museum of African Art unterstützt.
Sie haben zuletzt an der FU Berlin promoviert. Warum haben Sie sich entschieden, Ihre Forschung an der TU Dresden weiterzuführen? Wie sind Sie auf das Institut für Kunst- und Musikwissenschaften der TUD aufmerksam geworden und wie gefällt es Ihnen bisher hier?
Schon während der Entwicklung meines neuen Forschungsprojektes zur Umweltkunst in der DDR tauchten Kerstin Schankweiler und ihr Team mit ihrer prominenten und hochaktuellen Forschung zur globalen DDR wiederholt auf. Nicht nur durch die umfassende Internetplattform „Art in Networks“ sondern auch durch die Konferenz „Die globale DDR. Eine transkulturelle Kunstgeschichte (1949-1990)“, die 2022 im Albertinum stattfand, und Publikationen, wie das 2023 erschienene Buchkapitel „Im Archiv der globalen DDR. Zeugnisse transnationaler Kunstgeschichten“, machten die Forschung des Instituts für Kunst- und Musikwissenschaften der TUD international sichtbar und versprachen spannende Diskussionen mit und kritisches Feedback von Kerstin Schankweiler und ihrem Team für mein Forschungsprojekt. Bisher gefällt es mir am Institut sehr gut und ich freue mich darüber, dass ich bereits am Sommerfest teilnehmen und beim Symposium „Reise(un)freiheit – Mobilitäten von Künstler*innen zur Zeit des Kalten Krieges“ im Albertinum mitmoderieren konnte.
Bisher galt ihr Forschungsinteresse vor allem der Kunstgeschichte Afrikas, insbesondere Südafrikas. Was hat Sie dazu bewogen, sich nun mit Kunst in der DDR zu beschäftigen?
Während meiner Dissertationsrecherche fand ich mehrere Bezüge zur deutschen Geschichte und zur deutschen Teilung, die sich nicht nur auf den zeitlich kongruenten Rahmen der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts beziehen, sondern auch auf Überlegungen zu Kunst und Fotografie im Übergang zwischen verschiedenen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Systemen. Als methodischen Ausgangspunkt für diesen gerade erst begonnenen Schwerpunkt möchte ich den in meiner Promotion entwickelten Ansatz einer intersektionalen Objektivität anwenden, welcher auf Donna Haraways Argument der Verortung von Wissen für das Erreichen von feministischer Objektivität basiert. Hierbei soll die detaillierte Betrachtung von regionalen sowohl zeitlich wie auch räumlich klar definierten Fallstudien Aufschluss auf globale Strukturen und deren Veränderungen mit einem Fokus auf sozialen, politischen und ökonomischen Machtverhältnissen zulassen. Dabei stehen künstlerische Institutionen, Individuen und Praktiken verschiedener Länder in einem abgegrenzten Zeitraum im Fokus meiner Analyse, welche Verbindungen, Ursachen und Wirkungen in den Blick nimmt, um intersektionalen Fragestellungen im gesellschaftlichen Kontext nachzugehen. Ich werde daher ausgehend von ähnlichen Fragen wie in meiner Promotion zu Gender und Intersektionalität sowie Institutionsgeschichte und -kritik mein neues Forschungsprojekt zur Umweltkunst in der DDR verfolgen.
In ihrem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigen Sie sich mit der „Trias von Kunst, Umwelt und Stasi“, wie Sie selbst schreiben. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen diesen drei Punkten, die auf den ersten Blick ja nicht sehr viel gemein haben, und was interessiert Sie an dieser Trias besonders?
Anhand der Trias von Kunst, Umwelt und Stasi möchte ich transnationale Geld- und Ideenströme beleuchten, um eine streng nationale Kunstgeschichtsschreibung in Frage zu stellen und hervorzuheben, wie sich Konzeptionen von Natur und Kunst auf regionaler und internationaler Ebene durch gegenseitigen Austausch veränderten. In dem Projekt untersuche ich, wie sich Künstler*innen mit Hilfe verschiedener künstlerischer Medien mit der Überwachung in urbanen und ländlichen Landschaften auseinandersetzten. Dabei hebe ich unterschiedliche Bewältigungsstrategien und Stilmittel hervor, um zu zeigen, wie Künstler*innen mit den Überwachungsstrategien und -methoden der Stasi umgingen und sich diesen widersetzten. Zudem möchte ich analysieren, welche Rolle Fragen von Geschlecht und Intersektionalität in den Bereichen Umweltkunst und staatliche Überwachung in der DDR spielten. Ziel ist es, Machtmechanismen offenzulegen, die damals wie heute zur Überwachung und Diskriminierung sowohl in der Kunstwelt als auch in der Gesellschaft insgesamt eingesetzt werden. Durch die Untersuchung von Umweltkunst, die auf Momente der Überwachung stößt, möchte ich mit meiner Forschung am Beispiel der DDR die Machtstrukturen der Kunstwelt aufzeigen, die Aufschluss über sich verändernde Dynamik zwischen Menschen, Natur und Maschinen geben. Dies wiederum könnte unser Verständnis der Rolle von Künstler*innen und Regierungen im Umgang mit Umweltkatastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels heute verbessern.
Planen Sie in Zusammenhang mit ihrem Projekt aktuell schon weitere Veranstaltungen – Ausstellungen, Vorträge o.Ä.?
Am 11. Oktober werde ich einen Vortrag zu „Mail Art and Environmental Activism“ im Rahmen der Online-Workshop-Reihe zu „Women und Mail Art. Gendered Perspectives on Marginal Artistic Practices"“ halten.
Und zum Abschluss noch etwas Persönliches: Was darf auf Ihrem Schreibtisch auf keinen Fall fehlen?
Ein Glas Sprudelwasser und Kopfhörer zum Musikhören beim Arbeiten.
Welches Buch haben Sie als letztes gelesen? Alternativ:
Welchen Film/Welche Serie haben Sie als letztes gesehen?
Aktuell lese ich „Wovon wir träumen“ von Lin Hierse.
Weitere Infos über Sie gibt es auf:
Auf meiner Website www.mariemeyerding.com teile ich Links zu meinen Texten und Neuigkeiten. Außerdem bin ich bei Instagram als @mariemeyerding zu finden.