Der Verleumder Tullius Destructivus
Schädigendes Sprechen in atl. Sprichwörtern und im Comic „Streit um Asterix“
von Prof. Dr. Maria Häusl
Im Seminar zu „Bibel-Übersetzungen“, das in diesem SS 2020 stattfindet und mir viel Freude macht, werden auch Rezeptionen biblischer Themen und Motive in anderen Medien wie etwa in Comics untersucht. Dieser kleine Beitrag zeigt, dass die atl. Sprichwörter und der Band „Streit um Asterix“ in ihrem Verständnis von Verleumdung bestens übereinstimmen.
Es ist allgemein bekannt, dass die Asterix-Bände sehr gut recherchiert sind und zwar nicht nur, was die aktuellen Themen betrifft. Sie sind auch hoch informativ, was historische Details betrifft. So gibt der Band „Die Odyssee“ wertvolle Hinweise auf jüdische Sitten und auf die vorderorientalische Geschichte; man sehe sich nur die Kleidung der in Kriege verwickelten Völker an! Der Band „Asterix und der Seher“ zeigt alle auch im AT genannten Kriterien für wahre Prophetie. Wichtigstes Kriterium ist jeweils, dass die Prophetie auch wirklich eintritt, ein Kriterium, das freilich erst im Nachhinein anwendbar ist. In Dtn 18,21.22 heißt es: „Und wenn du denkst: Woran können wir ein Wort erkennen, das der Herr nicht gesprochen hat?, dann sollst du wissen: Wenn ein Prophet im Namen des Herrn spricht und sein Wort sich nicht erfüllt und nicht eintrifft, dann ist es ein Wort, das nicht der Herr gesprochen hat. Der Prophet hat sich nur angemaßt, es zu sprechen.“ Und der Seher im Asterixband sagt: „Nein! Wenn ich ein echter Seher wäre, hätte ich vorhergesehen, dass Ihr eine VII würfelt, dann hätte ich VIII gesagt, denn dann hättet Ihr mich nicht für einen Seher gehalten, weil Ihr ja eine VII gewürfelt habt und keine VIII.“ Mit dieser Erklärung offenbart sich der Seher als Betrüger, denn ein echter gallischer Seher ist nämlich von den Römern in Ketten zu legen. Im Band „Der Papyrus des Cäsar“ finden sich schließlich tiefgründige Gedanken zu Schriftlichkeit und Mündlichkeit, wichtige Themen für die Kanonwerdung und die Auslegung der Bibel.
Ich will hier jedoch ein anderes, in Zeiten von fake news und hate speech hoch aktuelles Thema aufgreifen. Sowohl das atl. Sprichwörterbuch wie auch der Band „Streit um Asterix“ reflektieren über die den Mitmenschen und die Gemeinschaft schädigende Sprache.
Als schädigende Haltungen des/der Sprecher*in nennt das Sprichwörterbuch Verlogenheit, Treuebruch, Unzuverlässigkeit und fehlende Vertrauenswürdigkeit (Spr 12,17.19). Ganz besonders werden aber Irreführung, Täuschung und Verleumdung verurteilt, denn sie sind Auslöser von Streit und Zwietracht. Eine beeindruckende Zusammenstellung von schädigenden Sprechhandlungen findet sich in Spr 26,18-26:
Wie ein Verrückter, der Brandpfeile schleudert, Pfeile und Tod, so ist einer, der seinen Nächsten täuscht und dazu sagt: Ich mache doch nur Spaß.
Ist kein Holz mehr da, erlischt das Feuer, wo kein Verleumder ist, legt sich der Streit. Wie Kohle die Glut und Holz das Feuer, so schürt ein zänkischer Mensch den Streit.
Die Worte des Verleumders sind wie Leckerbissen, sie gleiten hinab in die Kammern des Leibes. Silberglasur auf Tongeschirr – feurige Lippen und ein böses Herz. Mit seinen Reden verstellt sich der Gehässige, doch in seinem Herzen ist er voll Tücke. Klingt seine Stimme auch freundlich, trau ihm nicht! Denn sieben Gräuel sind in seinem Herzen.
Hüllt sich sein Hass auch in Heuchelei, seine Schlechtigkeit wird bloßgestellt in der Gemeinschaft.
Täuschung und Verleumdung benennen die beabsichtigte schädliche Wirkung einer sprachlichen Handlung. Die Figur des Tullius Destructivus verkörpert diese Zweitracht säende Verleumdung in „Streit um Asterix“. Der Comic zeigt außerdem, dass Verleumdung keine Sprechhandlung ist, sondern die zerstörerische Wirkung einer Sprechhandlung benennt. Der Inhalt der Reden des Tullius Destructivus ist weder falsch noch von Hass geprägt. Doch wo er auftritt, färben sich als Folge seiner Reden die Sprechblasen der Umgebung grün und drücken Misstrauen, Missgunst und Neid aus.
Tullius Destructivus übergibt Asterix eine kostbare Vase mit den Worten: „Gerade in Gallien angekommen und bestrebt, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Römern und Galliern zu stärken, überreiche ich dir dieses Geschenk, dir dem wichtigsten Mann im Dorf.“ Daran schließt sich ein Dialog zwischen Gutemine und Majestix an, der erwartet hat, dass er die Vase erhält, nun in sein Haus zurückkehrt und dabei wieder mal von seinem Schild fällt.
Gutemine: "Ach, ist er schön, der wichtigste Mann im Dorf! Ja, die Römer haben es kapiert! Und Asterix bekommt natürlich keine Hinkelsteine und andere Schweinereien geschenkt! … Wirklich wichtigen Leuten schenkt man Kunstgegenstände."
Majestix: „Ich bin der wichtigste.“
Gutemine: "Ach ja? Meinst Du? Wenn ein paar Dummköpfe eines Tages die Geschichte unseres Dorfes erzählen, nennen sie sie bestimmt nicht "die Abenteuer von Majestix, dem Gallier"!!!
Zu den abgelehnten Sprechhandlungen in den atl. Sprichwörtern gehören außerdem das Preisgeben und Weitertragen von Geheimnissen, das ebenfalls als Verleumdung eingestuft wird, sowie das Schmeicheln.
Spr 20,19 Wer Geheimnisse offenbart, geht als Verleumder umher. Darum lass dich nicht ein mit einem Schwätzer.
Spr 29,5 Wer seinem Nächsten schmeichelt, breitet ihm ein Netz für die Füße.
Das hebräische Verb, das hier mit „schmeicheln“ übersetzt ist, bedeutet wörtlich „glatt sein/machen“, eine noch treffendere Übersetzung wäre deshalb wohl „schleimen“. Die atl. Sprichwörtern zeigen deutlich die gemeinschaftszerstörende Wirkung solcher Sprechhandlungen.
Spr 16,28 Ein Mensch der Ränke stiftet Streit, und ein Verleumder vertreibt den Freund.
Spr 17,9 Wer Fehler zudeckt, sucht Freundschaft, wer weiterträgt durch das Wort, vertreibt den Freund.
Und Tullius Destructivus wird von Cäsar geschickt, um die Einigkeit im Dorf zu zerstören. So sagt ein römischer Senator: „ … ihre Stärke ist doch ihre Einigkeit. Wenn es uns gelänge, Uneinigkeit und Zwietracht ins Dorf zu bringen, würden sie sich nicht mehr vertragen, und der Trank wäre nicht mehr so wichtig …“ Nun, Tullius Destructivus ist im Dorf von Asterix letztlich nicht erfolgreich. Obelix: „Das ist schön, dass wir alle wieder Freunde sind.“ …
Vgl. Maria Häusl: Über das Sprechen. Sprüche aus der älteren Weisheit über gelingende Kommunikation, in: Bibel und Kirche 71 3/2016: Das Buch der Sprichwörter. Von der Kunst richtig zu leben, 159-163.