Nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland: Was wir (nicht) wissen!
Zentrale Ziele des Projekts bestehen in einer systematischen Analyse (wissenschaftlicher) Studien zur nachhaltigen Wirtschaft in Deutschland, der Erstellung einer Gesamtbilanz der in Deutschland nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen, der Ermittlung und Beschreibung von Leuchttürmen nachhaltigen Wirtschaftens sowie der Darstellung daraus abzuleitender Lücken, systematischer Fehlstellen und methodischer Herausforderungen.
Systematische Analyse (wissenschaftlicher) Studien zur nachhaltigen Wirtschaft in Deutschland: Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sowie der Klimaschutzplan 2050 dienten als Wegweiser, um Schlüsselbereiche für die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft zu bestimmen. Der Fokus wurde daher auf die Bereiche Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft, Umweltwirtschaft und Finanzwirtschaft gelegt.
Die Emissionsentwicklung ist eine zentrale Kennzahl, um den Trend der ökologischen Nachhaltigkeit in der Wirtschaft bestimmen zu können. Mit Blick auf die Bereiche Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft zeigt sich mit Ausnahme des Verkehrssektors eine kontinuierlich rückläufige Emissionsentwicklung. Damit befinden sich die Treibhausgasemissionen allerdings immer noch auf einem relativ hohen Niveau und fern des Ziels der Treibhausgasneutralität bis 2050. Es ist zudem zu beachten, dass nur Treibhausgasemissionen in die Rechnung eingehen, die im Inland angefallen sind. Treibhausgasemissionen, die beispielsweise durch die Fertigung von Vorprodukten im Ausland oder durch Personen- und Gütertransporte aus dem Ausland nach Deutschland entstanden sind, finden hier keine Berücksichtigung. Die Umweltwirtschaft bringt mit einem höheren Beschäftigungswachstum im Vergleich zur Gesamtwirtschaft nicht nur ökologischen Nutzen, sondern ist auch ein wichtiger Sektor für den Arbeitsmarkt. Im Finanzsektor hat sich das Anlagevolumen in nachhaltige Geldanlagen in der letzten Dekade mehr als verzehnfacht und lag 2019 bei 183,5 Mrd. Euro. Mit einem Anteil von rund 5,4% am Gesamtfondmarkt spielen nachhaltige Fonds und Mandate jedoch nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Ohne auf alle analysierten Branchen an dieser Stelle einzugehen, lässt sich mit Blick auf die Unternehmensebene zusammenfassen, dass vor allem in größeren sowie ressourcenintensiven Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit stärker verankert ist. Im Hinblick auf das Gründungsgeschehen in Deutschland liegen ca. 15% der Gründungen in den Bereichen der Green Economy.
Gesamtbilanz der in Deutschland nachhaltig wirtschaftender Unternehmen: Die Gesamtbilanz der in Deutschland nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen beinhaltet eine Schätzung der ökonomischen Kraft nachhaltigen Wirtschaftens, angegeben in Unternehmen, Bruttowertschöpfung, Investitionen, Innovationskraft (Patentanmeldungen), Umsatzsummen, Arbeitsplätzen und steuerlichen Beiträgen je Branche. Zu diesem Zweck sind in einem ersten Schritt die Daten zu den Wirtschaftszweigen vor allem aus der Datenbank Destatis des Statistischen Bundesamtes zusammengetragen worden. In einem zweiten Schritt wurde auf Basis bestimmter Kriterien ein Unternehmenspool nachhaltigkeitsorientierter Unternehmen (N=5.837) gebildet. Der Anteil der nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen an der Grundgesamtheit aller deutschen Unternehmen beträgt damit 0,15%. Im späteren Verlauf werden diese Daten auch für sämtliche Wirtschaftszweige separat dargestellt. Das erste Szenario kann als „sicheres“ Szenario charakterisiert werden, da diese Unternehmen aufgrund bestimmter eher strenger Kriterien identifiziert wurden. Im nächsten Schritt wurde ein zweites Szenario auf der Datenbasis von nachhaltigkeitsorientierten Labels und Siegeln (z.B. Bio-Siegel, MSC-Label, Grüner Knopf) sowie Startups entwickelt. Die Unternehmen in diesem Szenario entsprechen etwa 0,32% aller deutschen Unternehmen (N=12.505). Für das dritte Szenario wurden die Daten aus den identifizierten Studien sowie der Erhebungen des statistischen Bundesamtes herangezogen und zusammengeführt, welches ca. 6,82% aller deutschen Unternehmen entspricht.
Gesamtbilanz |
Szenario 1 |
Szenario 2 |
Szenario 3 |
|
Unternehmen (Anzahl) |
3.907.667 |
5.837 |
12.505 |
266.688 |
BWS in Mio. € |
2.831.400 |
7.280 |
11.208 |
159.384 |
Investitionen in Mio. € |
1.385.820 |
2.984 |
4.464 |
76.244 |
Innovationskraft |
79.958 |
427 |
914 |
6.249 |
Umsatz Inland in Mio. € |
6.968.328 |
20.598 |
38.042 |
694.913 |
Arbeitsplätze (Anzahl) |
31.799.188 |
78.313 |
130.396 |
1.532.042 |
Steuern in Mio. € |
277.667 |
584 |
585 |
27.353 |
Tabelle 1: Übersicht der Daten aus den Szenarien für das nachhaltige Wirtschaften
Leuchttürme nachhaltigen Wirtschaftens „Made in Germany“: Der für das Szenario 1 erstellte Unternehmenspool diente ebenfalls als Grundlage für die Selektion von Good-Practice Beispielen nachhaltigen Wirtschaftens. Jedes Unternehmen im Pool erfüllt bestimmte Kriterien (DNK, EMAS, GRI, Global Compact, Mitgliedschaft Branchenverband für Nachhaltigkeit etc.), die als Indizien für eine Nachhaltigkeitsorientierung dienen. Durch ein Scoring der Kriterien wurden 10 Beispiele aus drei verschiedenen Kategorien ausgewählt: a.) Unternehmen in der Transformation, b.) Unternehmen mit Nachhaltigkeit im Kerngeschäft und c.) Startups und kleine Unternehmen. Jedes der Unternehmen wird schriftlich portraitiert mit Fokus auf seine besonderen Stärken (z.B. digitale Verantwortung bei der Deutschen Telekom, nachhaltige Lieferketten bei Tchibo). Für jede der drei Kategorien wird für jeweils ein Unternehmen zusätzlich ein Podcast erstellt, der die besonderen Aspekte der Unternehmen vorstellt und im Interview mit Unternehmensvertreter*innen diskutiert. Hierbei handelt es sich um Tchibo GmbH, VAUDE Sport GmbH & Co. KG und Africa Green Tec AG (Podcast-Links siehe Kapitel 5).
Potenziale und Handlungsempfehlungen: Mehr als 3.000.000 deutsche Unternehmen fristen eher ein Schattendasein im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeitsorientierung.Es besteht ein riesiges Potenzial bei den bisher nicht als nachhaltigkeitsorientiert zu charakterisierenden Unternehmen. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) machen rund 90 % des Unternehmertums aus und können eine bedeutende Rolle für die Transformation spielen. Zudem befinden sich viele nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen am Ende der Wertschöpfungskette. Somit besteht ein großes Potenzial zur Beschleunigung der Transformation am Anfang und in der Mitte der Wertschöpfungskette. Die Selbstverpflichtungen im Unternehmenskontext sind nur bedingt wirksam. Staatliche Regulierungsbestrebungen sind somit von besonderer Bedeutung, um notwendige Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzubringen.
Die Studie ist unter folgendem Link abrufbar:
Zu den Podcasts geht es hier:
Leitung: Prof. Dr. Remmer Sassen
Bearbeitung: Dr. Leyla Azizi, Colin Bien und Vera Braun
Laufzeit: 01.10.2020 bis 31.03.2021
Projektpartner: Rat für Nachhaltige Entwicklung, Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer
Finanzierung: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, im Auftrag des Bundeskanzleramtes.