Numerische Simulation von Mehrkörpersystemen (Fahrzeugsimulation)
Es ist heute üblich, bereits in einem frühen Entwicklungsstadium anhand von Modellrechnungen Prognosen über das zu erwartende dynamische Verhalten eines Fahrzeugs zu erstellen, um aufwendige konstruktive Änderungen in späteren Entwicklungsabschnitten, infolge des Nichteinhaltens geforderter Randbedingungen, zu vermeiden.
Während sich für die Auslegung von Bauteilen unter dem Aspekt der Festigkeit vor allem die Methode der Finiten Elemente (FEM) als numerisches Berechnungsverfahren etabliert hat, bietet sich für die Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Fahrzeugen die Modellierung als Mehrkörpersystem (MKS) an. Das Fahrzeug wird als System starrer Körper abgebildet, die durch diskrete kinematische und Kraftkopplungen verbunden sind.
Die automatisierte Aufstellung der Bewegungsgleichungen des Modells und die numerische Zeitschrittintegration erlauben die Nachbildung realer Fahrsituationen in einer virtuellen Umgebung im Rechner. An der Professur wird seit etlichen Jahren die kommerziell verfügbare MKS-Software SIMPACK zur Fahrzeugmodellierung und –simulation eingesetzt.
In Kooperation mit verschiedenen industriellen Projektpartnern wurde die Funktionalität dieses MKS-Werkzeugs um Elemente erweitert, die den speziellen Anforderungen an die Abbildung von Schienenfahrzeugen gerecht werden:
UIC-Standard-Drehgestells Y 25
So wurde hier ein Modell des UIC-Standard-Drehgestells Y 25 entwickelt, in dem das Federungssystem mit Lenoir-Dämpfung mit Hilfe spezieller Modellelemente beschrieben wird.
Technologieträger ET2000TT
Für den von der DWA auf der Hannover-Messe 2000 vorgestellten Technologieträger ET2000TT wurde ein komplexes MKS-Modell mit integrierten Reglern und aktiven Stellelementen entwickelt.
Elektrotriebzug
Für einen Elektrotriebzug wurde eine Drehschwingungsberechnung mittel MKS-Software durchgeführt. Dies beinhaltete die Abbildung von Elektromotor, Bogenzahnkupplung und mehrstufigem Getriebe.
Lagermodellierung
Um höherdynamische Phänomene abbilden zu können, ist der Modellierungsgrad zu verfeinern. Dies bedeutet, dass Wälzlager nicht mehr als simple Federelemente abgebildet werden können. Hierfür entstand an der Professur ein komplexes Modell eines einseitig wirkenden Kegelrollenlagers, welches mit Hilfe von in MATLAB erzeugten Kennfeldern gespeist wird.
Schleudervorgänge
Um Schleudervorgänge modellieren zu können, ist die herkömmliche Kraftschluss-Schlupf-Charakteristik, die in der Fahrdynamik zur Anwendung kommt, nicht mehr anwendbar. Eine modifizierte Kennlinie mit abfallenden Kraftschlusswerten ist zu verwenden.
Aufbauend auf der Moedellierung von Schlupfvorgängen beschäftigt sich die Professur mit der Auslegung von entsprechenden Reglerkonzepten zur Verhinderung von Schleudervorgängen.
Kraftfahrzeugmodellierung
Im Bereich der Kraftfahrzeugmodellierung entstand ein räumliches Modell der 2001 von Michelin vorgestellten Hinterachse mit selbsttätiger Sturzverstellung für die Verwendung in der Lehre.
Motorradmodellierung
Für die Modellierung von Motorrädern wurde an der Professur ein umfangreicher MKS-Modellbaukasten aufgebaut. Neben verschiedenen Baugruppen wie Rahmen, Vorderradführung, Hinterradführung und Bremsen wurde auch ein umfangreiches Reifenmodell integriert. Weiterhin existieren ein Fahrermodell sowie ein Fahrerregler für die automatisierte Simulation von Fahrmanövern.
Einbindung von elastischen Strukturen
Seit einigen Jahren entwickelt sich die Einbindung von Finite-Element-Strukturen in MKS-Modelle zu einem gebräuchlichen Verfahren, so z.B. um die den Fahrkomfort beeinflussenden Struktureigenschaften des Aufbaus im Modell zu berücksichtigen.
An der Professur wird für die strukturdynamische Analyse das FEM-Werkzeug ANSYS eingesetzt. Über eine Datenschnittstelle können damit modellierte Strukturen in SIMPACK-Fahrzeugmodelle eingebunden werden.
Spezielle Auswerteverfahren
Für die Bewertung des Fahrverhaltens wurden von der UIC, dem Internationalen Eisenbahnverband, Kriterien definiert, die im Merkblatt UIC 518 VE zusammengefasst sind. Für die relativ aufwendige statistische Auswertung der die Fahrsicherheit und den Fahrkomfort beschreibenden Beurteilungsgrössen wurde an der Professur ein Auswerteprogramm entwickelt, dass die schnelle und weitgehend automatisierte Berechnung der relevanten Beurteilungsgrössen erlaubt.
Die so aufbereiteten Simulationsergebnisse werden in einer für die Dokumentation geeigneten tabellarischen und grafischen Darstellung gespeichert, und können unmittelbar in einen Bericht übernomen werden.
Die Professur verfügt damit über ein abgestimmtes Spektrum verschiedener Berechnungswerkzeuge zur numerischen Analyse des Fahrverhaltens von Schienen- und Strassenfahrzeugen, die im Zuge der Projektkooperation mit industriellen Partnern kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Kontakt:

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
NameHerr Dr.-Ing. Volker Quarz
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Professur für Dynamik und Mechanismentechnik
Besuchsadresse:
MAR, Raum 160 Marschnerstr. 30
01307 Dresden
Sprechzeiten:
nach Vereinbarung