23.03.2023
Neue Studie zur Untersuchung der Rolle zirkulierender Spiegel von gastrointestinalen Hormonen bei Normoglykämie, Prädiabetes und Diabetes veröffentlicht
Gastrointestinale Hormone wie GLP-1, Glucagon und GIP sind wichtige und etablierte Regulatoren der Energie- und Glukosehomöostase. Trotz der bekannten bzw. an Bedeutung zunehmenderen Rolle dieser Hormone im Stoffwechsel ist jedoch nach wie vor umstritten, ob Beeinträchtigungen (Defizite oder Überschüsse) in ihren Nüchtern- bzw. postprandialen Profilen bei Stoffwechselkrankheiten beobachtet werden und ob sie zum Fortschreiten der Hyperglykämie hin zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes beitragen. Nun haben Forscher des Paul-Langerhans-Instituts Dresden gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Tübingen, Boston, London und Zürich die Konzentrationen von GLP-1, Glukagon, GIP sowie Glicentin während eines oralen Glukosetoleranztests bei Patienten gemessen, die entweder eine normale Glukosetoleranz, einen Prädiabetes oder einen beginnenden Diabetes aufwiesen und haben diese Werte mit jenen Werten der gleichen Patienten vor einem Jahr verglichen, als alle Prädiabetes aufwiesen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift "Diabetes Research and Clinical Practice" veröffentlicht.
In der klinischen Forschung sind die gastrointestinalen Hormone Glukagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1), Glukagon und gastrisches inhibitorisches Peptid (GIP) wichtige und bewährte Regulatoren der Energie- und Glukosehomöostase. Letzteres leisten sie über unterschiedliche Wirkungen auf die Leber, den endokrinen Pankreas und den Gastrointestinaltrakt. Weiterhin spielen sie bei der Aufrechterhaltung des Energiegleichgewichts eine wichtige Rolle, indem sie die Nährstoffaufnahme, die Mobilisierung von Fettspeichern aus dem Fettgewebe sowie die Appetitregulierung modulieren. Agonisten des GLP-1-Rezeptors werden heutzutage routinemäßig zur Behandlung von Diabetes und Fettleibigkeit eingesetzt, und vor kurzem wurde ein neu entwickelter dualer GLP-1/GIP-Rezeptor-Agonist mit dem Namen Tirzepatid für die Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen. Darüber hinaus befinden sich weitere duale oder sogar dreifache Agonisten des GLP-1-, GIP- und/oder Glukagon-Rezeptors in der Entwicklung und das Hormon Glicentin zeichnet sich überdies als potenziell nützlicher Marker für die Stoffwechselgesundheit ab, da es bei krankhaft fettleibigen Patienten einen stärkeren Indikator für den einjährigen Gewichtsverlust darstellt als GLP-1.
"Trotz der etablierten bzw. sich abzeichnenden Rolle der oben genannten gastrointestinalen Hormone im Stoffwechsel ist es immer noch umstritten, ob Beeinträchtigungen in Form von Defiziten oder Überschüssen in ihren Nüchtern- oder postprandialen Profilen bei Stoffwechselkrankheiten beobachtet werden und ob sie zum Fortschreiten der Hyperglykämie hin zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes beitragen", erklärt die Erstautorin der Publikation, Carlotta Hoffmann, Doktorandin in der Gruppe von Prof. Dr. Nikolaos Perakakis, der Gruppenleiter am Paul-Langerhans-Institut Dresden von Helmholtz Munich am Universitätsklinikum und der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und Leiter des Klinischen Studienzentrums an der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums ist.
Mit Hilfe eines oralen Glukosetoleranztests (OGTT) verglichen die Wissenschaftler die Nüchtern- und postprandialen Profile der im Blut zirkulierenden Hormone GLP-1, Glukagon, GIP und Glicentin bei Patienten mit normaler Glukosetoleranz, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und verglichen sie mit den Werten den diese Patienten ein Jahr zuvor aufwiesen, als alle Probanden einen Prädiabetes aufwiesen. Die Wissenschaftler wollten dabei unter anderem herausfinden, ob und wie die Profile dieser Hormone mit verschiedenen Stoffwechselparametern zusammenhängen und untersuchten dazu die Insulinempfindlichkeit, Betazellfunktion, BMI, Körperzusammensetzung und Leberfettmengen der Probanden.
"Wir haben eine Fallkontrollstudie mit einem Querschnittsteil und einem prospektiven Teil mit Proben von Teilnehmern der Prädiabetes-Lifestyle-Interventionsstudie (PLIS) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung durchgeführt, welche wir im Universitätsstudienzentrum für Stoffwechselkrankheiten in Dresden rekrutiert haben. Dabei haben wir die Konzentrationen von GLP-1, Glukagon, GIP und Glicentin bei Probanden mit neu aufgetretenem Typ-2-Diabetes, bei Probanden mit normalem Glukosetoleranztest und bei Probanden mit Prädiabetes gemessen", beschreibt Prof. Perakakis die Durchführung der Studie. "Wir konnten zeigen, dass Patienten mit neu aufgetretenem Diabetes im Vergleich zu Probanden mit normaler Glukosetoleranz geringere späte postprandiale Anstiege von Glicentin und GLP-1 im OGTT, eine geringere frühe postprandiale Reduktion der Glukagonspiegel und höhere Nüchtern-GIP-Spiegel aufweisen. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass die Nüchtern- und postprandialen Konzentrationen von Inkretinen, Glukagon und Glicentin im prädiabetischen Zustand die künftige Entwicklung von Diabetes oder die Rückbildung zu einer normalen Glukosetoleranz nicht vorhersagen können und dass das Fortschreiten der Hyperglykämie und des Prädiabetes zu Diabetes mit einer gleichzeitigen Verringerung der postprandialen Erhöhungen von Glicentin und GLP-1 verbunden sind."
Es ist seit langem bekannt, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes einen verminderten Inkretin-Effekt aufweisen, der in erster Linie auf den Verlust der insulinotropen Wirkung von GIP zurückgeführt wird, während nur eine geringe Beeinträchtigung der insulinotropen Aktivität von GLP-1 beobachtet wurde. In diesem Zusammenhang konnten die Dresdener Forscher in ihrer Studie zeigen, dass das Fortschreiten von Prädiabetes zu Diabetes mit einem Rückgang der GLP-1- und Glicentin-Spiegel einhergeht, was darauf hindeutet, dass ein Defizit an diesen Hormonen zumindest teilweise zu der verminderten Inkretinwirkung bei Diabetes beitragen könnte, auch wenn ein kausaler Zusammenhang mit dem derzeitigen Studiendesign nicht hergestellt werden kann. Obwohl die GLP-1-/Glicentin-Spiegel keine nützlichen Marker für die Vorhersage der zukünftigen Diabetesentwicklung sind, scheint es, als ob die Glicentin-Spiegel zuverlässig durch den glykämischen Zustand reguliert werden, was darauf hindeutet, dass Glicentin ein hilfreicher Marker für die Funktion der L-Zellen sein könnte der es verdient, genauer untersucht zu werden, um zu beurteilen, ob er eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Glukosehomöostase spielt.
Originalpublikation:
Hoffmann C, Schwarz PE, Mantzoros CS, Birkenfeld AL, Wolfrum C, Solimena M, Bornstein SR, Perakakis N. Circulating levels of gastrointestinal hormones in prediabetes reversing to normoglycemia or progressing to diabetes in a year-A cross-sectional and prospective analysis. Diabetes Res Clin Pract. 2023 Mar 20;199:110636. doi: 10.1016/j.diabres.2023.110636.