Was und wie denken PEGIDA-Demonstranten?
Inhaltsverzeichnis
Veröffentlichung
03.02.2015, Dresden, Professur für Politische Systeme und Systemvergleich
Zusammenfassung
Die meisten PEGIDA-Demonstranten sind besorgte und empörte Bürger; nur ein Drittel besteht aus „rechtsnationalen Xenophoben“. Dies ist das zentrale Ergebnis einer dreimonatigen Fallstudie aus einem Methodenseminar des Dresdner Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Werner J. Patzelt. Sie zeigt: Den Befunden bisheriger Studien zur sozialen Zusammensetzung der Demonstranten oder zum Stellenwert des Motivs der „Islamisierung“ kann man trauen. Xenophobie und Islamophobie sind zwar Kristallisationspunkte gemeinsamer Empörung; zentrales Motiv ist aber Unzufriedenheit mit Politik, Politikern, Parteien und Medien.
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Zentrale Befunde
- Die Dresdner PEGIDA-Demonstranten stehen im Durchschnitt weit rechts von der politischen Mitte. Doch sind sie nicht mehrheitlich Rechtsradikale, Rechtsextremisten, Faschisten oder Nazis. Hinter den erhobenen Einstellungen der PEGIDA-Demonstranten stehen vielmehr drei Gruppen von Demonstranten, deren ungefähre Größen sich grob wie folgt abschätzen lassen: rund ein Drittel „rechtsnationale Xenophobe“; unter zwei Dritteln „besorgte Gutwillige“; und knapp ein Zehntel „empörte Gutwillige“.
- Die Demonstranten fühlen sich durch Deutschlands Parteien und Politiker nicht vertreten, haben den etablierten Parteien innerlich gekündigt und setzen ihre politischen Hoffnungen in die AfD.
- Sie halten – für ihr weiteres Verhalten folgenreich – die Berichterstattung über sich für überwiegend falsch. Facebook ist stattdessen das zentrale Kommunikations- und Informationsmittel. Es ersetzt außerdem großenteils die fehlenden Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Die Facebook-Seite von PEGIDA erreicht die Älteren – und damit einen Großteil der Demonstranten – jedoch nicht.
- Den „Sechs Punkte“ von PEGIDA stimmen sie zu. Bei vielen dürften aber auch (rechts-) radikalere Forderungen Zuspruch finden.
- Über zwei Drittel sind grundsätzlich dafür, dass Deutschland weiterhin politisch verfolgte Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge aufnimmt. Doch in der Praxis scheint den PEGIDA-Demonstranten vieles schiefzulaufen. Zwei Drittel meinen, dass Deutschland zu viele Asylbewerber aufnimmt – wohl aufgrund der (in anderen Studien nachgewiesenen) Vermutung, nicht wenige unter ihnen würden in ihren Heimatländern gar nicht politisch verfolgt). Nur ein knappes Drittel ist hingegen der Meinung, Deutschland nähme zu viele Bürgerkriegsflüchtlinge auf – wahrscheinlich, weil ihnen dieser Grund einleuchtet. Je weniger rechts die Demonstranten stehen, umso aufnahmefreundlicher äußern sie sich, und umso weniger sind sie der Ansicht, Deutschland nähme zu viele Asylbewerber und Flüchtlinge auf.
- Je weniger sich die Demonstranten von den etablierten Parteien und Politikern vertreten fühlen, umso weniger offen sind sie für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge, und umso weniger meinen sie auch, selbst ein „Islam so friedlich wie das heutige Christentum“ könne zu Deutschland gehören. Hier zeigt sich der Kristallisationspunkt – nicht die Ursache – der PEGIDA-Proteste: Unzufriedenheit mit einem gefühlt „ungesteuerten“ Einwanderungsgeschehen, gerade aus einem anderen Kulturkreis.
- In ihrer Haltung zum Islam sind die PEGIDA-Demonstranten sehr heterogen. Fast die Hälfte kann sich nicht einmal einen friedlichen Islam als zu Deutschland gehörend vorstellen – und zwar umso weniger, je weiter rechts man steht.
- Gut drei Viertel der Demonstranten fühlen sich als „deutsche Patrioten“, die Deutschlands Aufnahmepolitik gegenüber Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen eher ablehnen. Knapp drei Viertel der Demonstranten fühlen sich als „Europäer“, wobei letztere Positionierung nichts mit der Selbsteinschätzung als „deutscher Patriot“ zu tun hat. „Europäer“ empfinden auch stärker, Deutschland solle weiterhin politisch verfolgte Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge aufnehmen – und ein friedlicher Islam gehöre zu Deutschland.
- Übrigens: Nicht einmal die Hälfte der PEGIDA-Demonstranten kann aus eigenem Erleben an die Montagsdemonstrationen von 1989 anschließen. Von denen, die damals schon demonstrierten, meint die Mehrheit durchaus nicht, im Grunde sei alles wie damals.
Methoden
Die Ergebnisse beruhen auf teilnehmenden Beobachtungen von PEGIDA-Demonstrationen seit November 2014, auf offenen Befragungen am 22.12.2014 und 05.01.2015 sowie auf einer standardisierten Befragung am 25.01.2015 (Quotenstichprobe nach Alter, Geschlecht und „Befragungssektoren“; 15 Interviewer; 492 Personen angesprochen; n = 242; Ausschöpfung 49%; Verzerrungen: zu „links/mittig“, viele Erstdemonstranten, Tageslicht). Ein Methodenbericht findet sich auch in der zum Download bereitstehenden Studie.
Ansprechpartner
Emeritus
NameProf. Dr. Werner J. Patzelt
Professur für Politische Systeme und Systemvergleich
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