21.01.2025
Metallfreier Magnetismus: Reinhart Koselleck-Förderung für Prof. Thomas Heine
Thomas Heine, Professor für Theoretische Chemie der TU Dresden, hat von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die renommierte Reinhart-Koselleck-Förderung für die Erforschung von metallfreien magnetischen Materialien erhalten. Mit insgesamt 915.000 Euro erhält Heine in den nächsten fünf Jahren genügend Freiraum, um mit diesem innovativen Vorhaben an der TU Dresden Impulse für die Elektronik der Zukunft, insbesondere für Quantencomputer, zu setzen.
Sowohl die Bewegung von Elektronen auf Bahnen um Atomkerne als auch der Eigendrehimpuls (Spin) der Elektronen erzeugen magnetische Momente. In den meisten Materialien treten die Elektronen in Paaren mit gegenläufigen Spins auf, so dass sich deren magnetischen Momente gegenseitig aufheben. Beim Auftreten ungepaarter Elektronen können sich die magnetischen Momente durch Kopplung verstärken und führen so zu einer sogenannten magnetischen Ordnung und zu starken und dauerhaften magnetischen Eigenschaften. Dies findet man zum Beispiel in Eisen, Nickel, Kobalt und Neodym. Dieses Phänomen wird als Ferromagnetismus bezeichnet. Permanentmagnete beruhen auf Ferromagnetismus, aber auch Magnetdatenspeicher, wie die mittlerweile nicht mehr gebräuchlichen Disketten oder Magnetbänder.
Magnetische Ordnung wurde bisher noch nicht zweifelsfrei in metallfreien Materialien beobachtet. Metallfreie Magnete wären jedoch äußerst vielversprechend im Hinblick auf die Anwendung in verschiedenen Technologien: In Metallen beeinflusst die sogenannte Spin-Bahn-Kopplung die magnetische Ordnung und führt dazu, dass spinpolarisierte Zustände nicht stabil sind, was insbesondere für Quantencomputer ein großes Problem darstellt. In metallfreien Systemen ist die Spin-Bahn-Kopplung verschwindend gering, wodurch komplexe Quantencomputer mit vielen sogenannter Qubits möglich werden.
Erst kürzlich hat Thomas Heine mit seinem Team an der Professur für Theoretische Chemie an der TU Dresden und dem Center for Advanced Systems Understanding CASUS in Görlitz erstmals eine Möglichkeit zur Verwirklichung von metallfreiem Magnetismus vorgestellt. Dabei werden keine Metallatome, sondern radikalische organische Moleküle als Träger der magnetischen Momente genutzt. Ein solches radikalisches Molekül ist das Triangulen, das 1953 von Erich Clar an der TU Dresden prognostiziert und 2017 erstmals synthetisiert wurde. Verbindet man Triangulenmoleküle zu einem zweidimensionalen Gitter, bleiben nicht nur die magnetischen Momente erhalten, sie koppeln sich und erzeugen so einen stabilen magnetischen Zustand. Die Vorhersage dieser metallfreien magnetischen Materialien basiert auf präzisen Computersimulationen. „Motiviert durch unsere theoretischen Ergebnisse wollen wir die erste Gruppe sein, die metallfreie Systeme mit starker magnetischer Ordnung bei Raumtemperatur und darüber hinaus verwirklicht. Damit erschließen sich neben den offensichtlichen Anwendungen in der Informationstechnik sogar metallfreie Motoren und Generatoren“, erläutert Thomas Heine seine Vision.
Das Koselleck-Projekt mit dem Titel „Langreichweitige magnetische Ordnung in metallfreien Materialien“ hat ein klares Ziel: Es soll verstanden und gezeigt werden, wie metallfreie Materialien mit starkem Magnetismus konzipiert und hergestellt werden können. Dazu werden präzise Berechnungen auf Supercomputern durchgeführt, aber auch ganz grundlegend mit „Bleistifttheorie“ gearbeitet. Des Weiteren sollen mögliche chemische Synthesewege erforscht werden, die es Partnern mit experimenteller Expertise ermöglichen werden, diese Materialien zu synthetisieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Materialien, die fast ausschließlich aus Kohlenstoff bestehen.
„Diese Arbeit wird durch das einzigartige Fachwissen, das in den letzten Jahren in meiner Gruppe entwickelt wurde, ermöglicht. Weltweit gibt es nur wenige Gruppen, die ein ähnlich reichhaltiges Portfolio an Berechnungsmethoden beherrschen, die von hochentwickelten First-Principles-Methoden für modernste Supercomputer bis hin zu analytischen Berechnungen reicht“, erklärt Heine.
Doch trotz der exzellenten Methodenkenntnisse und des breiten Fachwissens in fortgeschrittener Computerchemie und Materialwissenschaft steht das Projekt noch vor einigen Herausforderungen. Viele etablierte Methoden scheitern an der korrekten Beschreibung des metallfreien Magnetismus und müssen verbessert werden. Bei erfolgreicher Realisierung wird das Projekt weitreichende Auswirkungen über die Chemie hinaus haben, insbesondere in der Informationstechnologie, aber auch in der Festkörperphysik und den Materialwissenschaften.
Über das Reinhart Koselleck-Programm
Reinhart Koselleck-Projekte stehen für mehr Freiraum für besonders innovative und im positiven Sinne risikobehaftete Forschung. Durch besondere wissenschaftliche Leistung ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll die Möglichkeit eröffnet werden, in hohem Maße innovative und im positiven Sinne risikobehaftete Projekte durchzuführen.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas Heine
Professur für Theoretische Chemie
TU Dresden
Telefon: +49 351 463-37637
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