Quer-Verbindung
Ziel ist es, den gesellschaftlichen Diskurs wiederzubeleben. Als symbolische Querverbindung dient die Elbe, die Sachsen von Ost nach West durchzieht. In vier Gemeinden werden Diskussionsabende durchgeführt, die von 12 Studierenden des Lehramts Ethik/Philosophie begleitet werden. Am jeweils folgenden Tag sind Personen aus den Gemeinden eingeladen, eine Station mitzupaddeln. Bedingung sind allein die Einhaltung von Diskursregeln und die Bereitschaft, mit jemandem in einem Boot zu sitzen, die/der dezidiert eine andere Meinung vertritt.
Phase 1: Vorbereitungsseminar (Wintersemester 2023/24)
- Auswahl und Konzeption der Diskursangebot
- Ausarbeitung der Fragebögen und der qualitativen Interviews
- Exkursionsplanung
Phase 2: Durchführung der Exkursion (3.-7. Juni 2024)
- Pirna: "Migration, Menschenrechte, Obergrenze!"
- Meißen: "Klimapolitik: Pflicht gegenüber den kommenden Generationen und Wahrung der bürgerlichen Freiheiten!"
- Riesa: "Gerechter Krieg?!"
- Torgau: "Klimapolitik und Landwirtschaft: Pflicht gegenüber den kommenden Generationen und Wahrung der bürgerlichen Freiheiten!
Mehr Infos im Onlinebeitrag des MDR.
Dieses Projekt wurde u.a. durch die Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden e. V. sowie TUD im Dialog gefördert.
Projektbericht von Selina Rocho:
Nach der intensiven Vorbereitungszeit, die im Oktober 2023 begonnen hat, fand nun der praktische Teil unseres Projektes statt. Knapp 140 Kilometer sind wir von Königsstein bis Torgau über die Elbe gepaddelt und haben vier Diskussionsabende an verschiedenen Stationen entlang der Elbe durchgeführt. Das Paddeln diente als symbolische Verdeutlichung dessen, dass wir im Grunde im selben Boot sitzen, oder um es mit den Worten von John F. Kennedy aus seiner Rede von 10. Juni 1963 vor der American University zu sagen: „For, in the final analysis, our most basic common link is that we all inhabit this small planet. We all breathe the same air. We all cherish our children's future. And we are all mortal.“[1] Auf unseren Kontext heruntergebrochen war unser Ziel also das Bewusstsein dessen zu verbreiten und dem „Querdenken“ sozusagen eine „Querverbindung“ entgegenzusetzen. Die Hauptintention des Projektes bezieht sich darauf, sachlich und auf Argumenten basierend zu den Themen Migration, Gerechter Krieg und dem Klima mit Interessierten im öffentlichen Rahmen ins Gespräch zu kommen und sich so von oft emotionalisierten Diskussionen und Populismus abzugrenzen und so auch einen kleinen Beitrag für unsere Diskussionskultur zu leisten.
An dieser Stelle danken wir herzlich Prof. Markus Tiedemann für die Idee zu diesem noch einzigartigen Projekt, für sein Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten und den steten Umgang auf Augenhöhe und in Wertschätzung. Besonderer Dank gilt auch Christoph Schmidt für seinen unermüdlichen Einsatz die Organisation und Vorbereitung betreffend, sowie nicht zu vergessen die kulinarische Verköstigung. Wir danken außerdem unseren Ansprechpartner:innen vor Ort für die Kooperation und die Unterstützung. Nicht zuletzt bedanken wir uns bei den Freunden und Förderern der TU Dresden und TU Dresden im Dialog, ohne deren großzügige Unterstützung die Umsetzung dieses Projektes gar nicht möglich gewesen wäre, wodurch wir diese wertvollen Erfahrungen so nicht hätten sammeln können.
Am Morgen des 03. Juni startete also unsere Reise am Dresdner Hauptbahnhof, um uns auf den Weg nach Königsstein zu machen und die Kanus nach Pirna zu besteigen. Begleitet wurden wir an diesem Tag vom MDR Sachsen, der einen Beitrag zu unserem Projekt im Sachsenspiegel veröffentlicht hat. In Königsstein erhielten wir eine Einweisung zum Paddeln und verpackten alles wasserdicht, bevor es nach Pirna losging. Die erste Strecke nach Pirna konnten wir gut nutzen, um uns einzupaddeln und uns thematisch schon mal auf den nahenden Diskussionsabend einzustellen. Ohne, dass jemand wesentlich nass geworden ist, erreichten wir schließlich Pirna. Jene, die mit der Abendplanung betraut waren, gingen bereits zum Veranstaltungsort vor, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Der Rest nutzte die verbleibende Zeit, um die Zelte aufzubauen, mit dem MDR zu sprechen und Abendessen zu organisieren. Voller Spannung darauf, was uns wohl erwarten würde, wie viele kommen werden und wie die Gespräche wohl sein würden, machten wir uns auf den Weg zum Veranstaltungsort, dem großen Rathaussaal in Pirna. Rund 40 Menschen kamen, um mit uns über das Thema „Migration“ zu diskutieren. Und auch wenn es vereinzelt Schwierigkeiten gab, sich auf unsere Methodik einzulassen, die wir nun nach der praktischen Anwendung in dem Kontext nochmal hinterfragen werden, fand eine kontroverse Diskussion statt, in der jeder gehört wurde und die Leute wirklich miteinander diskutiert haben, und wir im Grunde größtenteils neben unserem Input nur moderieren oder vermitteln mussten. Auch diskriminierenden Äußerungen, die teilweise gebracht wurden, und die natürlich nicht unwidersprochen hingenommen werden können, widersprach der Rest des Publikums, was man nur positiv honorieren kann. Nach dem „offiziellen“ Teil des Abends ergab sich noch die Gelegenheit für vertiefende Gespräche mit den Teilnehmenden. Nach der Rückkehr zu unseren Zelten hatten auch wir die Zeit den Abend in geselligem Beisammensein ausklingen zu lassen und den ersten Tag Revue passieren zu lassen. Ab Pirna hatten wir auch das Glück, dass wir das Auto eines Exkursionsmitglieds nutzen konnten, was es uns ermöglicht hat, Technik sicher zu transportieren und zu garantieren, dass zumindest ein Teil der Vortragsgruppe des jeweiligen Abends rechtzeitig am Veranstaltungsort sein können und Vorbereitungen treffen können, sollte es zu Verzögerungen kommen, was zum Glück nicht der Fall war. An der Stelle nochmal vielen Dank für das Bereitstellen!
Dienstag ging unsere Reise weiter nach Dresden. Dort war leider kein Diskussionsabend geplant, weil wir trotz intensiver Suche und vielfacher Kontaktaufnahme mit diversen Institutionen keinen Kooperationspartner finden konnten. Der Rest des Tages bot aber die nicht unwesentliche Gelegenheit eventuelle Packfehler, die sich am ersten Tag herausgestellt haben, auszubessern. Gerüstet und gestärkt durch die Nacht im eigenen Bett paddelten wir Mittwochmorgen los nach Meißen. Man könnte es als Luxus bezeichnen, dass wir in Meißen im hiesigen Ruderclub nächtigen konnten und statt unserer Zelte Zimmer beziehen durften. Nach einem stärkenden Mahl und letzten Vorbereitungen begann 19 Uhr unser Diskussionsabend zum Thema „Klima – Wo sollte der Staat eingreifen, wo darf er es nicht“ in der Aula des Landesgymnasiums St. Afra. Wenngleich weniger stark besucht als in Pirna, hatten wir nichts destotrotz eine intensive Diskussion und die Möglichkeit stärker in die Tiefe zu gehen, als das vielleicht der Fall gewesen wäre, wenn die Aula voll gewesen wäre. Wieder im Ruderclub genossen wir ein köstliches Abendessen und reflektierten das Erlebte.
Donnerstag ging unsere Tour weiter nach Riesa. Nach circa drei Stunden legten wir an, bezogen unsere Zelte und trafen unseren Ansprechpartner vom Reservistenverein Riesa, der uns sehr bei der Organisation geholfen hat. Wunderbar war, dass wir die Küche und die Sanitäranlagen des Kanuheims Riesa nutzen konnten. Schließlich diskutierten wir ab 19 Uhr in der Klosterkirche St. Marien mit Mitgliedern des Reservistenvereins und weiteren interessierten Bürger:innen über Kriterien eines gerechten Krieges nach Cicero, erweitert von Ulrich Steinvorth und wendeten diese auch auf aktuelle Krisenherde an. Wir konnten beobachten, dass die Kriterien kritisch hinterfragt wurden, auch wenn es teilweise schwer zu sein schien erst einmal rein die Kriterien zu beurteilen und zu diskutieren unabhängig von ihrer aktuellen Umsetzung in aktuellen Konflikten. Auch hier ergab sich anschließend die Möglichkeit vertiefend ins Gespräch zu kommen, was auch gut angenommen wurde. Den Abend ließen wir schließlich ausklingen mit einem gemütlichen Lagerfeuer und weiteren Gesprächen mit den Kameraden des Reservistenvereins.
Am nächsten Morgen konnten wir zum Glück davon profitieren, dass sich die Abläufe eingespielt haben, denn wir hatten am Freitag die längste Strecke der Tour von Riesa bis kurz vor Torgau vor uns und die Diskussion sollte bereits 15 Uhr beginnen. Pünktlich kamen wir nach circa vier Stunden an und kamen auch Dank der enormen Hilfsbereitschaft von ElbKanu Torgau mit allen Gepäckstücken rechtzeitig am Veranstaltungsort an. Zu Gast waren wir im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch, um erneut über das Thema „Klima – Wo sollte der Staat eingreifen, wo darf er es nicht“ mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft zu diskutieren. Unsere Kooperationspartner vom Landesbauernverband und des Versuchsgutes hießen uns mit Gegrilltem und einer kurzen Vorstellung einiger ihrer Landmaschinen willkommen, bevor wir die Moderation übernommen haben. Wir kamen ins Gespräch mit Landwirten, Auszubildenden und Vertreter: innen des Landesbauernverbandes und des Versuchsgutes und diskutierten zum Beispiel verschiedene Maßnahmen, die zur Eindämmung des Klimawandels herangezogen werden könnten.
Kurz nach 17 Uhr neigte sich unsere Exkursion dem Ende zu und wir traten in verschiedene Richtungen die Rückreise an. Hinter uns liegt eine aufregende, anstrengende aber genauso erkenntnisreiche Woche, die wir sicher nicht vergessen werden und in der wir alle sehr viel gelernt haben. Jetzt kommt die Zeit des Reflektierens bezüglich unserer Planungen und deren Durchführung und auch Phänomenen, die wir beobachten konnten, zum Beispiel der Neigung über alles den Schleier der Subjektivität zu legen. Zusammenfassend lässt sich aber erst einmal festhalten, dass wir mit dem Verlauf der Exkursion zufrieden sind: Wir und Bürger: innen unterschiedlichster Auffassungen sind mit- und untereinander sachlich und im besten Fall argumentativ über heikle und polarisierende Themen ins Gespräch gekommen und konträre Positionen und Argumente mussten gehört werden. Und wenn nur eine Person anerkannt hat, dass es gegen ihre Meinung ein gutes Argument gibt und es somit zu einer Differenzierung kommt, kann das Projekt vielleicht schon als erfolgreich gewertet werden. Für uns Studierende war es das allemal, besonders im Hinblick darauf wertvolle Erfahrungen für unsere Zukunft als Lehrerinnen und Lehrer gesammelt zu haben.
[1] https://www.jfklibrary.org/archives/other-resources/john-f-kennedy-speeches/american-university-19630610 letzter Zugriff am 15.06.2024