Der Segnende Christus
von Giovanni Battista Cima, Alte Meister, Dresden
von Larysa Doronycheva
Spaziert man durch die neu gestalteten Säle der Gemäldegalerie Alte Meister, so entdeckt man gegenüber des vertrauten Heiligen Sebastian von Antonello da Messina ein in leuchtenden Farben scheinendes Christusbild. Nach der Restaurierung in die Dauerausstellung wiederaufgenommen, enthüllt das Gemälde nicht nur den ursprünglichen Farbenglanz, sondern bietet einen spannenden Einblick hinter die geistesgeschichtliche Kulisse seiner Zeit. Zu bewundern ist das Bild ebenfalls unter: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/243177
Die um 1506 entstandene Tafel Der Segnende Christus von Giovanni Battista Cima (da Conegliano) stellt Christus segnend vor einer Landschaft dar. Die Umstände der Entstehung sowie der Bestimmungsort des Bildes liegen im Dunklen, vermutlich stellte das Bild eine Mitteltafel eines mehrteiligen Altargemäldes dar und war für einen kirchlichen Raum bestimmt.
Christus steht im leichten Kontrapost auf einer dünnen Plattform, dahinter weitet sich in der Ferne eine begrünte bergige Landschaft. Die gewundenen Wege führen zur befestigten Stadt hinauf, welche durch heimische Landschaften des Künstlers inspiriert die heilige Stadt Jerusalem symbolisiert.
Die rote Tunika Christi ist mit Goldstickereien verziert und mit einem Stoffgürtel gebunden, dessen Knoten auf einen geistlichen Auftraggeber verweist. Am unteren Saum sowie am rechten Ärmel der Tunika sind goldene Schriftbänder in arabischer Sprache angebracht.
Das Motiv der arabischen Inschriften im Segnenden Christus Cimas – ein sorgfältig ausgearbeitetes Detail – bewegt das Forschungsinteresse seit 1860 und verdient besondere Aufmerksamkeit.
Im Einklang mit dem Hintergrundgeschehen preisen die Inschriften Christus als einen erhabenen [al-'ali] und gelehrten [al-'alim] König. Zwei Apostelfiguren Petrus und Johannes, die tief im Bild platziert fast auf gleicher Ebene mit der Schriftband erscheinen, treiben einen Esel vom messianischen Berg zu ihrem Herrn, der, wie in der im Markus- (Mk,11, 1-7) und Lukasevangelium (Lk. 19, 29-35) zitierten Prophezeiung Sacharijas angekündigt, als Friedenskönig nach Jerusalem einzieht: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündigt für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde.“ (Sach.9,9)
Die Bildbotschaft, die Cima formuliert, ist somit folgende: Christus ist der (weise) König, der den Frieden für die Völker bis an die Enden der Erde verkündigt. Die Inschriften sind ein raffiniert durchdachtes Detail, welches diese Botschaft dezent ins Bild gesetzt für die Zeitgenossen entfaltet.
Die Bildaussage wird erst vor dem Hintergrund der neuplatonischen Friedenstheologie, der eschatologischen Erwartungen und den bereits zu der Zeit spürbaren Reformbestrebungen innerhalb der Katholischen Kirche im frühen 16. Jahrhundert verständlich. Die humanistische Friedenstheologie, die im Bild zunächst durch das Motiv der Apostel zur Sprache kommt, ist mit der Vorstellung der universalen Wahrheit untrennbar verbunden, einer der Leitideen der Renaissancekultur. Der Gedanke, dass Teilwahrheit unter anderen philosophischen und religiösen Lehren auch im Islam zu finden sei, ist auch bei Nikolaus von Kues zu finden. Marsilio Ficino schlägt gar in der De christiana religione (Florenz 1475) einen doktrinalen Vergleich aller drei Offenbarungsreligionen vor. Die Schriften des Judentums, Christentums und Islam sollen untersucht und verglichen werden. Dafür wenden sich Christen zunehmend an die jüdischen Gelehrten, die häufig ebenfalls die arabische Sprache beherrschen.
In Rom, Florenz, Bologna und Venedig intensivierte sich um 1500 der jüdisch-christliche kulturelle Austausch in Gesprächskreisen, in denen Juden und Christen die Gelegenheit zu diskutieren und zusammenzuarbeiten hatten. Die humanistischen Ideen förderten eine eingehende Beschäftigung mit jüdischen und islamischen Denktraditionen, somit auch hebräischen und arabischen Sprachen. Beide Sprachen hatten entscheidende Bedeutung für das Konzept universaler Heilsgeschichte, die im endzeitlichen Frieden und universeller Harmonie münden sollte.
Die ursprüngliche Einheit der verschiedenen Kulturen sollte angesichts des kommenden Endes der Zeiten nun wiederhergestellt werden. Diese eschatologisch gefärbte Perspektive, unter der auch die polyglotten Bibelausgaben vorbereitet wurden, ist auch im Segnenden Christus durch die Inschriften auf Arabisch präsent, die im Einklang mit der biblischen Botschaft Christus als König lobpreisen: Sie decken die gemeinsame Wahrheit des Heilswillens Gottes auf, die in den Schriften aller drei Offenbarungsreligionen verborgen ist und sich im Christus offenbart.
Frau Larysa Doronoycheva arbeitet an einer Dissertation zum Thema „Katholischer Orientalismus und christliche Kabbala: Ikonografie der transreligiösen Diskurse in der oberitalienischen Malerei um 1500“ (Betreuung H. Karge/M. Häusl)