Neutronenradiographie
Die Neutronenradiographie stellt ein zur Röntgenradiographie komplementäres zerstörungsfreies Prüfverfahren dar. Da die fundamentale Wechselwirkung der Neutronen mit Materie hierbei mit dem Atomkern stattfindet, ist der Verlauf der Wechselwirkungsquerschnitte über die Elemente hinweg nicht schlicht monoton steigend wie dies der Fall für Röntgenstrahlung ist. Dieser Umstand bietet einen neuartigen Zugang bei der Identifizierung der Elemente in einer Probe und dies in manchen Fällen sogar isotopenaufgelöst. Eine resultierende Eigenschaft ist, dass Neutronen in der Lage sind dicke Proben sowie Materialien schwerer Elemente zu durchdringen, wo Röntgenstrahlung hoher Intensität und Energie keinen Kontrast bieten könnte.
Das CAD-Modell in Abbildung 1 zeigt den schematischen Aufbau der Anlage. Die auftreffenden Neutronen (n) sind durch die Pfeile im unteren Bereich angedeutet. Sie treffen dabei auf einen LiF/ZnS:Ag Szintillator mit einer Dicke der sensitiven Beschichtung von 200 µm. Der Szintillator überträgt das neutronische Signal in mehreren Schritten in ein monochromatisches Lichtsignal mit einer Wellenlänge von ungefähr 450 nm (blau). Das entstehende Licht wird im Anschluss über einen beschichteten Spiegel zur CCD-Kamera reflektiert. Auf diese Weise ist die CCD-Kamera nicht direkt der ionisierenden Strahlung des Reaktors ausgesetzt. Es kommt jedoch trotzdem zu Störeinflüssen unter anderem vom Reaktor, der umgebenden Materialien sowie auch atmosphärischen Myonen und kosmischer Strahlung, welche mittels geeigneter Nachbearbeitungsschritte korrigiert werden können. In Abhängigkeit der Dicke des Szintillators und der Neutronenstrahlgeometrie könnte ein effektives Auflösungsvermögen von 266 µm zu je zwei Pixeln bei einem Gesichtsfeld von 136x136 mm erzielt werden. Das Gesichtsfeld kann dabei bis auf 155x155 mm erweitert werden.
In Abbildung 2 ist das Schema des Bildentstehungsprozesses dargestellt. Der Reaktor erzeugt dabei den Neutronenstrahl, welcher nach der Kollimation ein bestimmtes Strahlenprofil aufweist. Die Neutronen des Experimentierkanals treten mit dem Probenkörper in Wechselwirkung und treffen im Anschluss auf den Szintillator auf. Das vom Szintillator erzeugte Licht wird schließlich von der CCD-Kamera über die 1024x1024 Pixel detektiert.
Im Folgenden wird eine Beispielanwendung vorgestellt. In Abbildung 3 sind Neutronenradiographien eines Wasserstoffspeichers (HYDROSTICK® PRO) einmal gefüllt und einmal teilentladen dargestellt. Diese Aufnahmen wurden dabei mit einer älteren Versuchsanlage erstellt, welche in einer Machbarkeitsstudie den Nachweis für eine sinnvolle Anwendung der Neutronenradiographie an Niedrigflussanlagen erbringen sollte. Schließlich kann über die Differenz der Radiographien des jeweiligen Zustands der Wasserstoffanteil sichtbar gemacht werden.
Im Vergleich dazu sind in Abbildung 4 die Radiographien eines ähnlichen Experiments mit mehr Füllständen des Wasserstoffspeichers, welche mit dem neuen System aufgenommen wurden, dargestellt. Darin sind der Wasserstoffspeicher sowie die zugehörige Aluminiumhalterung bzw. die fixierenden Eisenschrauben zu erkennen. Mit dem entleerten Zustand als Referenzbild können daraufhin die verschiedenen Wasserstoffanteile in Kontrast gebracht werden.
Zusätzlich zu den bisher gezeigten statischen Aufnahmen, konnte entgegen der starken Rauschkomponenten bei kurzen Belichtungszeiten bereits erste dynamische Prozesse festgehalten werden. Im Folgenden ist eine Serie zur Wasseransammlung einer luftatmenden Brennstoffzelle dargestellt. Um den Wasseranteil vom Rauschen der Aufnahme zu trennen, wurden verschiedene Segmentierungsstrategien angewendet. Angefangen von Rauschunterdrückungsfiltern in Kombination mit einer Schwellwertsetzung bis hin zur k-means Clusterzuordnung [1] (unsupervised machine learning) oder dem Weka tool [2] (supervised machine learning).
Technische Daten der Anlage
Kamera (Andor iKon-M)
- CCD-Sensorgröße: 1024x1024 px
- Pixelgröße: 13.312 mm
- Kühlung: bis zu -70 °C
- Vorverstärker: bis zu einer CCD-Sensitivität von 1.2 el./(A/D) bei einem elektronischen Rauschen von 2.8 el.
Aufbau
- Gesichtsfeld: 105x105 - 155x155 mm
- Abbildungsmaßstab bei Gesichtsfeld 136x136 mm: 1 px = 0.133 mm
Experimente
Da der Kontrast von den Materialien der Probe sowie der Belichtungszeit der Radiographien abhängt, können keine allgemeingültigen Abschätzungen über die Dauer der Experimente gemacht werden. Eine direkte Kontaktaufnahme ist daher ausdrücklich erwünscht, auch um die Möglichkeiten und Details des Experiments zu diskutieren.
Referenzen
[1] J. Schindelin et al., “Fiji: An open-source platform for biological-image analysis,” Nature Methods. 2012, doi: 10.1038/nmeth.2019.
[2] I. Arganda-Carreras et al., “fiji/Trainable_Segmentation: Trainable_Segmentation-3.2.24,” Mar. 2020, doi: 10.5281/ZENODO.3692971.
C. Lange, N. Bernt, "Neutron imaging at the low flux training and research reactor AKR-2", Nuclear Instruments and Methodes in Physics - Research Section A - Volume 941 Oct. 2019, doi:10.1016/j.nima.2019.06.033, URL https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0168900219308733?via%3Dihub