Kinder und Eltern in multilokalen Nachtrennungsfamilien | Children and Parents in Multilocal Post-seperation Families
Inhaltsverzeichnis
English Version
We are family?! Negotiated constructions of familial self-concepts within shared residence families
Ausgangspunkt
Immer mehr Familien bestehen nicht nur aus Vater, Mutter und Kindern, sondern darüber hinaus u.a. aus Stiefeltern und Halbgeschwistern. Das klassische Modell der bürgerlichen Kernfamilie, bestehend aus einem in Ehe lebenden hetersoexuellen Paar und einem oder mehreren leiblichen Kindern, hat seine dominante Stellung im gesellschaftlichen Gefüge familialer Arrangements eingebüßt. Gleichzeitig erleben alternative Formen familialen Zusammenlebens neben ihrer zahlenmäßigen Zunahme eine Aufwertung. Das vergleichsweise wenige vorhandene Wissen über diese zahlreich existierenden anderen Familienformen macht es notwendig, diese besonders in den Fokus einer beobachtenden Familiensoziologie zu rücken. Das im Rahmen einer Dissertation am Lehrstuhl für Mikrosoziologie der Technischen Universität Dresden durchgeführte Forschungsprojekt widmet sich insbesondere sogenannten binuklearen Fortsetzungsfamilien. Dabei handelt es sich um Familien, die sich über zwei Haushalte erstrecken. Diese haben sich nach Trennung eines Paares neu formiert. Die aus der ursprünglichen Paarbeziehung hervorgegangenen Kinder leben multilokal, d.h. mehr oder minder gleichermaßen im Haushalt der Mutter und des Vaters nebst neuem Partner/ neuer Partnerin und ggf. aus der Folgebeziehung neu hervorgegangenen Kindern. Eine nach wie vor im öffentlichen Diskurs dominante Kernfamilie macht es für die in einem solchen erweiterten und dynamischen Beziehungsnetzwerk lebenden Familienakteure im besonderen Maße notwendig, innovative (Eigen-)Deutungen vorzuhalten, um den vorhandenen Mangel gesellschaftlich geformter Begrifflichkeiten und Verhaltensnormen auszugleichen und diese Lebensformen - nicht nur nach außen - vertreten zu können. Darüber hinaus stehen Mitglieder dieser Familienform verstärkt vor der Herausforderung, Praktiken zu entwickeln, mit denen sie sich im Alltäglichen und Besonderen als Familie erfahren und herstellen können.
Ziel
Diese Studie will der Bedeutung von Aushandlungsprozessen sozialer Wirklichkeit und den Selbstkonzepten dieser Familien Rechnung tragen. Im Fokus stehen daher deren familiale Selbstverständnisse und die diesen zugrunde liegenden alltäglichen Herstellungs- und Konstruktionsprozesse. Darüber hinaus sollen kulturelle Leitbilder und sozialen Normen untersucht werden, welche diese Herstellungsprozesse von Familie anleiten. Die aus den Untersuchungen hervorgehenden empirischen Erkenntnisse sollen zuforderst Wissen für ein besseres Verständnis dieser Familienform bereitstellen.
Methoden
Der empirische Zugang sieht ein mehrere Methoden umfassendes qualitatives Untersuchungsdesign vor, welches in Einzelfallanalysen auf verschiedenen Ebenen ansetzt: den einzelnen Familienakteuren, den beiden Familienkernen und der Familie als Gesamtsystem. Zur Anwendung kommen qualitative Interviews, Gruppendiskussionen, Selbstfotografien und Netzwerkanalysen. Die Auswertung der nach geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen anonymisierten Daten erfolgt mittels der dokumentarischen Methode der Text- und Bildinterpretation (vgl. Bohnsack 2007, 2008). Besonderes Augenmerk wird den zwischen beiden Familienkernen pendelnden Kindern zuteil.
English Version
Following sociological debates on family the traditional nuclear family is in decline and has lost its predominance even though it still preserves its normative power. At the same time alternative family models experience both an increase in numbers and acceptance. The huge corpus on literature concerned with the topic mostly neglects a key moment in the understanding of those forms of familial life – namely the social realities of the actors within, their self-concepts, their perspectives on what they call family and consequently do and present in daily practice. The dissertation project recognizes the importance of negotiated social constructions of self-concepts within especially binuclear stepfamilies against the background of the cultural hegemony of the nuclear family in public discourse. The confrontation of the actors of those families with their structural deviance most notably necessitates them to have innovative patterns of interpretation available to balance the cultural lack of concepts and terms to describe such complex constellations of familial networks. The study explores familial self-concepts of binuclear stepfamilies and the daily negotiation and construction processes through which they occur. At this the study focuses on the cultural patterns employed and the rules and terms that guide interactions and communications within the family and with its environment. For this purpose a multiple methods comprising qualitative research design is employed that addresses different levels – single actors, nucleuses and the family system as a whole. Open guideline-based interviews, group discussions and visual methods are applied. Data are interpreted with the documentary method. Special attention is also given to the perspectives of the children commuting between the two family nucleuses that they consider as their family.
Zeitraum
01/2009 – 05/2016
Kontakt
Dipl.-Soz. Tino Schlinzig
E-Mail: familienforschung
Telefon: +49 (0) 351 463- 39063
Fax: +49 (0) 351 463- 37113
Besucheradresse:
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Lehrstuhl für Mikrosoziologie
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Postadresse:
Technische Universität Dresden
Philosophische Fakultät
Institut für Soziologie
Lehrstuhl für Mikrosoziologie
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Illustration: www.christineschiewe.de