31.01.2022
Einzelzell-Atlas der Betazell-Regeneration enthüllt neuen Zelltyp, die dem Zebrafisch hilft, sich von Diabetes zu regenerieren
Zebrafische können sich von Diabetes erholen, indem sie die insulinausschüttenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse regenerieren. Die zelluläre Dynamik, die dieser Fähigkeit zugrunde liegt, ist jedoch bislang unerforscht. Um diese Wissenslücke zu schließen, haben sich Wissenschaftler des Paul-Langerhans-Instituts des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und der Medizinischen Fakultät der TU Dresden (PLID) mit Forschungsgruppen der ULB Brüssel und des MDC Berlin zusammengetan. Die Forscher nutzten die Einzelzelltranskriptomik, um die de novo Betazellregeneration während der Entstehung und Regeneration von Diabetes in Zebrafischen zu verfolgen. Die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift "Development" veröffentlichte Arbeit liefert einen Atlas der Betazellregeneration und identifiziert eine bisher unbekannte Population glukosereaktiver Hybridzellen, die eine wichtige Rolle bei der Auflösung von Diabetes in Zebrafischen spielt.
Die Bauchspeicheldrüse besteht aus zwei unterschiedlichen Komponenten, dem exokrinen und dem endokrinen Gewebe. Der exokrine Teil ist über die Azinus- und Duktalzellen an der Nahrungsverdauung beteiligt. Der endokrine Teil hingegen ist für die Aufrechterhaltung der Blutzuckerhomöostase verantwortlich und in den Langerhans´schen Inseln organisiert, welche sich wiederum aus drei Hauptzelltypen zusammensetzen: den Alpha-, Beta- und Deltazellen. Um die Blutzuckerhomöostase zu regulieren, produzieren und sezernieren die drei Zelltypen spezifische Hormone: Alphazellen bilden Glukagon, Betazellen bilden Insulin und Deltazellen bilden Somatostatin. Die Homöostase des Blutzuckerspiegels wird durch die regulierte Sekretion endokriner Hormone in den Blutkreislauf erreicht; Insulin aktiviert dabei die Glukoseaufnahme im peripheren Gewebe, während Glukagon der Insulinwirkung entgegenwirkt, indem es die Glukoseproduktion in der Leber anregt. Die Freisetzung von Somatostatin hemmt sowohl die Insulin- als auch die Glukagonsekretion. Da die selektive Autoimmunzerstörung von Betazellen zu Typ-1-Diabetes führt, ist die Steigerung des begrenzten Regenerationspotenzials der Bauchspeicheldrüse zu einer wichtigen Aufgabe bei der Entwicklung neuer regenerativer Therapien geworden.
In dieser Studie wandte das Team von Prof. Nikolay Ninov (PLID) eine einzigartige Mischung aus in vivo Bildgebung, Einzelzellgenomik und Genetik an, um die de novo Regeneration von Betazellen in Zebrafischen zu untersuchen. "Im Gegensatz zu Säugetieren, bei denen die Regenerationsfähigkeit unvollständig ist, können sich Zebrafische auf natürliche Weise von einer extremen Zerstörung der Betazellen und der daraus resultierenden Hyperglykämie erholen. Diese Fähigkeit macht sie zu einem interessanten und hilfreichen Modellorganismus um die grundlegende Regenerationsprinzipien zu untersuchen", erklärt Prateek Chawla, Doktorand in der International Research Training Group 2251 "Immunological and Cellular Strategies in Metabolic Disease" (ICSMD) der Technischen Universität Dresden und des King's College London sowie einer der Erstautoren der Studie. Durch die Kategorisierung der Zellen in der Bauchspeicheldrüse von Zebrafischen fand das Team heraus, dass die Zebrafischinseln zwei getrennte Populationen von Deltazellen enthalten. Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler eine Untergruppe von Inselzellen, die eine hybride Identität aufweisen. Das heißt sie zeigen parallel die gleichen Bestimmungsfaktoren und Hormone von Delta- und Betazellen. Interessanterweise bilden sich diese Hybridzellen nach der Entfernung der Bauchspeicheldrüse und der anschließenden Regeneration de novo, reagieren auf Glukose und dienen als Hauptquelle für die Insulinexpression. "Wir glauben daher, dass die rasche Bildung glukosereaktiver Hybridzellen eine Abkürzung zur Wiederherstellung der Glukosehomöostase darstellt und damit zur Fähigkeit des Zebrafisches beiträgt, den Verlauf des Diabetes umzukehren", so Prof. Ninov.
Im Detail nutzte die Gruppe Einzelzellsequenzierungen, um die zelluläre Dynamik in Zebrafischen zu charakterisieren. Dabei wurde die Genexpression verschiedener Zellen der Bauchspeicheldrüse nach der Zerstörung der Betazellen bestimmt, um daraus anschließend einen "Betazell-Regenerationsatlas" zu erstellen. Dieser umfasst den Zeitraum von der Zerstörung der Betazellen bis zur Entstehung neuer insulinexprimierender Zellen umfasst. Der Atlas ist nun öffentlich zugänglich und ermöglicht es, die Genexpression jedes Zelltyps in einer kuratierten Onlinedatenbank zu untersuchen. Insbesondere die Einzelzellauflösung der Analyse ermöglichte die Identifizierung der bi-hormonellen Zellen mit hybriden Zellidentitäten, die den Fischen helfen, die Normoglykämie selbst nach fast vollständiger Zerstörung der Betazellen wiederherzustellen. Darüber hinaus wurde im Rahmen dieser Arbeit auch ein spezifisches Protein entdeckt, das die Bildung solcher bi-hormonaler Zellen fördern kann, wenn seine Expression in Zebrafischen genetisch erhöht ist.
"Eine der wichtigsten Botschaften unserer Studie ist, dass die Regeneration unvollkommener, aber funktionsfähiger Hybridzellen, welche in der Lage sind, Insulin zu produzieren, die Möglichkeit bietet, eine Glukosekontrolle zu erreichen." fasst Prof. Ninov zusammen. "Vielleicht wären solche Ersatzzellen in der Lage, der Erkennung und Zerstörung durch Immunzellen bei Typ-1-Diabetes zu entgehen, da sie unter einer getarnten Identität existieren und gleichzeitig zwei verschiedenen hormonellen Zelltypen ähneln." Der nächste Schritt wird nun sein, herauszufinden, ob solche Zellen auch in der menschlichen Bauchspeicheldrüse existieren und im Labor vermehrt werden können. Die Gruppe von Nikolay Ninov wird dazu mit anderen Wissenschaftlern aus dem PLID zusammenarbeiten, welche neue Systeme zur Untersuchung menschlicher Inselzellen von Lebendspendern entwickelt haben. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, die Erkenntnisse aus dem Zebrafisch zu nutzen, um die Regeneration menschlicher Betazellen als regenerative Therapie für Patienten mit Typ-1-Diabetes zu etablieren.
Originalpublikation:
Singh SP, Chawla P, Hnatiuk A, Kamel M, Silva LD, Spanjaard B, Eski SE, Janjuha S, Olivares-Chauvet P, Kayisoglu O, Rost F, Bläsche J, Kränkel A, Petzold A, Kurth T, Reinhardt S, Junker JP, Ninov N. A single-cell atlas of de novo β-cell regeneration reveals the contribution of hybrid β/δ-cells to diabetes recovery in zebrafish. Development. 2022 Jan 15;149(2):dev199853. doi: 10.1242/dev.199853. Epub 2022 Jan 28.
Kontakt:
Prof. Nikolay Ninov, PhD
Paul Langerhans Institut Dresden des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Email: nikolay.ninov@tu-dresden.de