Raumtransportsysteme
Dieses Forschungsfeld umfasst die wissenschaftliche Untersuchung und Entwicklung kritischer Technologien für Transporte zwischen der Erde, dem Weltraum und weiteren Himmelskörpern. Im Zentrum stehen dabei innovative chemische Antriebssysteme, mit einer weltweit führenden Expertise im Bereich additiv gefertigter Aerospiketriebwerke für Schubstärken zwischen 1 N und 30 kN.
Zur Untersuchung derartiger Triebwerke erfolgt einerseits die experimentelle Vermessung an Kaltgasprüfständen als auch in Heißgasversuchen am institutseigenen Triebwerkstestfeld oder bei externen Partnern. Andererseits liegt ein weiterer Schwerpunkt in der numerischen Simulation spezifischer Strömungsphänomene, wie dem Wiedereintritt oder der Schubvektorsteuerung, welche wiederum durch die korrespondierenden experimentellen Tätigkeiten verifiziert werden.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt zudem in der Nutzung extraterrestrischer Ressourcen. Diese sogenannte „In-Situ Resource Utilization“ (ISRU) spielt eine zentrale Rolle in zukünftigen Raumfahrtkonzepten und ermöglicht etwa die Treibstoffgewinnung für Missionen auf Mond oder Mars. Diese Forschung hat nicht nur die effizientere und umweltschonendere Nutzung des Weltraums zum Ziel, sondern soll auch aktuell nicht realisierbare Missionen zur Erforschung des Kosmos möglich machen.
Zudem rücken die Einflüsse von Raumtransportsystemen auf die Umwelt und das Klima immer stärker in den Fokus der Forschung. Diese Einflüsse zu verstehen, Werkzeuge für die Abwägung von Designentscheidungen abzuleiten und Technologien zur Minimierung diese Einflüsse zu entwickeln sind erklärte Ziele des Forschungsfeldes. Mit der Entwicklung biologisch abbaubarer Thermalschutzmaterialien für Wiedereintrittssysteme werden bereits erste Fortschritte erzielt.
Kontakt:
Dr.-Ing. Christian Bach
Leitung des Forschungsfeldes Raumtransportsysteme
Aktuelle Projekte
SR Dorado
Im Rahmen der STERN III-Förderung (STudentische ExperimentalRaketeN) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) startete die Technische Universität Dresden ein neues Entwicklungsprojekt mit dem Namen SR Dorado. Als Folgeprojekt der SMART Rockets Kampagne entwickelt das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik (ILR) in Kooperation mit der Studentischen Arbeitsgruppe Raumfahrt (STAR) Dresden eine neue, größere und leistungsstärkere Höhenforschungsrakete. Der Fokus dieses Entwicklungsprojektes liegt auf der praktischen Ausbildung von Studierenden im Bereich Trägersysteme. Dabei soll sowohl die fachspezifische Weiterbildung als Ergänzung zu Studieninhalten, als auch das Arbeiten in Projektstrukturen und die Vertiefung von Sozialkompetenzen gefördert werden. Gestartet werden soll die Rakete im Frühjahr 2025 vom nordschwedischen Startplatz ESRANGE in Kiruna.
ASPIRER
Im Rahmen des von der ESA geförderten Projekts "AeorSPIke Rocket Engine Realisation" (ASPIRER) wird eine additiv gefertigte Aerospike-Triebwerk mit Kerosin und Wasserstoffperoxid als Treibstoff entwickelt und getestet. Das Triebwerk ist für einen Schub von 6 kN bei einem Kammerdruck von 2 MPa ausgelegt und wird aus dem Pulver der Nickelbasis-Superlegierung INCONEL® 718 mit dem Laser-Pulverbett-Schmelzverfahren (LPBF) hergestellt. Es wird ein gestuftes Bipropellant-Konzept angewandt, bei dem Wasserstoffperoxid durch einen Katalysator zersetzt und die Verbrennung durch Selbstzündung von Kerosin eingeleitet wird. Das Gesamtziel der Aktivität ist der Entwurf und die Erprobung eines Triebwerks für Explorationsanwendung. Das Triebwerk soll in einem abschließenden Heißgasversuch in 2024 demonstriert werden. Das Projekt ist Teil der Gesamtbemühungen der Technischen Universität Dresden, den niedrigen Technology Readiness Level (TRL) und die daraus resultierenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit Aerospike-Triebwerken zu überwinden, und wird in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Werkstoff und Strahltechnik (IWS), dem Łukasiewicz Institute of Aviation und der ArianeGroup durchgeführt.
LUNAR ISLANDS
Im Rahmen des von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) geförderten Projekts "LUNAR In-SituLANDing Structures" (LUNAR ISLANDS) untersucht ein internationales Konsortium unter der Leitung der TU Dresden die Wirksamkeit von in-situ hergestellten Strukturen für die Eindämmung von Hochgeschwindigkeitspartikeln, die bei der Wechselwirkung zwischen dem Triebwerksstrahl von Landern und der Mondoberfläche entstehen. Hierzu gehören die Herstellung und Charakterisierung von Proben aus Mondregolith-Replikat, experimentelle Untersuchungen in Form von Kalt- und Heißgastests sowie numerische Simulationen der Wechselwirkung von Triebwerksstrahl und Mondregolith. Die TU Dresden übernimmt dabei Hauptauftragnehmer und entwickelt einen zentralen Teil der numerischen Untersuchungen der Kontinuumsströmung und des Randbereichs des Schubstrahls. Darüber hinaus ist die Universität Glasgow mit Kaltgasversuchen und Simulationen der Oberflächenwechselwirkung involviert, während ONERA die anschließenden Heißgasexperimente durchführt. Das dazu verwendete Replikat des Mondregoliths wird von der TU Berlin hergestellt, wohingegen die Materialcharakterisierung und Partikelsimulationen an der TU Braunschweig durchgeführt werden.
SOCRATES
Das Projekt "Solid Oxide Cell Realisation through Adaptation of Terrestrial Energy Systems" (SOCRATES) strebt an, die Erforschung äußerer Planeten zu revolutionieren, indem es ein innovatives Festoxid-Brennstoffzellensystem (SOFC) unter Verwendung von Kohlenwasserstoffen und Sauerstoff entwickelt. Diese alternative Energiequelle geht gezielt auf die Herausforderungen der Energieerzeugung im äußeren Sonnensystem ein und nutzt die Fähigkeiten der SOFC-Technologie, wie sie auf dem Rover Perseverance erfolgreich demonstriert wurden.
Finanziert von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) involviert SOCRATES Schlüsselpartner in seiner Entwicklung. Die Fraunhofer-Gesellschaft für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) ist für die Entwicklung und den Test eines Demonstrators verantwortlich, um die praktische Umsetzbarkeit sicherzustellen. Gleichzeitig analysiert die TU Dresden die Aspekte des neuesten Standes der Technik (SOTA) und untersucht beispielsweise die Möglichkeit der Nutzung von überschüssigen Treibstoffen als Brennstoff sowie Schnittstellen bei der Integration in zukünftige Explorationsmissionen, wodurch wertvolle Erkenntnisse für den umfassenden Ansatz des Projekts beigetragen werden.
Diese Zusammenarbeit hat das Potenzial, die Erforschung der äußeren Planeten neu zu definieren und eine zuverlässige Energiequelle mit hoher Energiedichte für künftige Weltraummissionen in schwierigen Umgebungen bereitzustellen.
TPSea2
TPSea2 ist ein Nachfolgeprojekt von TPSea und hat die anwendungsbezogene Untersuchung und Machbarkeit der im Projekt TPSea identifizierten Inhalte im Fokus. Ziel ist es, ein ablatives Thermalschutzsystem (TPS) aus nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere Naturfasern, zu gestalten, indem ein formstabiles biobasiertes Material entwickelt, hergestellt und qualifiziert wird, welches höchsten Materialstandards genügt. Das entwickelte biobasierte TPS nutzt die Akzeptanz von einem bisher eingesetzten Material biologischen Ursprungs – Kork. Es bietet dabei aber verbesserte mechanische Eigenschaften und umgeht dessen Nachteile. Damit kann es als bioökonomische Hightech wesentlich breitere Anwendung finden und in Zukunft als Substitutionsmaterial für eine nachhaltigere Raumfahrtwirtschaft genutzt werden. TPSea2 zielt damit auf die Etablierung bioökonomischer Prinzipien in einer prestigeträchtigen Industrie höchster Wertschöpfung – der Raumfahrtindustrie.
Im Rahmen der "Nationalen Bioökonomiestrategie" wird das Projekt in der Förderrichtlinie "Ideenwettbewerb: Neue Produkte für die Bioökonomie" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Projektträger Jülich (ptj) gefördert und betreut.
NEDSERD
Im Projekt “Numerical and Experimental Demonstration Study for Engines using Rotating Detonation” (NEDSERD) wird untersucht, inwiefern Rotating Detonation Engines für Raumfahrtanwendungen eingesetzt werden können und inwiefern sie einen Vorteil gegenüber konventionellen Raumfahrtantrieben umsetzen können, gerade auch unter der Betrachtung der Gesamtsystemeinflüsse. Rotating Detonation Engines nutzen Detonationen als Verbrennungsprozess, um die chemische Energie aus Treibstoff und Oxidator in thermische Energie umzuwandeln. Gegenüber der konventionellen isobaren Verbrennung bei konstantem Druck, bietet die Detonationsverbrennung als druckerhöhender Prozess theoretisch einen Effizienzvorteil. Ein solcher Effizienzgewinn lässt sich z. B. dadurch nutzen, dass weniger Treibstoff und mehr Nutzlast mitgeführt werden könnte oder die Gesamtmasse und somit die Startkosten reduziert werden können. Neben dem Effizienzvorteil bietet Rotating Detonation auch den Vorteil, dass die Verbrennung in einem kompakteren Raum stattfindet und so die Länge des Triebwerkes reduziert werden kann, sodass die Trägerrakete kürzer und leichter gebaut werden kann. Neben diesen Vorteilen gibt es Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, wie z. B. die sehr hohen thermischen Lasten in der Brennkammer und der reproduzierbare und stabile Betrieb.
Deshalb untersucht die TU Dresden zusammen mit den Projektpartnern ArianeGroup und dem Institut für Raumfahrtantriebe des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen Rotating Detonation Antriebe für Raumfahrtanwendungen auf ihre Integrierbarkeit in das Gesamtsystem und mögliche Einsatzszenarien. Zentral ist dabei die Durchführung numerischer Strömungssimulationen und Heißtestkampagnen, um den Prozess der Detonation und die dabei auftretenden Herausforderungen zu verstehen und zu überwinden.
Für die Unterstützung der Simulationsarbeiten am Rahmen des Projektes NEDSERD ist aktuell eine Stelle als studentische Hilfskraft ausgeschrieben. Hier geht es zur Stellenausschreibung.
THOMAS
Im Rahmen des von der Europäische Weltraumorganisation ESA geförderten Projektes „THrottable Oxygen Methane AeroSpike“ THOMAS wird ein mit Aerospike-Triebwerk für extraterrestrische Landeanwendungen z. B. auf dem Mond entworfen. Das Triebwerk nutzt die Treibstoffe Sauerstoff und Methan und soll über einen Schub von 20-30 kN verfügen. Es wurde die Bauart als Aerospike-Triebwerk gewählt, da diese, anders als konventionelle Triebwerke mit Glockendüse, die Strömung effektiver an den Umgebungsdruck anpassen kann. Zudem kann durch die geringere Baulänge des Antriebsystems ein entsprechendes Landemodul kürzer gestaltet und somit mehr Bauraum für andere Nutzlasten zur Verfügung gestellt werden. Alternativ kann die Trägerrakete kürzer und damit leichter ausfallen, was sich positiv auf die Kosten des Starts auswirkt. Basierend auf dem Design des Lander-Triebwerks wird ein Demonstratortriebwerk abgeleitet. Parallel zum Designprozess werden numerische Strömungsuntersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse in die weitere Entwicklung einfließen. Anschließend wird der Demonstrator aus einer Kupferlegierung mithilfe des Laser Powder Bed Fusion-Prozesses (LPBF) beim Fraunhofer Institut für Lastertechnik (ILT) additiv gefertigt. Das Post-Processing des Demonstrators übernimmt das Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) unter Zuhilfenahme von Methoden cyberphysischer Systeme. Die Zündung sowie Treibstoffzerstäubung und -vermischung werden vom Łukasiewicz Research Network – Institute of Aviation untersucht. Als krönender Abschluss des Projektes wird der Demonstrator beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Institut für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen getestet werden.
Publikationen
Alle Publikationen unter Dr.-Ing. Christian Bach auf Researchgate und dem FIS der TU Dresden
Auswahl einiger nennenswerter Publikationen der Forschungsgruppe Raumtransportsysteme:
- Buchholz, Maximilian & Gruber, Samira & Selbmann, Alex & Marquardt, Axel & Meier, Lucas & Müller, Michael & Seifert, Lukas & Leyens, C. & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2022). Flow rate improvements in additively manufactured flow channels suitable for rocket engine application. CEAS Space Journal. 10.1007/s12567-022-00476-7.
- Fälker, Svenja & Dorau, Tim & Viedt, Isabell & Mädler, Jonathan & Urbas, Leon & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2022). Modular ISRU Systems as a Building Block for Sustainable Space Exploration.
- Buchholz, Maximilian & Gruber, Samira & Marquardt, Axel & Seifert, Lukas & Selbmann, Alex & Leyens, C. & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2022). Design and test of an additively manufactured 500 N aerospike engine.
- Propst, Martin & Sieder-Katzmann, Jan & Abel, Johannes & Schwarzer-Fischer, E & Scheithauer, Uwe & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2022). Influence of manufacturing accuracy on the performance characteristics of miniaturized ceramic cold-gas thrusters.
- Scarlatella, Giuseppe & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2021). Advanced Nozzle Concepts in retro-propulsion applications for Reusable Launch Vehicle recovery: a case study.
- Dorau, Tim & Propst, Martin & Gruber, Samira & Selbmann, Alex & Joseph, Adheena & Sieder-Katzmann, Jan & Buchholz, Maximilian & Sobczak, Kamil & Soller, Sebastian & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2021). Development of an additively manufactured hydrogen peroxide / kerosene 6kN aerospike breadboard engine.
- Propst, Martin & Sieder-Katzmann, Jan & Stark, Ralf & Schneider, Dirk & General, Stephan & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2021). ACTIVE – Optimisation of a Fluidic Thrust Vector Control on Aerospike Nozzles.
- Buchholz, Maximilian & Gloder, Alessia & Gruber, Samira & Marquardt, Axel & Meier, Lucas & Müller, Michael & Propst, Martin & Riede, Mirko & Selbmann, Alex & Sieder-Katzmann, Jan & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2020). Developing a roadmap for the post-processing of additively manufactured aerospike engines.
- Sieder-Katzmann, Jan & Propst, Martin & Tajmar, Martin & Bach, Christian. (2019). Cold gas experiments on linear, thrust-vectored aerospike nozzles through secondary injection.
- Propst, Martin & Liebmann, Vera & Sieder-Katzmann, Jan & Bach, Christian & Tajmar, Martin. (2018). Maximizing side force generation in aerospike nozzles for attitude and trajectory control.
- Propst, Martin & Ruemmler, Lucas & General, Stephan & Liebmann, Vera & Sieder-Katzmann, Jan & Bach, Christian & Tajmar, Martin. (2018). FLOW VISUALISATION AND SURFACE MEASUREMENTS OF SHALLOW WATER EXPERIMENTS EXEMPLARY FOR AEROSPIKE NOZZLES WITH SECONDARY INJECTION.
- Bach, Christian & Schöngarth, Sarah & Bust, Bernhard & Propst, Martin & Sieder-Katzmann, Jan & Tajmar, Martin. (2018). How to steer an aerospike.
- Bach, Christian & Sieder-Katzmann, Jan & Tajmar, Martin & Przybilski, Olaf. (2013). SMART Rockets – A Contribution to the DLR STERN Programme by Dresden University of Technology.