Food Facts Der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden
In unserem Wissenschaftspodcast Food Facts spricht Lebensmittelchemiker Prof. Thomas Henle von der TU Dresden mit Moderator Peer Kittel und Studentin Jule über aktuelle wissenschaftliche Fragen zum Thema Lebensmittel und Ernährung. Von A wie Apfel bis Z wie Zusatzstoffe – wir klären die Fakten zur Chemie im Essen, räumen mit Mythen und Fake News auf und geben den ein oder anderen persönlichen Tipp.
Unsere Hörer:innen haben die Möglichkeit, Fragen zu den aktuellen Folgen oder eigene Themenwünsche per Email an einzureichen.
Die Folgen sind hier auf der Website sowie auf Spotify, Castbox Amazon Podcasts und Apple Podcasts zu hören.
Inhaltsverzeichnis
- Folge 4: Honig, das flüssige Gold - aber was steckt wirklich drin?
- Folge 3: Mindesthaltbarkeitsdatum - Sollte es für einige Lebensmittel abgeschafft werden?
- Folge 2: Zusatzstoffe und E-Nummern – sind das wirklich alles Krankmacher?
- Folge 1: Lebensmittel-Kennzeichnung - Was muss alles auf Lebensmitteln drauf stehen und warum?
- Weitere Informationen
Folge 4: Honig, das flüssige Gold - aber was steckt wirklich drin?
Ob aufs Brot, zum Backen oder als Hausmittel bei Erkältungen - rund ein Kilogramm Speisehonig konsumieren die Deutschen durchschnittlich pro Jahr. Das flüssige Gold ist nicht nur lecker, sondern ihm wird seit jeher auch eine medizinische Wirkung nachgesagt. In Folge 4 unseres Lebensmittelchemie-Podcasts klären wir mit dem Experten Prof. Thomas Henle, welche Stoffe im Honig enthalten sind, wie Herstellung und Vermarktung geregelt sind und ob das Naturprodukt wirklich heilende Kräfte besitzt. Außerdem erfahren wir mehr über den berühmten Manuka-Honig, zu dem das Team von Thomas Henle bereits seit mehreren Jahrzehnten intensiv an der TU Dresden forscht.
Intro Musik
Peer Kittel: Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden. In unserer heutigen Folge sprechen wir über ein ganz besonderes Naturprodukt, den Honig.
Intro Musik
Peer Kittel: Wie Sie vielleicht aus der Presse erfahren haben, hat sich die EU Anfang des Jahres auf Kennzeichnungspflichten für Honig geeinigt, so konnten Hersteller bisher die wahre Herkunft von Honig hinter nichts sagenden Angaben verschleiern, womit nun Schluss sein soll. Die bloße Angabe, ob das Produkt aus der EU stammt, reicht damit nicht mehr aus. Künftig muss die genaue Herkunft angegeben werden. Zum Hintergrund dieser Kennzeichnungspflicht, aber auch zum Thema Honig ganz allgemein, sowie auch zu besonderen Honigsorten wie den begehrten Manuka Honig, sprechen wir heute mit unserem Experten Thomas Henle von der TU Dresden. Wir, das sind wie immer Studentin Jule Wäntig und ich, Peer Kittel, Dezernent am Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Insofern, ihr kennt das schon. Hallo Thomas, hallo Jule.
Thomas Henle: Hallo Peer, hallo Jule.
Jule Wäntig: Hallo!
Peer Kittel: Thomas, starten wir mal ganz einfach. Vielleicht kannst du uns zunächst erklären, was Honig ist und ja, wie er entsteht.
Thomas Henle: Ja, Honig ist ein tierisches Lebensmittel. Honig wird von der Honigbiene, der heißt auf lateinisch Apis mellifera erzeugt. Und die Bienen, die produzieren in Honig für sich selbst als Futter beziehungsweise zur Nahrungsvorsorge und dazu sammeln sie den Nektar von Pflanzenblüten ein. Der Nektar wiederum ist ein in den Blüten produziertes Sekrete, das jede Menge Zucker, Glucose, Fruktose, Sacharose enthält und eben auch Mineralstoffe Finole, vor allem auch Duftstoffe von diesen Duftstoffen und genauso auch von der Farbe der Blüten werden die Bienen angelockt und saugen dann den Nektar aus den Blüten auf. Nebenbei sammeln sie auch die Blütenpollen ein, transportieren die zu den anderen Blüten und tragen sie zur Bestäubung und zur Ausbreitung der Pflanzen bei. Das ist eine ganz klassische Symbiose. Es gibt eine zweite Quelle für den Honig. Das ist neben dem Nektar, der sogenannte Honigtau. Der Honigtau wiederum ist ein Ausscheidungsprodukt von anderen Insekten, zum Beispiel von Blattläusen oder Flöhen, die auf den Blättern von Pflanzen leben. Dort die Blätter anstechen, die Flüssigkeit aussaugen und dann als sogenannten Honigtau wieder ausscheiden. Es kennt vielleicht manche von Autos, die im Sommer unter zum Beispiel Ahornbäumen oder Lindenbäumen stehen, die stark von Blattläusen besiedelt sind und da hat man dann nach ein paar Stunden auf den Autos so einen klebrigen Überzug. Und das ist eben ganz genau dieser Honigtau. So der Nektar bzw. der Honigtau, der wird jetzt von den Arbeiterbienen im Bauch abgespeichert, in der sogenannten Honigblase und zurück in den Bienenstock gebracht. Interessant ist das, da die Bienen bereits dem Honig bestimmte Stoffe Sekrete zusetzen. Man sagt aus chemischer Sicht Enzyme, genauer gesagt Glucosidasen, die die Zucker aufspalten, zum Beispiel aus der Sacharose, dann die einfach Zucker Glucose und Fruktose produzieren. Es entsteht also quasi in der Biene bereits so eine Art vorverdauter Nektar. Wenn die Bienen dann zurück sind im Bienenstock, dann müssen sie diesen Nektar wieder ausscheiden und ganz wichtig eindicken, also zähflüssiger machen, den Wassergehalt reduzieren, um ihr Futter quasi haltbar zu machen. Jetzt macht die Bienen zunächst selber, indem sie den Nektar tropfen über ihren Rüssel ausscheidet und wieder aufnimmt und diesen Prozess so mehrfach wiederholt. Dabei wird dann der Nektar gewissermaßen vorgetrocknet auf so Wassergehalte von so 30 bis 40 Prozent, das ist dann schon recht zähflüssig. Und die zweite Trocknung, die passiert dann im Bienenstock, da wird dann der in die Waben gefüllte eingedickte Nektar durch die Bienen, durch das Fächeln mit ihren Flügeln endgetrocknet. Die tun sich also quasi zusammen, erzeugen so eine Art Staubsauger oder Trocknungsmaschineneffekt und trocknen den Honig dann auf Wassergehalte von unter 20 Prozent, der dann letztlich auf die Art und Weise mehr oder weniger unbegrenzt haltbar ist. Wenn der Honig dann trocken ist, dann werden die Waben mit Wachs überzogen. Da sagt man in der Imker-Reihe dazu, die Waben werden verdeckelt, das ist das Zeichen dafür, dass der Prozess abgeschlossen ist und dann kann der Imker oder die Imkerin den Honig gewinnen, indem sie ihn aus den Waben heraus schleudert mit so einer Art Zentrifuge oder Honigschleuder, so bei maximal 35 bis 40 Grad, wo der Honig so ein bisschen flüssiger wird, dann werden die festen Bestandteile abgetrennt, zum Beispiel Wachs oder so, und dann wird der Honig eigentlich fertig.
Peer Kittel: Und wie sieht das jetzt chemisch aus? Welche Bestandteile sind denn da drin?
Thomas Henle: Also Honig ist zunächst mal Zucker, und zwar auf einigen Glucose, also der Traubenzucker und die Fructose, das ist der Fruchtzucker, die machen zusammen so 70 bis 75 Prozent des Honigs aus, die beiden kommen so ganz grob im Verhältnis eins zu eins vor, man weiß, dass mancher Honig eher flüssig ist, manche kristallisieren und dieses kristallisieren oder flüssig sein, das hängt ab vom Verhältnis der beiden Zucker, wenn da so mehr Fructose drin ist, also mehr Fruchtzucker, dann ist der Honig eher flüssig und umgekehrt, wenn der Glucose höher ist, dann wird er eher kristallin sein und zu diesem vielen Zucker kommen da noch ein paar andere Bestandteile vor allen Dingen Wasser, so etwa ein Fünftel, also 20 Prozent des Honigs ist Wasser, ja und dann bleiben doch so drei für fünf Prozent und das sind dann Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel Proteine, Enzyme aus den Bienen, freie Aminosäure, Mineralstoffe, Vitamine, Polyphenole, ist alles möglich an Minorkomponenten, die jetzt den Honig zu einem interessanten Naturprodukt machen und aus chemischer Sicht auch sehr sehr interessant. Allerdings zu Aussagen, wie Honig enthält wertvolle Spurenelemente und Vitamine oder so, die sind aus Ernährungsphysiologischer Sicht sich völlig übertrieben, denn mit dem, was im Honig drin ist an zum Beispiel Vitaminen oder Mineralstoffen, würde man definitiv keinen maßgeblichen Beitrag zum Zufuhr dieser essenziellen Natur, diese essenziellen Nährstoffe leisten, dann müssen wir, ich habe es nicht ausgerechnet, aber wahrscheinlich kilowiese Honigessen und tatsächlich jetzt für die Vitaminversorgung irgendwie wir es beizutragen.
Jule Wäntig: Wann haben die Menschen gemerkt, dass dieser Honig lecker ist und dass man den von den Bienen gewinnen kann?
Thomas Henle: Das haben die gemerkt, wahrscheinlich so etwa vor ungefähr 10, 12.000 Jahren, es gibt sehr hübsche Höhlenmalereien in Spanien, in denen man einen sogenannten Honigjäger sieht, wie er bezeichnet wird, so eine Gestalt, die einen Baum hoch klettert und da aus einem Wildbienennest den Honig rausholt, tatsächlich gezielt hergestellter Honig oder sagen wir besser unter der Nutzung von Hausbienen, so kann man es vielleicht sagen, das begann so vor vielleicht 8.000 bis 9.000 Jahren, das war in der Gegend der heutigen Türkei, das war so mit der Sesshaft Werdung des Menschen, hat man dann auch Hausbienen gehalten gewissermaßen. Ja, dann kann man ins Ägypten 3000 vor Christi gehen, da hat man Honig als Grabbeigabe genutzt, als Göttergeschenk gewissermaßen, ja und dann gibt es Berichte aus der antike Hippokrates 400 vor Christi Geburt, soll Rezepte für Honigmedizin entwickelt haben, also Honig wird sehr, sehr lange gewissermaßen in der Menschheitsgeschichte verwendet. Wenn man bei der Gelegenheit vielleicht jetzt in die heutige Zeit zurückspringt und man überlegt, dass Honig heute tatsächlich jetzt ein Massenprodukt ist, es werden weltweit rund 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr produziert auf der ganzen Welt, am allermeisten so grob ein Viertel davon in China, rund 500.000 Tonnen, der zweitgrößte Hersteller ist die Türkei und Deutschland ist dann in der Rangliste der Hersteller eigentlich relativ weit unten, bei uns wären so rund 30.000 Tonnen, das ändert sich von Jahr zu Jahr so ein bisschen produziert, allerdings sind die Deutschen, was den Honigkonsum anbelangt ganz weit vorne, im Schnitt ist jeder Deutsche, jede Deutsche rund 1 Kilo Speisehonig pro Jahr und um diesen Honigbedarf zu decken, muss Deutschland ganz viel Honig importieren, so etwa 2 Drittel des Honigs, der bei uns gegessen wird, die wird tatsächlich dann importiert.
Peer Kittel: Neben der geschichtlichen Einordnung sind wir auch immer dran, dann das Thema Lebensmittel Recht in den Blick zu nehmen. Insofern, welche Aspekte gibt es denn da? Gibt es spezielle Vorgaben für Honig?
Thomas Henle: Ja, da gibt es absolut, da gibt es super spezielle Vorgaben. Honig gehört so zu den am besten geregelten Lebensmitteln überhaupt. Honig ist ja das per Definition Naturprodukt und entsprechend gibt es eine EU-weit gültige Honigverordnung, da gibt es eine Richtlinie, die hat die Nummer 2001 schrägstrich 110 EG und diese Honigverordnung regelt nun alles mögliche, die regelt die Honig-Gewinnung, die Anforderungen an die Honig- Beschaffenheit, ganz vor allen Dingen natürlich regelt es, wie man garantieren kann, dass der Honig Natur belassen bleibt, man darf also dem Honig nichts zusetzen, man darf zum Beispiel keine Konservierungsstoffe oder keine Aromastoffe rein machen, man darf auch nichts entziehen, um den Honig auf die Art und Weiße vielleicht in der Zusammensetzung zu verändern. Das einzige, was man darf, ist filtrieren, aber auch das muss man dann hinterher angeben. Aus chemischer Sicht ist ganz spannend, dass es da auch definierte Vorgaben gibt, vor allen Dingen für den Wassergehalt. Der Wassergehalt darf maximal 20 Prozent sein, da gibt es eine Ausnahme beim Heide-Honig, da dürfen es 23 Prozent sein, denn das regelt die Haltbarkeit, denn wenn der Honig maximal 20 Prozent Wasser hat, können praktisch keine Bakterien, keine Hefen mehr wachsen, wenn es mehr wären, dann besteht die Gefahr der Gehrung, insofern regelt man hier den Wassergehalt ganz streng und ganz streng ist die Wärmebehandlung geregelt. Also Honig darf nicht Wärme behandelt werden, da gibt es analytische Parameter, die sogenannte Diastase-Zahl, das ist ein Enzymen, was im Honig drin ist, was sehr leicht dann durch die Erhitzung inaktiviert wird und es gibt eine analytische Größe, den sogenannten HMF-Wert, Hydroxymethyfurfural heißt es, das ist eine Verbindung, die entsteht beim Erhitzen aus der Gluckhose oder aus der Fructose und auch die darf nur zu einem bestimmten Gehalt, maximal 40 Milligramm pro Kilogramm drin sein. Wenn diese Werte jetzt nicht eingehalten werden, dann ist es ein Hinweis darauf, dass der Honig erhitzt wurde und dann ist er, man sagt, nicht mehr verkehrsfähig, aber nicht mehr als Speisehonig verkauft werden.
Peer Kittel: Ja, vielleicht nehmen wir an der Stelle dann noch mal die Eingangsfrage auch in den Blick. Was hast du denn von der neuen Kennzeichnungspflicht für Honig zu den Herkunftsländern?
Thomas Henle: Also tatsächlich hat sich das ja geändert, weil wird sich jetzt in der nächsten Zeit ändern. Bislang war das in der Tat etwas diffus geregelt, man hatte bisher das Ursprungsland zwar angeben müssen, allerdings wenn es nur ein Ursprungsland war, dann musste man dieses Land auch benennen. Wenn es mehrere Ursprungsländer waren, dann gab es so Regelungen wie Mischung von Honig aus EU-Ländern oder Mischung von Honig aus EU-Ländern und nicht EU-Ländern. Das heißt, der Verbraucher, die Verbraucherin wusste dann nicht mehr, aus welchem Land es ist und das ist dann schon auch etwas, ich sage mal, relevant vielleicht, wenn man überlegt, worum möchte ich meinen Honig herhaben, auch so vor Hintergrund der Nachhaltigkeit oder irgendwie so, wirst vielleicht schon ganz gut zu wissen, ob diese Mischung aus EU-Ländern und nicht EU-Ländern dann bedeutet, dass 95 Prozent z.B. aus China sind oder so. Tatsächlich muss jetzt künftig dann dieses Herkunftsland deutlich erkennbar angegeben werden und es muss auch angegeben werden, wie hoch der prozentuale Anteil des betreffenden Landes ist. Das ist natürlich wieder so ein gewisser Regelungs- und auch Analytik-Prozess vielleicht, der dann dahintersteckt, aber ich denke schon, dass es den Verbrauchern und Verbrauchern dann eine recht interessante Zusatzinformation gibt, wenn man eben sich überlegt, dass man Honig eben aus bestimmten Ländern vielleicht doch bewusst dann eben deutschen Honig kaufen möchte.
Jule Wäntig: Der Garten meiner Eltern liegt an einer Lindenallee und der Benachbarte Imker verkauft Lindenblüten Honig. Nun habe ich schon öfter die Bienen auch an unseren normalen Blumen erwischt. Ist es dann überhaupt noch Lindenblüten Honig, wenn unsere regulären Blumen damit reingemischt werden?
Thomas Henle: Ja, sag ich mal, wenn der Honig überwiegend aus Lindenblüten Honig besteht, das ist tatsächlich jetzt die Formulierung in der Honigverordnung, da steht drin, dass ein sogenannter Sorten Honig, also ein Honig, bei dem die Tracht, wie man sagt, ausgelobt wird, also zum Beispiel Lindenblüten Honig, Akazien Honig oder so, die dürfen sich so bezeichnen, wenn laut Honigverordnung der Honig vollständig oder überwiegend aus der betreffenden Tracht stand. Überwiegend heißt da mindestens 60 Prozent. Das ist analytisch durchaus nicht einfach, denn in der Tat ist kein Honig 100 Prozent aus einer Tracht, da kommt immer noch ein bisschen was anderes mit rein. Analytisch wird es erfasst durch die sogenannte Melissopalynology. Das ist eine mikroskopische Untersuchung des Honigs und eine Analyse der Pollen und da kann man dann die Pollen tatsächlich identifizieren, auch auszählen und so dann in etwa abschätzen, welche Pflanzen zu welchem Anteil da mit in den Honig hinein gekommen sind. Es geht aber nur bei ungefilterten Honig und man braucht da sehr, sehr viel Erfahrung, also das können ja nur relativ wenig Leute. Tatsächlich kommen aber auch nur zu Aspekte wie Geschmack und Aroma dazu, die dann auch charakteristisch sein müssen oder charakteristisch vorhanden sein müssen, damit man den Honig tatsächlich dann als Sortenhonig bezeichnet.
Jule Wäntig: Honig ist ja auch ein beliebtes Hausmittel und auch ich habe, wenn ich krank war, abends mal eine heiße Milch mit Honig bekommen. Ob das jetzt wirklich geholfen hat, kann ich nicht mehr so sagen, aber was sagst du als Experte denn dazu?
Thomas Henle: Also wenn es geholfen hat, ist es ja zunächst einmal gut. Viele dieser Hausmittel beruhen natürlich dann auf Jahrzehnte oder Jahrhunderte Überlieferung, ob tatsächlich jetzt ein wissenschaftlicher Nachweis dahinter steckt, das ist immer sehr, sehr umstritten und das ist auch beim Honig so. Es gibt in der Tat jetzt wissenschaftliche Belege, dass Honig antibakterielle Bestandteile enthält. Das weiß man seit den 1930er Jahren. Da hat man dann den Begriff der sogenannten Inhibine geprägt, wobei Inhibine jetzt nicht von der Biene kommt, also nicht mit E geschrieben, sondern von Inhibitor, also von Hemmstoff und zwar hatte man da erkannt, dass Honig ein bestimmtes Enzym enthält, die sogenannte Glucose-Oxidase, die stammt von der Biene und diese Glucose-Oxidase, die bildet, wenn man den Honig verdünnt, mit Wasser, Wasserstoffperoxid, das kennt der ein oder andere immer als Desinfektionsmittel oder auch vom Haare bleichen, ja und dieses Wasserstoffperoxid hat tatsächlich jetzt eine Wirkung gegen Bakterien, die hemmt also, bzw. hemmt bestimmte Bakterien. Gleichzeitig hat Honig einen osmotischen Effekt, das heißt durch den charakteristischen Wassergehalt kommt es noch dazu zu einer Unterdrückung des Bakterienwachstums. Also es gibt schon Belege, dass Honig tatsächlich gegen bestimmte Bakterien wirkt, ob jetzt tatsächlich dann in so Mischungen wie heißer Milch mit Honig oder irgendwie so tatsächlich jetzt medizinisch begründbare Effekte nachweisbar sind. Das ist schon ein bisschen, ich sage mal, fraglich. Honig ist ein Stärkungsmittel, Honig hilft vielleicht auch bei Erkältungen den Schleim abzusondern oder so, aber so wirklich ernsthaft wissenschaftliche Belege gibt es da meines Erachtens sehr, sehr wenige.
Peer Kittel: Und trotzdem gibt es ja Honig, der ganz besonders mit dem Thema Gesundheit assoziiert ist. Stichwort Manuka Honig, ich denke, ja ich kann das hier vielleicht auch mal verraten, wir haben es hier in der Runde ja nicht nur mit einem lebensmittelchemie-Experten zu tun, sondern also ganz bewusst mit einem Manuka-Honig-Experten, lieber Thomas. Ja wie ist das denn mit dem Manuka-Honig? Was ist das überhaupt und was ist das Besondere an Manuka-Honig?
Thomas Henle: Also Manuka-Honig ist ein von den Honigbienen aus dem Blüten Nektar der Sogenannten Südseemyrte, des Manuka-Strauchs produzierter Honig, Leptospermum scoparium heißt der auf Lateinisch, da gibt es übrigens auch einen bei uns im botanischen Garten in Dresden. Dieser Manuka-Baum oder Strauch, der wächst in Neuseeland, eigentlich nur in Neuseeland und in einigen Regionen im Südosten von Australien und der bildet im Dezember so kleine Blüten, ein Zentimeter große, hübsche Blüten und der Nektar aus diesen Blüten dient dann quasi den Bienen zur Produktion des Manuka-Honigs. Der ist wie gesagt ausschließlich in Neuseeland bislang produziert, dort werden dann pro Jahr so rund 8.000 Tonnen produziert, 3 Viertel davon so etwa als Monofloraler, es macht mengengenmäßig auf die Welt, erzeugt natürlich nicht ganz so viel aus, ist eine Spezialität für Neuseeland. Und der war bis in den 1990er-Jahren bei uns eigentlich relativ unbekannt, wir haben da ein paar Publikationen gefunden, die gezeigt haben, dass dieser Honig eine besondere Antibakterielle Wirksamkeit haben soll, eine sogenannte nicht peroxidische Antibakterielle Wirksamkeit, das heißt neben dieser Glucose-Oxidase eben auch noch andere Stoffe, die jetzt dann quasi eine sehr, sehr starke Wirkung gegen Bakterien ausüben, sondern man wusste aber nicht, was es ist. Und da konnte man dann in einer Promotion, auch in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie bei uns an der TU Dresden herausfinden, welche Verbindung tatsächlich für diese spezifische Antibakterielle Aktivität verantwortlich ist. Das war 2006, die Originalpublikation war dann 2008 und so ist es eine Verbindung, die heißt Methylglyoxal, MGO, das ist eine Verbindung, die aus dem Zucker entsteht, wie ganz genau, weiß man gar nicht so, weiß man heute noch gar nicht so ganz genau, aber was man mittlerweile weiß, ist, dass diese Verbindung ausschließlich oder maßgeblich für die Antibakterielle Wirksamkeit im Manuka-Honig verantwortlich ist und darauf aufbauend entstanden eine ganze Reihe von Untersuchungen, auch mittlerweile ganz gut wissenschaftlich belegte Studien, die zeigen, dass Manuka-Honig beispielsweise in der Wundheilung sehr gute Wirksamkeit haben kann. Das ist aber dann kein Honig, natürlich schon ein Honig, aber das ist kein Lebensmittel mehr, sondern das ist ein Medizinprodukt, das muss man dann hier immer wieder so ein bisschen mit in die Diskussion einbringen.
Peer Kittel: Insofern ist da also dann wirklich was dran und das hat ja dann auch dazu geführt, dass die Preise für Manuka Honig deutlich angezogen haben und das wiederum ruft dann natürlich Leute auf dem Plan, die das für sich versuchen zu nutzen. Insofern gibt es ja dann doch relativ viel gefälschte Ware auf dem Markt. Hast du denn ein Expertentipp für die Verbraucherinnen und Verbraucher, wie sie da vielleicht sich vor falschen Angeboten schützen können?
Thomas Henle: Es ist in der Tat so, dass Manuka-Honig gefälscht werden kann. Da gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten. Zum einen ist, dass man Honig als Manuka Honig verkauft, der keiner ist, also der aus anderen Pflanzen stammt und das zweite ist, dass man dieses Methylglyoxal, also diese wirksame Substanz quasi artifiziell oder künstlich zumischt. Das werden so die beiden Möglichkeiten, Manuka Honig zu faken, wenn man das so sagen darf. Allerdings muss ich sagen, ist dieses Thema in der Öffentlichkeit, in der öffentlichen Wahrnehmung bzw. in öffentlichen Berichterstattung oft ein bisschen sehr übertrieben dargestellt. Da gibt es zum Beispiel so Zahlen, die man auch auf Wikipedia immer noch findet, wo dann dort steht, wo dann drin steht, dass 1.700 Tonnen produziert werden in Neuseeland und 10.000 Tonnen vermarktet werden und diese Zahlen entbehren, das muss man ganz klar so sagen, entbehren jeder Grundlage. Es gibt mittlerweile vom Landwirtschaftsministerium in Neuseeland, das ist das MPI des Ministry for Primary Industries, die publizieren jährlich ihre Produktionsdaten. Für 2023 haben die publiziert, dass es 6.000 Tonnen Monofloralen und 2.000 Tonnen Multifloralen Honig gibt. Also es ist ein bisschen weit weniger dramatisch, dass es in der Öffentlichkeit oft dargestellt wird. Trotzdem kann es natürlich vorkommen. Und wenn deine Frage jetzt Peer, was kann man als Verbraucherinnen, das Verbraucher tun, was kann man jetzt machen, um sich vor diesen potenziellen Faken zu schützen, ich würde da immer sagen, es gibt zum einen Analysenmethoden, mit der Hilfe man das nachweisen kann. Da haben auch wir mit dazu beigetragen, es gibt Kriterien, mit deren Hilfe man analysieren kann, ob jetzt ein Honig wirklich ein Manuka Honig ist und aus Neuseeland stammt. Da gibt es auch exakte Vorgaben des entsprechenden Ministeriums, die müssen erfüllt sein, damit der Honig so bezeichnet werden kann. Und es gibt auch Analysenmethoden, man kann quasi wie so eine Art Fingerabdruck bestimmter Inhaltsstoffe analysieren, um nachzuweisen, ob es wirklich natürliches Metüglööksal ist. Und es führt dann schon auch dazu, dass die potenziellen Fälscher da, ich sage mal, vorsichtig sind. Als Verbraucher, als Verbraucher würde ich immer sagen, wenn der Methylglyoxalgehalt drauf steht, also MGO, so und so viel Milligramm pro Kilogramm, oder wenn ein Wert drauf steht, der UMF heißt, es ist ein anderer Qualitätsparameter, der Unique Manuka Faktor, der letztlich nichts anderes ist, wie der umgerechnete MGO-Gehalt, dann ist man schon mal auf der sicheren Seite, dann halten sich diese Firmen tatsächlich an auch sehr analytisch definierte Parameter. Und wenn andere so Fantasie-Bezeichnungen draufstehen, wie Active 10 oder irgendwie so, da wäre dann ein bisschen vorsichtig. Und da würde ich dann vielleicht mir dann doch überlegen, ob man den anderen Honig, der rundum steht, das teurer ist, einen anderen Manuka Honig kauft, der tatsächlich diese exakten Labels dann vorhält.
Jule Wäntig: Ihr habt mit eurer Forschung an Manuka Honig ja einen großen Durchbruch erzielt. Vorstehe bereits an anderen Honigsorten. Gibt es spannende Aspekte an Honig, die noch nicht erforscht sind?
Thomas Henle: Also es gibt sowohl für Manuka Honig als auch für andere Honige jede Menge noch interessanter Forschungsgebiete. Wie gesagt, diese 2-3% Minorkomponenten, die haben es, wenn man so will, in sich, die sind also tatsächlich sehr spannend aus analytischer Sicht. Jetzt speziell vielleicht zum Manuka Honig sind so zwei Themen momentan bei uns so in der Forschung. Das eine ist tatsächlich Untersuchungen zum Aroma von Manuka Honig. Dieses Aroma tut tatsächlich dann Regionen spezifisch. Das hängt auch vom Methylglyoxal ab und ist auch etwas sehr charakteristisches für den Honig. Also tatsächlich hier die Bildung und die Identifizierung charakteristischer Aromastoffe ist so ein Forschungsgebiet. Und ein weiteres, was dann vielleicht eher so in Physiologische Aspekte geht, ist, dass wir vor Kürzen zeigen konnten, dass Manuka Honig Inhaltsstoffe enthält, die die antibakterielle Wirksamkeit von Methylglyoxal modifizieren, sogenannte Synergisten. Da kommen Verbindungen Identifizierende, die diese Wirksamkeit deutlich verstärken, also quasi dann dazu führen, dass, wenn sie in entsprechend hoher Menge vorhanden sind, dann, dass der Honig dann noch nicht stärkere Antibakterie Wirksamkeit hat. Und so war es natürlich interessant, weil man auf die Art und Weise dann unter Umständen zumindest Grundlagen legen könnte für eine mögliche medizinische Anwendung des Honigs.
Jule Wäntig: Apropos medizinischer Anwendungen, es gibt ja noch eine Vielzahl weiterer Bienenprodukte und ich kenne da zum Beispiel noch diese Propolis-Kapseln, die bei Erkältung helfen sollen. Sind da Inhaltsstoffe drin, die helfen oder ist das wieder nur so ein Marketing Gag?
Thomas Henle: Ich würde sagen sowohl als auch. Das heißt, Propolis ist zunächst mal etwas, was aus chemischer Sicht sehr spannend ist. Die Bienen produzieren dieses Propolis tatsächlich, um ihren Bienenstock abzudichten. Das ist so ein Kit-Harz gewissermaßen, mit dem sie sich dann gegen Bakterien und Pilze stützen. Tatsächlich enthält dieses Propolis dann auch Inhaltsstoffe, die gegen Bakterien oder Pilze wirken. Von der Zusammensetzung ist es ganz interessant. Das ist also jetzt kein Honig, kein Zucker, ganz was anderes. Es ist eher so eine fettartige Substanz, die enthält viele Wachse, Harze, ätherische Öle, auch der charakteristisch aromatische Geruch, Phenolcarbonsäuren. Und die haben nun tatsächlich eine Wirkung gegen Bakterien. Dazu wird sie auch produziert. Und das kann man dann hinterher aus dem Bienenstücken rauskratzen und dann verwenden. Zum Beispiel Tinkturen für Salben, für Mundwässer, für Lutschtabletten, für Nasensprays, für alles Mögliche. Jetzt ist es allerdings so, dass eindeutige wissenschaftliche Belege für eine Wirksamkeit von Propolis, egal in welcher Zubereitungsform beim Menschen, gibt es nicht. Es gibt interessante einzelne Substanzen, die vielleicht sogar dann auch für medizinische Anwendung interessant sein könnten, allerdings dann in entsprechend isolierter Form vielleicht. Es gibt bislang keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen für Propolis, auch nicht in entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln, auch sowas wie die Stärkung des Immunsystems ist nicht nachgewiesen. Also ich würde da immer sagen, wissenschaftlich ist das in der Grauzone, probiere es aus, wenn es dir gut tut, dann ist es gut und wenn nicht, dann probiere ich was anders aus.
Peer Kittel: Lieber Thomas, vor dem Hintergrund und vielleicht zum Abschluss nochmal Hand aufs Herz, ist Honig wirklich mehr als ein gut schmeckender Zucker?
Thomas Henle: Also zunächst ist Honig primär ein Süßungsmittel, das muss man ganz klar so sagen. Es ist aber, ich sage mal, ein besonders gut schmeckendes Süßungsmittel. Das heißt, Honig enthält Aromastoffe, enthält Stoffe, die tatsächlich dann aus sensorischer Sicht natürlich deutlich mehr sind als reiner Zucker. Es gibt einem vielleicht auch ein gutes Gefühl. Es schmeckt einfach besser, als wenn man es jetzt nur den normalen Zucker nimmt. Man kann aus Honig auch prima Produkte herstellen, wie zum Beispiel Lebkuchen, Met oder Honigbier. Das ist vielleicht ein Thema für eine andere Story. Aber jetzt aus Ernährungsphysiologischer Sicht ist Honig primär ein Zucker. Man tut sich im Endeffekt jetzt nichts hinsichtlich der Gesundheit, wenn man statt Zucker Honig nimmt. Man tut was fürs Wohlbefinden, fürs Wohlgefühl, das alleine ist ja auch schon was wert. Und insofern lasst er denn Honig auch gerne weiterschmecken Peer.
Peer Kittel: Das werde ich tun. Insofern werde ich beim nächsten Frühstück, denke ich, wieder auf Brot und Honig zurückgreifen und dann auch darüber nachdenken, was wir heute hier besprochen haben. Und wenn Sie jetzt Appetit auf noch mehr Food Facts bekommen haben, dann hören Sie sich gerne unsere weiteren Folgen an. Unseren Podcast gibt es immer monatlich auf der Webseite der TU Dresden und überall da, wo es Podcasts gibt. Wenn Sie Themenwünsche rund um Lebensmittel, Lebensmittelchemie oder Ernährung haben, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an lebensmittliche.podcast@tu-dresden.de Das war Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden. Bis zum nächsten Mal.
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Mavric, E., Wittmann, S., Barth, G., Henle T., Identification and quantification of methylglyoxal as the dominant antibacterial constituent of Manuka (Leptospermum scoparium) honeys from New Zealand. Mol. Nutr. Food Res. 2008, 52, 483-489
Folge 3: Mindesthaltbarkeitsdatum - Sollte es für einige Lebensmittel abgeschafft werden?
Bundesagrarminister Cem Özdemir hat das Mindesthaltbarkeitsdatum auf lang haltbaren Produkten wie Reis, Tee oder Honig als "komplett sinnbefreit" bezeichnet. Er argumentiert, dass die Abschaffung dieser Vorschrift dazu beitragen könnte, dass weniger dieser Produkte im Müll landen, nur weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Ist das so wirklich sinnvoll? Können bestimmte Lebensmittel wirklich nicht verderben? Und wie macht man Lebensmittel eigentlich haltbar? Zu diesen und weiteren Fragen sprechen Moderatur Peer Kittel und Studentin Jule mit Lebensmittelchemiker Prof. Thomas Henle von der TU Dresden.
Intro Musik
Peer Kittel: Foodfacts, der Lebensmittelchemie Podcast der TU Dresden. In unserer heutigen Folge wollen wir der Frage nachgehen, ob man das Mindesthaltbarkeitsdatum abschaffen sollte und wenn ja, ob das wirklich gegen Lebensmittelverschwendung helfen könnte.
Intro Musik
Peer Kittel: Als komplett Sinnbefreit beschreibt Bundesagrarminister Cem Özdemir wörtlich das Mindesthaltbarkeitsdatum auf langhaltbaren Produkten wie Reis, Tee oder Honig. Eine Abschaffung dieser Vorschrift soll nun dafür sorgen, dass weniger solche Produkte im Müll landen, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum schon abgelaufen ist. Ist es so wirklich sinnvoll, können bestimmte Lebensmittel wirklich nichtverderben? Und wie macht mein Lebensmittel eigentlich haltbar? Dazu sprechen wir mit unserem Experten, Lebensmittelchemiker Prof. Thomas Henle von der TU Dresden. Wir, das sind wie immer Studentin Jule Wäntig und ich, Peer Kittel, Dezernent am Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Insofern, wie gehabt, hallo Thomas, hallo Jule.
Thomas Henle: Hallo Per, hallo Jule.
Jule Wäntig: Hallo!
Thomas, in meiner WG haben wir kürzlich unseren Vorratsschrank etwas aussortiert und dabei haben wir ziemlich viele Produkte gefunden, die schon abgelaufen sind und noch haben wir sie nicht weggeschmissen. Aber was meinst du, sollten wir das tun?
Thomas Henle: Was habt ihr denn da so gefunden?
Jule Wäntig: Nudeln, Reis, also alles was so in der Studenten-WG sehr viel vorrätig ist.
Thomas Henle: Also wenn der die Verpackung doch in Ordnung war, wenn die Lebensmittel nicht feucht geworden sind, dann können die ohne weiteres noch essen, auch wenn das Haltbarkeitsdatum schon um einige Zeit überschritten ist, dann müsst ihr euch keinen Kopf machen.
Jule Wäntig: Und was sagt dann dieses MHD überhaupt aus und wo ist das festgelegt?
Thomas Henle: Also dieses MHD ist eine Art Garantie der Hersteller, dass das Lebensmittel bis zu dem Termin, der drauf steht, seine Eigenschaften behält. Also den Geruch, den Geschmack, die Konsistenz, den Nährwert. Bei Lebensmitteln mit höherem Wasser gehalten wird zum Beispiel Joghurt oder so. Da bezieht sich das MHD dann auch noch auf mikrobiologische Veränderungen, also zum Beispiel das Wachstum von Hefen oder irgendwie so. Es hat das jetzt aber insgesamt nichts mit einem Schlechtwerden im Sinne von gesundheitlichem Risiko zu tun und viele Lebensmittel eben die genannten trockenen Lebensmitteln, die sind bei ordnungsgemäßer Lagerung ja eigentlich nahezu unbegrenzt haltbar. Vorgeschrieben ist es MHD gemäß einer sogenannten Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Da wird dann das MHD letztlich in die Verantwortung der Hersteller gegeben. Das heißt nicht ein Gesetzgeber schreibt vor, wie lange ein Lebensmittel haltbar sein muss, sondern die Hersteller, diejenigen, die das Produkt in den Verkehr bringen, wenn man es fachlich ausdrückt, die müssen dann ein MHD festlegen und eben dieses MHD auch garantieren.
Peer Kittel: Thomas, wenn ich dich richtig verstehe, geht es also beim Mindesthaltbarkeitsdatum eher um Qualität? Die Frage nach gesundheitlichen Risiken spielt dann dabei also keine große Rolle?
Thomas Henle: Ja absolut. Ich meine, man hört ja oft so umgangssprachlich, das Lebensmittel ist verfallen und dieser Begriff, das Verfallsdatum, der existiert ja nun eigentlich nicht und der ist auch in der Sache falsch. Der würde ja bedeuten, dass das Lebensmittel quasi ab dem Tag, der dann als Datum drauf steht, irgendwie ungenießbar geworden ist. Man muss da zwei Begriffe sehr gut auseinanderhalten. Das eine ist das Mindesthaltbarkeitsdatum, was wir gerade schon thematisiert haben und das andere ist das Verbrauchsdatum. Dieses Verbrauchsdatum ist nun recht wichtig, denn das sagt in der Tat jetzt etwas aus über mikrobielle Veränderungen, also zum Beispiel das Wachstum von schädlichen Bakterien. Das betrifft jetzt vor allen Dingen leichtverderbliche Lebensmittel wie zum Beispiel Hackfleisch oder Fertigsalate und bei denen ist dann so, dass die, wenn dieses Verbrauchsdatum überschritten ist und Umständen Bakterien gewachsen sind, die tatsächlich dann vielleicht so gesundheitliche Risiken nach sich ziehen. Also dieses Verbrauchsdatum ist jetzt wirklich streng zu sehen, wenn das überschritten ist, dann sollte man das Lebensmittel nicht mehr essen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist diesbezüglich eher eine Qualitätsgarantie, also Qualitätsgarantie als MHD und Verbrauchsdatum als Sicherheitsgarantie. So kann man es vielleicht auf den Punkt bringen.
Jule Wäntig: Steht das dann auch auf der Verpackung drauf?
Thomas Henle: Ja, absolut. Die Wortwahl ist da ganz eindeutig. Beim MHD steht drauf Mindestens haltbar bis und dann kommt ein Datum oder eine Jahresangabe und beim Verbrauchsdatum besteht dann drauf zu Verbrauchen bis und eine Datumsangabe und so kann man es dann auseinanderhalten.
Peer Kittel: Hast du jetzt schon ein bisschen angedeutet, aber vielleicht kannst du es noch ein Stück weit präzisieren. Wovon hängt denn jetzt die Haltbarkeit wirklich ab? Also welche Reaktionen laufen denn da ab?
Thomas Henle: Also der wichtigste Parameter, den man für die Haltbarkeit von Lebensmitteln heranziehen muss, ist der Wassergehalt oder genauer gesagt die sogenannte Wasseraktivität. Aus chemischer Sicht sagt man, die Wasseraktivität ist die Menge des Wassers oder der Anteil des Wassers im Lebensmittel, der verfügbar ist für chemische oder mikrobiologische Reaktionen. Und da muss man ein bisschen unterscheiden eben zwischen dem Wachstum von Mikroorganismen und bestimmten Veränderungen, die sich jetzt zum Beispiel durch Reaktionen inzwischen in den Inhaltsstoffen ergeben. Und damit ist eigentlich klar, je mehr Wasser drin ist, umso kürzer ist das Lebensmittel haltbar und umgekehrt je trockener ein Lebensmittel, also zum Beispiel Nudeln oder Reis, da ist aber immer noch etwas Wasser drin, aber dieses Wasser ist quasi so immobilisiert, so in die Inhaltsstoffe gebunden, dass sie quasi nicht mehr verfügbar, dass es nicht mehr verfügbar ist für mikrobiologische Reaktionen und auch nur noch ganz wenig für chemische Reaktionen. In diesen Lebensmitteln können dann praktisch keine Verderbs Reaktionen mehr ablaufen.
Jule Wäntig: Was kannst du denn zur Geschichte des MHD sagen? Seit wann gibt es das überhaupt?
Thomas Henle: Ja, das gibt es, wenn ich mich recht erinnere, seit den 60er Jahren oder genauer gesagt habe, in den 1960er Jahren etwas eingeführt, was quasi der Vorläufer des MHDs war. Man sprach von der sogenannten Datierungsverordnung. Ich glaube, das wurde, man sei 66 oder so eingeführt in der BRD damals. Und zwar hatte man damals dann eingeführt das bestimmte Lebensmittel, leichter verderbliche Lebensmittel, wie zum Beispiel Fleisch oder Fisch, dass die zumindest ein Herstellungsdatum drauf haben mussten und auch ein Abpackungs- und Abfülldatum. Das war dann schon mal wieder fakultativ. Und die Hersteller konnten, wenn sie wollten, das war also nicht vorgeschrieben, auch ein MHD draufschreiben. Das, was wir heute jetzt als Haltbarkeitsdatum kennen, das hat man verpflichtend eingeführt in 1981. Da gab es dann eben eine sogenannte Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung und in der ist dann unter anderem auch das Mindesthalbarkeitsdatum als verpflichtende Angabe eingeführt worden.
Jule Wäntig: Und welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, so ein Lebensmittel länger haltbar zu machen? Also meine Oma kocht ein und das hält dann immer ewig.
Thomas Henle: Ja, das macht sie auch ganz richtig, denn dieses Einkochen oder das Erhitzen von Lebensmittel ist eine der ganz klassischen Methoden zur Haltbarmachung von Lebensmitteln. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Möglichkeiten, wie man Lebensmittel haltbar macht. Letztlich machen die alle entweder die zerstörende entweder Bakterien, das ist das, was man mit erhitzen macht, oder man versucht, das Wasser entweder rauszukriegen oder zu binden. Und da gibt es dann Verfahren wie zum Beispiel Kühlen, was jeder kennt im Kühlschrank, das Einfrieren, das Einsalzen, das sind alles Verfahren, die letztlich dann die Wasseraktivität reduzieren. Das Trocknen von Lebensmitteln ist eine klassische Methode zur Haltbarmachung. Auch das Fermentieren, also quasi das mit Milchsäurebakterien behandeln und dann zum Beispiel Sauerkraut herzustellen, auch das ist eine Haltbarmachung. Also es gibt ganz, ganz viele verschiedene Verfahren, mit denen hilft man eben dann diese Haltbarkeit verlängern kann. Peer Kittel: Klingt jetzt gar nicht unbedingt so, als wären das dann alles Erfindungen der modernen Lebensmittelindustrie. Also das hat man jetzt dann schon länger so gemacht.
Thomas Henle: Absolut, absolut. Und das ist vielleicht auch wirklich ganz, ganz interessant, wenn man so ein kleines bisschen in die Evolution vielleicht hineingeht, auch das müssen wir ja vielleicht einmal in der eigenen Folge thematisieren. Dann kann man wirklich sagen, dass der Mensch hat das Feuer entdeckt oder kontrolliert. Da gibt es unterschiedliche Überlegungen, ob das vor 400.000 Jahren war oder manche sagen vor zwei Millionen Jahren. Und mit dem Entdecken des Feuers hat der Mensch praktisch auch schon Lebensmittel erhitzt, also wenn man so will, haltbar gemacht. Und es war natürlich dann auch für die Menschheitsentwicklung ein riesengroßer Fortschritt, wenn man eben nicht mehr jeden Tag auf die Jagd gehen musste, weil das Fleisch ansonsten vielleicht verdirbt, sondern dass wir es ein paar Tage haltbar machen können. Ja, und andere Verfahren, das haben wir ja in unserer Folge zu den Zusatzstoffen thematisiert, wie zum Beispiel das Einsalzen, das Pökeln, das Verwenden von Salpeter, das nutzte Mensch auch bereits seit vielen tausend Jahren. Vermutlich die Industrie war natürlich dann auch ganz, ganz entscheidend daran beteiligt, dass man neue, modernere Verfahren entwickelt und das ist vor allen Dingen so im 19. Jahrhundert gewesen. Da wurde dann die Konservendose erfunden, das war im Jahr 1810. Und der hat, es war ein Herr namens Peter Durand, der hat es für die englische Armee erfunden, quasi die Haltbarmachung von Lebensmitteln und ganz berühmt - das Pasteurisieren, den Begriff kennt jeder, das geht zurück auf den Louis Pasteur. Der hatte entdeckt, dass Bakterien verantwortlich sind für dieses Verderben und konnte dann dem feststellen, dass die Bakterien durch Erhitzen abgetötet werden. Und dann hat sich dieses Verfahren 1865, war es glaube ich, als Patent anmelden lassen.
Peer Kittel: Jetzt ist Haltbarmachung per se ja ein Eigenwert, der wichtig ist, wie du gerade auch beschrieben hast. Schadet das aber nicht auf der anderen Seite vielleicht auch den Lebensmitteln. Also gerade beim Erhitzen gehen da nicht irgendwie auch Inhaltsstoffe verloren, die man brauchen könnte?
Thomas Henle: Ja, natürlich. Es ist immer so eine, ich sage mal, Risikonutzen oder Kosten-Nutzenabwägung. Also die Vor- und Nachteile müssen immer abgewägt werden. Es kommt natürlich beim Erhitzen, vor allem zum Beispiel beim Herstellen von Konservendosen in gewisser Maßen zu einem Nährwertverlust. Das ist aber in der Regel, ich sage mal, verschmerzbar eben durch den Vorteil der langen Haltbarkeit. Bestimmte Verfahren wie zum Beispiel dieses Milcherhitzen, das Kurzzeit Milcherhitzen, das traditionelle Pasteurisieren, das ist so schonend, dass es praktisch überhaupt keine Nährwertverluste macht und selbst das höhere Erhitzen von Milch, beispielsweise bei der Hochpasteurisation oder bei der UHT-Behandlung, bei der H-Milch Herstellung, selbst das ist so schonend, dass allenfalls vielleicht so ein zwei, drei, vier Prozent von bestimmten Vitaminen inaktiviert werden, ab und sich auf der anderen Seite natürlich die mikrobiologische Sicherheit dadurch erreicht und der Vorteil überwiegt natürlich dem potenziellen Nährwertverlust bei Weiten.
Peer Kittel: Also, wenn wir vielleicht mal direkt bei der Milch auch bleiben, demnach ist dann der Unterschied zwischen Frischmilch und der H-Milch gar nicht so groß?
Thomas Henle: Nee, ist es auch nicht so. Es ist vielleicht etwas, was man tatsächlich auch mal so betonen muss, denn dieses Pasteurisieren, was man so, sagen wir mal, seit Anfang des 20. Jahrhunderts in großem Maßstab gemacht, das war vielleicht eine der wichtigsten Errungenschaften der Lebensmittel Technologie. Es kann man vielleicht so sagen, es gibt Diskussionen, die sagen, dass die Erfindung des Kühlschranks und die Erfindung der Pasteurisation 10 bis 20 Jahre in Lebenserwartung nach sich gezogen haben. Man weiß ja, dass so um die Jahrhundertwende vom 19. Jahrhundert vor allen Dingen Typhus eine ganz, ganz große, großflächige Erkrankung war. Ich habe mal so Zahlen gefunden, da hat man festgestellt oder gemessen, dass allein im Jahr 1905, um eine Zahl zu nehmen, in Dresden allein 1500 Menschen an Typhus gestorben sind und der Hauptüberträger für Typhus war tatsächlich die Milch. Und quasi durch das Erfinden der Pasteurisation konnte man dann diese Krankheit ja mehr oder weniger zum Eindämmen bringen. Und tatsächlich ist der Nährwertverlust selbst beim Hocherhizen, also wenn man die H-Milch kauft beispielsweise so gering, da kommt es zwar etwas zu Verlusten von Vitamine B12 und Folsäure, die sind so ein bisschen hitzelabiler, aber insgesamt macht es auf die Gesamtmenge an Vitaminen eigentlich kaum was aus.
Jule Wäntig: Wenn wir zum MHD zurückkommen, wie können dann die Hersteller festlegen, wie lange so ein Lebensmittel haltbar ist?
Thomas Henle: Also die schätzen das ab, das heißt die machen Lager-Experimente und versuchen quasi zu ermitteln, wie sich das Lebensmittel während der Lagerung verändert. Da gibt es zwar auch rechtliche Vorgaben, es gibt sogar DIN-Normen und internationale Normen, mit denen Hilfe man dann das MHD errechnen kann, aber in der Praxis schaut es so aus, dass die Hersteller das Lebensmittel gewissermaßen bei hohen Temperaturen, ich sag mal, stressen, also bei 40, 50, 60 Grad lagern und dann gucken, was sich nach Tagen, Wochen oder vielleicht Monaten da verändert und dann zurück rechnen, was das dann entsprechend bei einer Raumtemperatur Lagerung für vielleicht Monate oder Jahre wäre. Und so errechnen wir dann quasi oder machen wir dann entsprechende Experimente und nach dem Ablauf dieser Lagerzeit probiert man einfach. Das heißt Prima wird erst mal sensorisch überprüft, ob sich das Lebensmittel geschmacklich verändert hat, ob sich die Konsistenz verändert hat, ob es vielleicht farbliche Veränderungen gab oder so und daraus errechnen bzw. schätzen die dann eine Haltbarkeit ab, diese eben dann den Verbrauchinnen und Verbrauchern garantieren können. Also letztlich ist es eine Art von individueller Festlegung durch die Hersteller.
Peer Kittel: Jetzt oute ich mich mal als etwas faulen Konsumenten vielleicht. Ich habe es auf jeden Fall gern einfach. So eine Zahl wie das MHD auf der Verpackung klingt da ja zumindest sehr objektiv. Aber wenn ich dich jetzt und in dem Fall ja dann auch Cem Özdemir richtig verstehe, dann ist das eigentlich kein guter Weg. Also eher umgekehrt. Wie kann ich denn erkennen, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist?
Thomas Henle: Also ich bin schon der Meinung, dass wir das MHD weiter behalten sollte, können wir vielleicht nachher mal ganz kurz diskutieren, welche Bedeutung das tatsächlich hat, gerade vor dem Hintergrund Lebensmittel Verschwendung. Aber man muss sich das Datum mal etwas generell angucken und dieses Datum, da gibt es ja verschiedene Angaben und zwar je nachdem wie lange das Lebensmittel haltbar ist, muss diese Angabe etwas unterschiedlich gestaltet sein. Bei einer Haltbarkeit bis zu 3 Monaten, da muss da ein exaktes Datum draufstehen, also wirklich der Tag, bis zu dem es haltbar ist. Wenn die Haltbarkeit 3 bis 18 Monate ist, dann reicht ein Monat und das Jahr, wenn das Lebensmittel über 18 Monate oder länger als 18 Monate haltbar ist, also zum Beispiel Konservendosen oder so, da muss da nur noch ein Jahr draufstehen. Und jetzt, für dich als Verbraucher Peer, wenn man dann die Zahl anguckt, dann ist ja eigentlich klar, wenn also zum Beispiel draufsteht Haltbarkeit bis 2024, dann ist eigentlich klar, dass nicht am 1.1.2025 das Lebensmittel jetzt ja abgelaufen oder ungenießbar ist. Genauso, wenn dann zum Beispiel draufsteht Mindesthaltbarkeitsdatum Februar 2024 und es ist März, dann ist tatsächlich dieses Lebensmittel mit Sicherheit noch genießbar. Also man muss so ein kleines bisschen prüfen, sage ich mal, das heißt einfach aufmachen, erst mal gucken ob die Verpackung in Ordnung war, das ist immer das A und O und dann aufmachen, probieren und wenn es dann noch schmeckt, dann ist es auch, selbst wenn das MHD einige Zeit überschritten ist, problemlos noch genießbar. Wobei man allerdings aufpassen muss, das kann man vielleicht bei der Gelegenheit sagen, wenn man dann mein Lebensmittel aufgemacht hat und dann sagen wir halb aufgegessen hat und dann in den Kühlschrank stellt, dann ist dieses MHD, hat das MHD keine Bedeutung mehr denn dann ist das Lebensmittel ja quasi mit der Umwelt, vielleicht mit Bakterien im Kontakt gekommen und dann spielt dieses MHD keine Rolle mehr, dann muss man tatsächlich wirklich immer gucken und schauen, dass sich da nicht irgendwie was dann während der Lagerung gebildet hat.
Jule Wäntig: Wie machst du das denn zu Hause, Thomas, wirst du gar keine Lebensmittel weg?
Thomas Henle: Ja, also wenn ich ganz ehrlich bin, schon auch ab und zu, also ich könnte es nicht sagen, dass wir nichts wegschmeißen, das muss ich schon so hier mal feststellen. Wir schmeißen aber wenig weg, ich muss sagen, wir haben uns angewöhnt, dass wir versuchen zumindest bedarfsgerecht einzukaufen, vor allen Dingen bei kürzer haltbaren Lebensmitteln, also zum Beispiel Milchprodukten oder irgendwie sowas, oder bei frischen Lebensmitteln wie Obst oder Gemüse. Es passiert natürlich schon ab und zu, dass man abends nicht alles aufgegessen hat, das in den Kühlschrank stellt, das vielleicht vergisst und dann doch hinterher feststellt, dass man es nicht mehr essen kann und dann wegschmeißt. Aber ich glaube, das ist vielleicht so, wenn man das so als Tipp oder als Hinweis geben kann, bedarfsgerecht einkaufen und nicht bei jedem Sonderangebot sich dann den Kühlschrank vollstopfen und hinterher feststeht, dass man nicht aufessen kann. Ich glaube, das wäre so der allererste Schritt und der wichtigste Schritt, um eine Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Peer Kittel: Jetzt lass es uns vielleicht noch mal fokussieren, wir haben ja bis hierhin schon recht breit über das Thema gesprochen, aber wie ist es denn nun? Aus wissenschaftlicher Sicht, MHD abschaffen, MHD behalten, wie siehst du das?
Thomas Henle: Also ich habe es schon angedeutet, ich würde schon und nicht nur ich, sondern ich glaube, das ist auch die Mehrheitsmeinung der Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker. Wir sind schon der Meinung, dass das MHD berechtigt ist, allerdings die Diskussionen zum MHD genauso berechtigt sind. Also man könnte problemlos für einige Lebensmittel, zum Beispiel für Reis, für Nudeln, für Mehl, auch für Honig, diese Lebensmittel sind ja theoretisch unbegrenzt haltbar. Wenn die gut verpackt bleiben, dann könnte man für die das
MHD wirklich abschaffen. Für andere Lebensmittel würde ich es aber schon bei behalten, denn es gibt tatsächlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Art Qualität oder frische Garantie und vor allen Dingen und das wäre so vielleicht meine Befürchtung, würde jetzt ein Streichen des MHDs vielleicht dazu führen, dass man auch das Verbrauchsdatum nicht mehr ernst nimmt. Also nachdem die Frage stellt, ja es gibt kein MHD mehr, wozu braucht es, sondern vielleicht ein Verbrauchsdatum, viele wissen vielleicht den Unterschied ja auch gar nicht und das könnte dann tatsächlich dazu führen, dass so ein generelles Abschaffen des MHDs und Umständen dazu führt, dass man das Verbrauchsdatum immer ernst nimmt und dann vielleicht sogar das Risiko für mikrobiologische Verunreinigungen sogar steigt. Also Stichwort MHD abschaffen, ja für bestimmte Lebensmittel. Es gibt ja jetzt auch schon Lebensmittel, die kein MHD haben, zum Beispiel alkoholische Getränke, die so mehr als zehn Prozent Alkohol haben, Zucker, Essig, die haben eh schon kein MHD oder frische Lebensmittel, ja also wer eben an der Obst oder Gemüse-Theke Lebensmittel kauft oder lose Ware beim Bäcker oder an der Fleisch-Theke, die haben ja auch schon kein MHD und da verlässt man sich dann auch auf das, was man so als ja gesunden Menschenverstand bezeichnet und beurteilt dann eben selbst, ob das Lebensmittel noch genießbar ist. Und so könnte man tatsächlich dann eben auch weitere Lebensmittel von diesem MHD ausnehmen.
Jule Wäntig: Du hattest dabei den Honig angesprochen. Bei Ausgrabungen wurde der ja noch in Pyramiden gefunden und ich habe gehört, dass er der nach rein theoretisch genießbar gewesen wäre nach all den Jahren.
Thomas Henle: Ja, das ist eine tolle Geschichte, die man tatsächlich häufig liest im Internet und ich hatte da vor einiger Zeit tatsächlich mal versucht zu recherchieren. Tatsächlich ist Honig, wenn er weniger als 20 Prozent Wasser hat, das ist übrigens vorgeschrieben laut der Honigverordnung, vielleicht bei der Gelegenheit, wir werden ja bald eine spezielle Folge zum Thema Honig machen. Also wenn dieser Honig dieses 20 Prozent Wasser nicht überschreitet, das ist ja wirklich theoretisch unbegrenzt haltbar. Und man hat auch in der Tat in Pyramiden Honig als Grabbeigabe gefunden. Da gibt es tatsächlich auch Berichte, so aus den 1920er Jahren, in so Zeitschriften wie National Geographic zum Beispiel, weil wir das gefunden, ob jetzt der Honig aber noch genießbar war und ob den tatsächlich auch jemand gegessen hat. Dafür gibt es in der Tat keine wissenschaftlichen Belege. Also ich habe zumindest nichts gefunden, vielleicht hört jemand zu, der hier Belege hat oder Literatur uns nennen kann. Rein theoretisch wäre dieser Honig zwar noch haltbar, auch noch 2-3.000 Jahren, also Bakterien sind ja nicht gewachsen, aber aus chemischer Sicht sind 2.000 Jahre schon ziemlich lange. Also da kann es dann schon auch zu chemischen Reaktionen kommen, die jeder kennt, Stichwort Karamellisierung, was jeder kennt, wenn man Zucker erhitzt und dieses Karamellisieren kann dann natürlich im Laufe der 2.000 oder 3.000 Jahre auch passieren. Also ich vermute mal, ohne dass ich es belegen kann, dass dieser Honig zwar keine Bakterien hatte, aber wahrscheinlich ziemlich dunkelbraun und ziemlich karamellig und bitter schmecken würde, wenn ihn denn tatsächlich jemals jemand probiert hat.
Peer Kittel: Dann lasst uns zum Abschluss vielleicht nochmal auf die Frage vom Anfang zurückkommen. Würde denn nun die Abschaffung des MHD tatsächlich einen Beitrag zu weniger Lebensmittelverschwendung leisten?
Thomas Henle: Ich befürchte nein. Ich finde es wichtig und gut, dass man dieses Thema Lebensmittelverschwendung thematisiert. Das Thema, was tun wir gegen den menschgemachten Klimawandel sind natürlich eines der allerwichtigsten überhaupt und da gehört natürlich auch dann die Frage zur Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion dazu. Auch Änderungen im Essverhalten vielleicht. Und wenn man also dieses Thema Nachhaltigkeit diskutiert, dann stelle ich immer so ein bisschen fest, dass man das vielleicht wirklich größte Problem in diesem Zusammenhang eben die Lebensmittelverschwendung gar nicht so sehr im Vordergrund hat. Da geht es noch häufig um Änderungen im Essverhalten oder so. Aber wenn man tatsächlich immer auf der einen Seite berücksichtigt, dass 600, 700 Millionen Menschen auf der Welt nicht genug zu essen haben und wie in Deutschland, da gibt es aktuelle Berechnungen, pro Person etwa 80 Kilo pro Jahr wegschmeißen, dann ist das natürlich eine Diskrepanz, die eigentlich nicht akzeptabel ist. Von diesen 80 Kilo, das muss man wieder gleich ein bisschen relativieren, könnte man 40 Kilo problemlos vermeiden, der Rest sind also Sachen wie Kartoffelschalen oder Bananenschalen oder so. Aber da gibt es tatsächlich Berechnungen der FAO, also der Welternährungsorganisation, die sagt, dass man allein mit den Lebensmitteln, die in Amerika, in den weinigen Staaten und in Europa weggeschmissen werden, rund 500 Millionen Menschen ernähren könnte. Ich denke, dass allein ist natürlich ein Thema, was man ganz unbedingt immer in den Vordergrund stellen kann. So, ob jetzt das MHD da aber jetzt was dazu beiträgt, das mag ich zu bezweifeln, denn das meiste, was man wegschmeißt, das weiß natürlich auch jeder aus seiner eigenen Erfahrung, ist das, was in der Küche übrigbleibt, was meinetwegen im Restaurant bei Buffets zu viel genommen wird und dann weggeschmissen wird. Das sind frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse. Da muss man natürlich versuchen beizutragen, dass man da nicht mehr was wegschmeißt. Die Lebensmittel, die jetzt ein langes MHD haben, also zum Beispiel Mehl oder Reis oder so, die tragen meines Erachtens zur Lebensmittelverschwendung oder zum Lebensmittelabfall wirklich sehr, sehr wenig bei. Es ist also eine symbolische Diskussion. Da besteht vielleicht zur Werte Gefahr, dass man ein bisschen von dem zentralen Thema ablenkt, also sich mehr dann über die Industrie wieder aufregt, die dann MHDs zu kurz fast um die Leute damit zu motivieren, das Lebensmittelrechtzeitig wegzuschmeißen. Also ich finde es wichtig, das Thema Lebensmittelverschwendung in den Vordergrund zu stellen. Man kann einige Lebensmittel ausnehmen vom MHD, aber insgesamt, glaube ich, ist jeder Einzelne verantwortlich und auch gefordert, sich seinen Beitrag zu einer nachhaltigen Versorgung von Lebensmitteln zu leisten.
Peer Kittel: Liebe Jule, lieber Thomas, vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich nehme mir vor allem mit, dass es in meinem eigenen Interesse liegt, künftig die Lebensmittel sorgsamer zu prüfen, nicht nur im Hinblick auf die Frage, ob diese in den Müll gehören. Ja und wenn Sie an diesem Podcast Geschmack gefunden haben, können Sie immer monatlich auf der Webseite der TU Dresden und überall da, wo es Podcasts gibt, mit einer neuen Folge Rechnen. Wenn Sie Themenwünsche rund um Lebensmittel, Lebensmittelchemie oder Ernährung haben, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an lebensmittelchemie.podcast.tu-dresden.de. Bis zum nächsten Mal hier bei Food Facts, dem Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden.
- Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatumdatum - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
- Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatumdatum - Verbraucherzentrale
- Wie wird das MHD festgelegt?
- Wie wird das MHD festgelegt? - Lebensmittelverband
- Wie werden Lebensmittel konserviert?
- Wärmebehandlung von Milch
- Milch - Verbraucherzentrale
- Daten zum Thema Lebensmittelabfall - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
- Daten zum Thema Lebensmittelabfall - Thünen Report
- UNEP Food Waste Index Report 2021
Folge 2: Zusatzstoffe und E-Nummern – sind das wirklich alles Krankmacher?
****Mit diesem Beitrag nehmen wir am Fast Forward Science 2024 Wettbewerb teil. http://www.fastforwardscience.de - Drückt uns die Daumen! ***********#AudioAward, #BestesDebutAudio
In Folge 2 unseres Podcasts sprechen Peer Kittel und Jule Wäntig mit Lebensmittelchemiker Prof. Henle über Zusatzstoffe in Lebensmitteln und die berühmt-berüchtigten E-Nummern. Durch zahlreiche alarmierende Medienberichte sind diese Stoffe in den vergangenen Jahren stark in Verruf geraten. Viele Verbraucher:innen sind verunsichert. Wir klären die Fakten – was sind Zusatzstoffe, wie ist ihr Einsatz geregelt, ist das alles Chemie, machen uns diese Stoffe wirklich krank oder können wir Tütensuppen vielleicht doch ganz ohne Bedenken essen?
[Intro-Musik spielt]
Peer Kittel: Food Facts, der Lebensmittelchemiepodcast der TU Dresden. In unserer heutigen Folge sprechen wir über Zusatzstoffe in Lebensmitteln und decken auf, was hinter den berüchtigten E-Nummern steckt.
[Intro-Musik spielt]
Herzlich willkommen bei Food Facts, dem Lebensmittelchemiepodcast der TU Dresden. E-Nummern und Zusatzstoffe - Was steckt dahinter? Ist das wirklich alles Chemie und machen uns diese Stoffe vielleicht sogar krank? Diese und weitere Fragen wollen wir mit unserem Experten Prof. Thomas Henle klären. Wir, das sind Studentin Jule Wäntig und ich, Peer Kittel, Dezernent am Bereich Mathematik und Naturwissenschaften.
Insofern wie immer, hallo Jule, hallo Thomas.
Thomas Henle: Hallo Peer, hallo Jule.
Jule Wäntig: Hallo!
Peer Kittel: Unter Krebsverdacht, wenn das auf der Packung steht, besser Finger weg. - So titelt Focus Online einen Beitrag einer Ernährungsexpertin zu den berühmt berüchtigten E-Nummern. Ja, viele Verbraucher sind bei diesem Thema äußerst verunsichert. Thomas, kannst du diese Verunsicherung verstehen und warum haben denn so viele Leute speziell auch vor diesen E-Nummern so viel Angst?
Thomas Henle: Ich kann es ehrlich gesagt schon verstehen und es wäre jetzt wirklich zu einfach und vielleicht auch ein bisschen anmaßend, wenn man sagt, kommt, habt euch nicht so, alles ist gut.
Es ist eine komplexe Thematik und viele Verbraucherinnen und Verbraucher assoziieren eben mit E-Nummern Chemie und die öffentliche Wahrnehmung der Chemie ist einfach schlecht zurzeit. Da trug die Berichterstattung der letzten Jahrzehnte natürlich maßgebend dazu bei.
Man darf schon auch sagen, dass die Lebensmittelindustrie da auch nicht ganz unschuldig ist und auch immer noch zu einer gewissen Verunsicherung beiträgt.
Jule Wäntig: Ich kaufe super gerne Fleischersatzprodukte.
Meine Mutter ist davon aber absolut kein Fan, weil da sind ja so viele Zusatzstoffe drin.
Sie hat ja auch die ganzen reißerischen Schlagzeilen in den letzten Jahren mitbekommen.
Machen Zusatzstoffe mich denn jetzt krank?
Thomas Henle: Also eine ganz kompakte Antwort auf diese ganz kompakte Frage wäre, wenn einzelne Zusatzstoffe krank machen würden, dann wären sie nicht erlaubt, dann wären sie nicht zugelassen. Punkt.
Ich kann aber die Bedenken deinerr Mutter wirklich sehr gut nachvollziehen.
Da kommen vermutlich zwei Sachen zusammen. Zum einen die generelle Skepsis gegenüber neuen veganen Lebensmitteln und zum anderen eben diese Bedenken gegen Zusatzstoffe.
Das eine passt dann vielleicht sogar zum anderen.
Man assoziiert dann neue Lebensmittel mit der Verwendung von Zusatzstoffen und entsprechend resultieren solche Bedenken daraus.
Problematisch wird das Ganze halt vor allem deshalb, weil auch vermeintlich seriöse Ernährungsexpertinnen und Experten entsprechende Statements machen. Da gibt es beispielsweise Podcasts, in denen von Killer-Lebensmitteln gesprochen wird, die aus billigen Zutaten und Zusatzstoffen, das jetzt original zitiert, unser Leben um 15 bis 20 Jahre verkürzen soll. Solche Berichte von vermeintlich renommierten Expertinnen und Experten sind dann eben nicht nur wissenschaftlich unseriös, sondern die tragen dann auch massiv zu einer Verunsicherung bei und aus diesem Grunde muss ich mich ganz ehrlich gesagt immer sehr, sehr ärgern, wenn tatsächlich auch Fachkollegen oder Kolleginnen aus verwandten Disziplinen solche Statements loslassen.
Peer Kittel: Das ist ja dann auch ein Auftrag unseres Podcasts, dass wir da ein paar Sachen wieder ins rechte Licht rücken. Lass uns vielleicht mal ganz konkret auf die lebensmittelchemischen Grundlagen kommen. Was sind denn eigentlich Zusatzstoffe? Also wie sind sie definiert, wie werden sie verwendet?
Thomas Henle: Hier gibt es eine allgemeine Definition, die in etwa lautet Zusatzstoffe sind Stoffe, die man Lebensmitteln aus technologischen Gründen zusetzt, entweder um die störungsfreie und sichere Herstellung zu ermöglichen oder um die Eigenschaften während der Lagerung beispielsweise zu sichern. Die Eigenschaften sind dann Näherwert, Genusswert, die Sicherheit während der Lagerung, d.h. man versucht zu vermeiden, dass Bakterien wachsen usw. Man will Veränderungen verhindern, man will letztlich die Qualität während der Herstellung und die Qualität dann bis zur Verwendung durch die Verbraucherinnen und Verbraucher sichern. Und es betrifft dann Farbe, Konsistenz, Haltbarkeit, Geschmack.
Peer Kittel: Damit wird ja dann klar, wofür wir Zusatzstoffe überhaupt brauchen. Ist das eine Erfindung der neueren Zeit, sagen wir mal auch der chemischen Industrie oder wie lange gibt es denn Zusatzstoffe schon?
Thomas Henle: Ja das ist in der Tat ganz interessant, wenn man dann ein bisschen geschichtlich recherchiert, dann stellt man fest, dass man bestimmte Zusatzstoffe tatsächlich schon seit Jahrtausenden verwendet. Beispielsweise ist es das Räuchern von Fisch oder Fleisch, das ist letztlich nichts anderes als das Erzeugen von konservierenden Stoffen, die dann eben die Haltbarkeit des Produktes verlängern, für das Pökeln und das Einsalzen von Fleisch hat man seit Jahrtausenden Salpeter verwendet, also Nitrate, die letztlich als Konservierungsmittel wirken. Ein anderes Beispiel wäre Natron, was man als Backpulver seit Hunderten von Jahren einsetzt. Tatsächlich ist es aber natürlich schon so, dass durch die Industrialisierung, vor allem so seit Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts dann ganz viele Verbindungen in großem Maßstab isoliert, aus Naturstoffen oder eben auch synthetisiert werden konnten. Ja, und diesen Aufschwung, diesen großen Aufschwung an Zusatzstoffen, den brauchte es auch, und zwar wenn man so ein klein bisschen zurück geht, in die Zeit, so um die Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert. Da haben sich in ganz vielen Städten die Einwohnerzahlen extremst erhöht. Dresden, zum Beispiel von 1880 bis 1905 von 220.000 auf über 500.000 Menschen gewachsen. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es war für diese Menschen, die ja zum Teil in den ärmlichsten Verhältnissen leben mussten, wie schwierig es war, die Nahrungsversorgung sicherzustellen.
Und das gelang eben nur durch die verstärkt industrielle Herstellung. Und für die entsprechenden Lebensmittel waren dann eben unter andrerm auch Zusatzstoffe notwendig.
Jule Wäntig: Wie ist das jetzt mit dem Lebensmittelgesetz? Kann da eine Firma einfach einen süßeren Süßstoff oder eine neue Farbe erfinden oder herstellen und dann einfach in ihre Produkte mixen?
Thomas Henle: Also die Anwendung von Zusatzstoffen oder man sagt generell von fremden Stoffen, die sind im Lebensmittelgesetz ganz streng geregelt, und zwar europaweit. Da gibt es dann in einer entsprechenden EU-Verordnung, der ist 1333/ 2008, um ein bisschen Lebensmittelchemie-nerdig zu werden. Da gibt es dann die Liste an E-Nummern und dieses Lebensmittelgesetz regelt dann, dass einem Lebensmittel nichts zugesetzt werden darf, außer es ist explizit erlaubt. Wir haben das glaube ich schon angesprochen, in einer früheren Folge, das ist das sogenannte Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Ja und da gibt es dann eine Positiv-Liste, die gilt in allen Mitgliedstaaten der EU und da stehen die Stoffe drin, die Zusatzstoffe, die man verwenden darf.
Peer Kittel: Ja dann schauen wir doch mal direkt in die Liste auf der Webseite, der Verbraucherzentrale. Da ist da ja ein schönes Bild mit verschiedenen Lebensmitteln und den darin verwendeten E-Nummern. Ich lese da jetzt mal vor, was zum Beispiel für den Kochschinken steht: E150, E250, E407, E450, E621.
Das habe ich mal nachgeschaut, das ist Zuckerkulöhr, Nitrite, Carrageen, Phosphate und Glutamate. Das klingt ja dann schon nach sehr viel Chemie. Sind die jetzt alle in Anführungszeichen chemisch hergestellt, sind die künstlich oder findet man da auch Naturstoffe?
Thomas Henle: Insgesamt sind es rund 300 Stoffe, also die Liste schaut schon relativ groß aus im ersten Moment. Wenn man sich die aber ein bisschen näher anschaut, dann wird man feststellen, dass da ganz viele Komponenten drin sind, die entweder selbst Naturstoffe sind oder aus Naturstoffen hergestellt werden und die man so vielleicht auch in der eigenen Küche als Bestandteil von Zutaten verwenden würde. Und daneben gibt es dann eben einige Verbindungen, die tatsächlich synthetisch hergestellt werden und so in der Natur nicht vorkommen.
Und so könnte man vielleicht dann diese Zusatzstoffe aufteilen, also einmal aus Naturstoffen bestehend oder eben chemisch-synthetisch hergestellt und so in der Natur nicht vorkommend. Und das sind dann vor allen Dingen zum Beispiel einige Farbstoffe oder Süßstoffe, da findet man die größte Anzahl dieser synthetisch hergestellten Stoffe, die so in der Natur nicht vorkommen, während andere Gruppen zum Beispiel Dickungsmittel oder so praktisch ausschließlich aus Naturstoffen bestehen.
Jule Wäntig: Kannst du mal ein paar Beispiele nennen und vor allen Dingen, was tun diese Stoffe überhaupt?
Thomas Henle: Diese auf den ersten Blick recht zahlreichen Verbindungen, die könnte man jetzt wieder unterteilen, da gibt es dann 27 Klassen, die man jetzt nicht unbedingt einzeln besprechen muss. Man kann es so in die Wichtigsten vielleicht aufgliedern.Das sind Süßungsmittel, Süßstoffe, Zuckeraustauschstoffe, Farbstoffe, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker und Säurungsmittel, die machen das, was der Name ja schon sagt, ja und dann gibt es noch Antioxidantien und Dickungsmittel.
Das wären so die wichtigsten Anwendungsbereiche vielleicht.
Jule Wäntig: Da muss ich jetzt aber nochmal genauer nachfragen, was sind denn diese Dickungsmittel und Antioxidantien und was machen Emulgatoren?
Thomas Henle: Ich fange mal den Antioxidantien an, diese Verbindungen verhindern die Oxidation, d.h. die Bremsen gewissermaßen des ranzig werden von Fett. Das ist eine typische Reaktion, die in fetthaltigen Lebensmitteln ablaufen kann. Gleichzeitig stabilisieren sie Verbindungen, die ebenfalls durch den Kontakt mit Sauerstoff sich verändern würden. Das betrifft z.B. einige Aromastoffe, die dann ihren Geruch verlieren würden, wenn sie oxidieren. Dickungsmittel kennt man aus der eigenen Küche, das ist so etwas wie Stärke, was man hinein rührt, um die Soße eben zähflüssiger zu machen, also zu verdicken und Emulgatorenstabilisieren die Mischungen zwischen wässriger Phase, also beispielsweise Essig und einem Öl und sowas verwenden wir dann beispielsweise bei der Herstellung von Mayonnaise, um eben die Konsistenz zu stabilisieren.
Peer Kittel: Das leuchtet ein, wie ist das denn jetzt aber mit diesen E-Nummern, also woher kommt denn jetzt dieses System?
Thomas Henle: Also dieses System hat man eingeführt Anfang der 1960er Jahre, ich glaube es war 1962, da gab es die ersten E-WG-Nummern, wie man damals noch gesagt hat, das hat man damals dann verwendet zunächst mal für die Farbstoffe, da hat man dann die Nummer 100 bis 199 genommen, glaube ich, danach folgten dann die Konservierungsstoffe und folgend darauf hat man dann einige Jahre später dieses E-Nummern-System europaweit gültig eingeführt. Letztlich weiß jeder europaweit, wenn ich sage E 901, dass das Bienenwachs ist oder E 300 ist Ascorbinsäure, also Vitamin C. Man muss also sich jetzt nicht viele, viele verschiedene Übersetzungen merken, sondern jeder in Europa weiß, wenn ich eine Nummer nenne, dann ist da die entsprechende Verbindung gemeint.
Jule Wäntig: Jetzt habe ich diese Liste an Substanzen, ich möchte jetzt zum Beispiel eine Fertigkuchenmischung auf den Markt bringen, kann ich dann einfach alles, was auf der Liste steht, da reinkippen und dann es erlaubt? Oder wie funktioniert das?
Thomas Henle: So ist es nicht. Tatsächlich sind nicht nur die Verbindungen genau geregelt, sondern es ist auch deren Anwendung ganz genau festgelegt. Also da gibt es dann manche Stoffe, die man generell verwenden darf, aber auch in einer ganz bestimmten Menge, manche Stoffe sind nur für ganz bestimmte Lebensmittel zugelassen. Es gibt Lebensmittel, für die sind Zusatzstoffe überhaupt nicht zugelassen, zum Beispiel Honig oder Butter darf zum Beispiel überhaupt keine Zusatzstoffe enthalten, Säuglingsnahrung darf ebenfalls bestimmte Zusatzstoffe nicht enthalten, zum Beispiel Geschmacksverstärker, keine Farbstoffe, keine Süßstoffe.
Es ist also nicht nur die Art oder die Identität der Zusatzstoffe ist definiert, sondern auch deren Anwendung, auch deren Höchstmenge ist also streng geregelt, wenn man so will. Und dieses recht komplexe Regelwerk, was durchaus auch zu Beanstandungen führt, ist aber letztlich ein Ausdruck dafür, dass man diese Zusatzstoffe tatsächlich immer nur dann verwenden soll, auch immer nur in ganz bestimmten Mengen, wenn es eben aus technologischer Sicht notwendig ist.
Peer Kittel: Wie ist das mit den Bio-Lebensmitteln, die sind dann frei von Zusatzstoffen?
Thomas Henle: Nee, das ist nicht so, auch Bio-Lebensmittel dürfen Zusatzstoffe enthalten, da gibt es eine EU-Ökoverordnung, die genau regelt, was erfüllt sein muss, damit sich ein Lebensmittel als Bio-Lebensmittel oder ökologisch produziertes Lebensmittel bezeichnen darf und gemäß dieser Verordnung sind tatsächlich auch 56 Zusatzstoffe mit den entsprechenden E-nummern erlaubt. Also auch ein Bio-Lebensmittel darf E412 enthalten, das ist Guakernmehl oder 410, das Johannesbrotkernmehl, auch Konservierungsstoffe wie z.B. Schwefeldioxid, ist für Obstweine erlaubt oder Nitrat für Bio-Fleischerzeugnisse. Es ist ganz witzig vielleicht, was du vorhin vorgelesen hast, diese Liste an Zusatzstoffen in diesem Kochschinken, alle diese Stoffe, die da drin sind, außer den Geschmacksverstärkern und Farbstoffen, die darf man für Bio-Fleisch nicht verwenden, aber fast alle Stoffe, die du da vorgelesen hast, die wären genauso auch für einen Bio-Kochschinken zugelassen.
Peer Kittel: Gut zu wissen, jetzt haben wir die Liste der Zusatzstoffe und ja, wir haben generell über die Funktionen von Zusatzstoffen recht ausführlich gesprochen. Auf der anderen Seite gibt es ja aber auch Stoffe, die in Lebensmitteln zugesetzt werden, die wir bisher noch gar nicht erwähnt haben. Einerseits sage ich mal sowas wie diese Aromastoffe, die ja auch auf der Zutatenliste stehen und dann hätten wir zum Beispiel auch sowas wie Jodsalz. Also warum tut man jetzt überhaupt Jod in Salz und, warum tut man Jodsalz in Lebensmittel?
Thomas Henle: Also zu Aromastoffen muss man zunächst mal sagen, dass sie gemäß Lebensmittelgesetz jetzt keine Zusatzstoffe sind, sondern Aromen. Und es gibt hier eine Aromenverordnung, die eben deren Anwendung regelt. Es ist letztlich genauso konzipiert wie die Zulassungsregelung für die Zusatzstoffe. Das heißt, da gibt es eine Liste an Aromen, die man verwenden darf, da gibt es genaue Definitionen über welche Lebensmittel, mit welchen Gehalten.
Ich glaube über Aromen machen wir mal eine extra Folge, denn das ist sowohl aus chemischer wie aus Zulassungssicht ganz interessant. Das mit dem Jodsalz ist dann was ganz was anderes. Das ist jetzt ein funktionell oder ein biofunktioneller Stoff. Den setzt man zum Salz, um die Schilddrüsenunterfunktion zu vermeiden, den sogenannten Kropf. Das ist etwas, was es so bis in den 1960er, 1970er Jahre in großem Umfang gegeben hat, was daraus resultiert, dass Deutschland ein sogenanntes Jod-Mangelgebiet ist.Dass wir unseren täglichen Bedarf an Jod eigentlich nicht decken könnten mit unserer normalen Ernährung. Außer man würde jetzt pro Woche vier, fünf mal Fisch essen, was aber die wenigsten machen. Und aus dem Grund hat man sich dann in den 1960er Jahren sowohl in der BRD, wie auch in der DDR entschieden, aus vorbeugendem Gesundheitsschutz das Salz mit Jodat anzureichern und auf die Art und Weise dann diesen Jod-Mangel in der Bevölkerung gewissermaßen zu beheben.
Jule Wäntig: Wenn ich jetzt für meine hypothetische neue Backmischung einen neuen Farbstoff erfinde und der wird zugelassen, ist er dann für immer zugelassen oder muss er immer wieder seine Unbedenklichkeit beweisen?
Thomas Henle: Also Fakt ist, das hast du richtig gesagt, dass so ein Zusatzstoff zugelassen werden muss, was sehr, sehr aufwendig ist. Wenn du in deinem Chemielabor im Keller, Jule, einen Farbstoff isolieren würdest, dann müsstest du erst einmal nachweisen, dass es den überhaupt braucht. Das heißt, dass der technologisch sinnvoll ist und bessere Eigenschaften hat, als die Farbstoffe beispielsweise, die es schon gibt. Ja, und dann muss der Hersteller nachweisen, dass der Zusatzstoff sicher ist. Das heißt, man muss das zunächst mal prüfen, ob der sich im menschlichen Körper anreichert, wie er verstoffwechselt wird, wie er mit anderen Nahrungsinhaltsstoffen beispielsweise wechselwirkt. Das heißt, es muss also die Sicherheit dokumentiert werden, auch bis hin zu einer toxikologischen Relevanz. Dazu muss man dann beispielsweise in Tierversuchen durchführen. Und das Ganze ist natürlich superaufwendig. Das dauert dann auch viele, viele Jahre, bis man entsprechende Dokumente bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit einreichen kann. Und die prüft dann, ob die Daten, die die Hersteller vorlegen, wirklich überzeugend sind oder ob es vielleicht noch weitere Untersuchungen braucht. Ja, und sowas zieht sich dann viele, viele Jahre hin, ist sehr aufwendig, sehr teuer. Und das führt natürlich dann letztlich auch dazu, dass in den letzten Jahren nur sehr, sehr wenige Zusatzstoffe wirklich neu zugelassen wurden. Vielleicht bei der Gelegenheit, das muss man nicht nur einmal machen, und dann ist der für immer und ewig zugelassen, sondern diese Zusatzstoffe werden immer in regelmäßigen Abständen überprüft. Also beispielsweise auch das Saccharin, was Anfang des 20. Jahrhunderts zugelassen wurde, was seit 100 Jahren als Zusatzstoff verwendet wird, muss sich in regelmäßigen Abständen immer wieder einer neue Bewertung stellen. Da gucken dann die Behörden, ob es neue Publikationen gibt, neue Berichte, die vielleicht eine neu potenziell schädliche Wirkung dokumentieren. Und dann wird geprüft, ob die Zulassung aufrechterhalten werden kann, ob es vielleicht weitere Vorgaben braucht, ob die Zulassung eingeschränkt werden kann oder ob man vielleicht den Stoff tatsächlich aus dem Verkehr zieht.
Peer Kittel: Damit werden wir dann nochmal beim Thema Risiken. Lass uns da vielleicht nochmal kurz darauf eingehen, denn wie einleitend schon dargestellt, ist das sicherlich das Thema, was die allermeisten Menschen auch umtreibt. Also vielleicht nochmal grundlegend die Frage, sind Zusatzstoffe schädlich für die Gesundheit? Also gibt es gesundheitliche Risiken bedingt durch Zusatzstoffe, zum Beispiel weil man jetzt viele Fertiggerichte mit Zusatzstoffen ist. Sehr häufig fällt da ja in jüngerer Zeit dann auch der Begriff der hochverarbeiteten Lebensmittel, die gerade eben wegen der Zusatzstoffe besonders ungesund sein sollen.
Thomas Henle: Also auch das müssen wir vielleicht detailliert aufarbeiten irgendwann in der nächsten Zeit. Denn dieses Thema hochverarbeitete Lebensmittel ist in der Tat etwas, was momentan sehr, sehr intensiv und sehr, sehr kontrovers diskutiert wird. Es gibt eine ganze Reihe von epidemiologischen Studien, die zeigen wollen, dass der Verzehr von industriell produzierten Lebensmitteln einhergeht mit allen möglichen gesundheitlichen Konsequenzen. Das ist zum einen wissenschaftlich begründbar durch die Energiedichte, also ganz profan, viel Essen führt zu viel Kalorien, führt unter Umständen zu Übergewicht und zu ernährungsbedingten Krankheiten. Der Umkehrschluss aber jetzt, der sehr häufig in dieser Literatur dann gemacht wird, dass hochverarbeitete Lebensmittel per se und dann möglicherweise auch die Zusatzstoffe für diese potenziellen Gesundheitsschäden verantwortlich sind. Dieser Umkehrschluss ist wissenschaftlich nicht belegt. Das heißt, das sind Scheinkorrelationen, die momentan, wie gesagt, sehr, sehr intensiv und sehr kontrovers in der wissenschaftlichen Community diskutiert werden. Es ist unumstritten, dass wir in Deutschland ein Gesundheitsproblem haben, resultierend unter Umständen aus Fehlernährung. Aber um es auf den Punkt zu bringen, Konservierungsstoffe oder Zusatzstoffe dafür verantwortlich zu machen, ist schlichtweg nicht wissenschaftlich belegbar.
Jule Wäntig: Jetzt gibt es einige Zusatzstoffe, die bekannter sind als andere, vor allem weil sie als typisch negative Beispiele gelten und einige Menschen da regelrecht Angst davor haben. Dazu zählt der Geschmacksverstärker Glutamat oder der Süßstoff Aspartam. In meiner WG gibt es seit einigen Monaten eine kleine Tüte Glutamat, weil es bei manchen Rezepten mit drin steht. Sollten wir uns eine Alternative suchen?
Thomas Henle: Nein, macht es nicht. Wenn es euch schmeckt und wenn ihr das gut brauchen könnt, dann macht es auch weiter, denn da gibt es mittlerweile so viele Berichte, auch in sehr guten Videos auf YouTube oder in Podcasts, die eindeutig zeigen, dass es keine Glutamatüberempfindlichkeit gibt. Es gibt keine adversen Reaktionen auf die Zufuhr von Glutamat. Das ist auch wissenschaftlich mittlerweile belegt. Beim Aspartam ist es so, dass es da Publikationen gab, die von einer potenziellen krebserregenden Wirkung gesprochen haben. Aber da ist vielleicht ganz interessant, dass die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gerade im letzten Jahr, 2023, beide Stoffe, also Glutamat und Aspartam neu bewertet haben und letztlich festgestellt haben, um es ganz kompakt darzustellen, dass es keine Gründe gibt, die Zulassung für Glutamat in irgendeiner Weise zu relativieren. Es gibt ADI-Werte, also Werte an Mengen an diesen beiden Stoffen, die man pro Tag nicht überschreiten soll. Diese ADI-Werte werden bei normalem Verzehr nie erreicht, also insofern sind beide Stoffe sicher.
Jule Wäntig: Wenn du jetzt sagst, dass es keine echten Belege für eine Glutamatüberempfindlichkeit gibt, gibt es denn Zusatzstoffe, wo bewiesen ist, dass sie Allergien auslösen oder Überempfindlichkeit?
Thomas Henle: Ja, das gibt es schon und auch das ist dann wiederum wissenschaftlich eindeutig belegt. Es gibt eine Sulfitüberempfindlichkeit, also es gibt Menschen, die sind empfindlich gegen geschwefelte Lebensmittel, also zum Beispiel gegen geschwefelten Wein oder gegen Trockenobst. Das ist eine sehr seltene Pseudoallergie. Pseudoallergie heißt jetzt nicht, dass die sich das nur einbilden oder so, sondern es ist eine allergische Reaktion ohne die Beteiligung des Immunsystems. So was gibt es auch für bestimmte Farbstoffe, so genannte Azofarbstoffe, den gelben Farbstoff Tatrazin, E102 heißt der, der hat man früher in gelben Gummibärchen verwendet und da können eben solche Pseudoallergien ausgelöst werden. Es ist mit Juckreiz, Hautrötungen usw verbunden. Das ist aber wirklich sehr, sehr selten und die Mengen, die man dafür dann in den Studien benötigt, um so was tatsächlich auszulösen, sind so hoch, dass man sie in Lebensmitteln eigentlich nie erreicht, sodass dann eben weiterhin beides, sowohl Sulfit als auch der gelbe Farbstoff, in bestimmten Maximalmengen weiterverwendet werden darf.
Peer Kittel: Gibt es denn also umgekehrt gefragt Zusatzstoffe, die mal erlaubt waren und die dann verboten wurden? Ich habe glaube, ich habe gelesen, dass es Farbstoffe gibt, die bei Kindern ganz besondere Berühmtheit erlangt haben, weil sie zu einer Hyperaktivität führen sollen. Was hat es denn damit aus sich?
Thomas Henle: Ja, das ist tatsächlich so und das ist insofern auch ein Beleg, wenn ich mal so sagen darf, für das Verantwortungsbewusstsein der Zulassungsbehörden. Es gab vor einigen Jahren Berichte, das war glaube ich so 2008, 2009, dass dieser gelbe Farbstoff Tatrazin bei Kindern eventuell Hyperaktivität auslösen kann. Auch in sehr hohen Konzentrationen, Konzentrationen, die viel höher sind, das man in Lebensmitteln eigentlich anwendet. Aber all das hat dann letztlich dazu geführt, dass die EU-Kommission sich entschieden hat, einen Warnhinweis vorzuschreiben. Das heißt, wenn jetzt Lebensmittel Tatrazin enthalten oder andere Azofarbstoffe, das ist die Gruppe an Farbstoffen zu denen das Tatrazin gehört, dann muss auf denen draufstehen, "Kann die Aktivität und die Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen". Also ein Warnhinweis für etwas, was eigentlich wissenschaftlich sehr sehr umstritten ist. Und ein besseres Beispiel vielleicht noch für die tatsächliche Rücknahme einer Zulassung ist das Titandioxid.
Das ist ein weißes Farbpigment mit der E-Nummer 171. Das hat man verwendet für glänzende Überzüge von Lebensmitteln. Und es wurde vor kurzem von der EFSA, von der Europäischen Behörde für Lebensmittesicherheit verboten, weil man eben festgestellt hat, dass es sich im Körper anreichern kann, dass es nicht komplett ausgeschieden wird, dass es eventuell erbgutschädigend oder vielleicht sogar krebserregend wirken kann. Und diese Sicherheitsbedenken haben dann dazu geführt, dass Titandioxid im Januar 2022 aus dem Verkehr gezogen würde.
Peer Kittel: Darin kann man ja dann ganz gut sehen, dass es da doch ein Regelmechanismus gibt, der ganz gut funktioniert.
Thomas Henle: Ja, genau.
Peer Kittel: Wir haben jetzt über das Thema Schädlichkeit von Zusatzstoffen gesprochen und vor allem auch festgestellt, dass die Bedenken einigermaßen unbegründet sind. Jetzt muss sich die Lebensmittelindustrie aber auch immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, dass sie vielleicht ein bisschen trickst und die Verbraucher:Innen da auch in gewisser Weise manchmal hinters Licht geführt werden. Das geht ja dann schon mit solchen Labels los, wie zum Beispiel "Frei von Zusatzstoffen". Also täuscht man da nicht am Ende etwas vor, was es so gar nicht geben kann?
Thomas Henle: Ja, das ist schon ein Punkt, der es wirklich wert ist, kritisch darüber mal zu diskutieren. Das mit diesem Tricksen und Täuschen ist natürlich ein Vorwurf, den sich die Industrie immer fallen lassen muss. Aus wissenschaftlicher Sicht würde ich vielleicht ein kleines bisschen mehr Seriosität mir wünschen, denn ich bin der Meinung, dass es dieses "Frei von" überhaupt nicht braucht, aber letztlich suggeriert man den Verbraucherinnen und Verbrauchern damit eine bessere Qualität, wenn sie eben das Lebensmittel frei von Konservierungsstoffen ist, was eigentlich gar nicht notwendig ist, denn selbst mit Konservierungsstoffen wäre die Qualität wahrscheinlich genauso gut. Tatsächlich gibt es hier strenge Regeln. Das muss man vielleicht noch mal zunächst aus lebensmittelrechtlicher Sicht sagen. Man darf beispielsweise "Ohne Konservierungsstoffe" nicht draufschreiben, wenn das Lebensmittel von vornherein keine Konservierungsstoffe enthalten darf. Joghurt zum Beispiel darf keine Konservierungsstoffe enthalten. Entsprechend darf man das nicht explizit ausloben, denn das wäre eine sogenannte Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Aber um vielleicht noch mal so ein bisschen auf die ganz, ganz am Anfang einleitende Diskussion, wer ist denn verantwortlich für diese ganze Verwirrung und für dieses ganze Unwohl zum Thema Konservierungsstoffe, zum Thema Zusatzstoffe zurückzukommen. Letztlich tragen aus meiner Sicht solche Werbemaßnahmen im Sinne von "Unsere Lebensmittel enthalten keine Zusatzstofforte. Wir sind nur reine Natur" genau dazu bei, dass die Verunsicherung unter den Verbraucher:Innen immer größer wird. Denn wenn man das draufschreibt, unser Lebensmittel enthält keine Zusatzstoffe, dann assoziiert man damit eine bessere Qualität, einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern. Und das ist aus meiner Sicht eigentlich schlichtweg nicht notwendig. Denn wenn sich alle an die gesetzlichen Regelungen halten, dann ist ja eigentlich alles gut. Und von daher muss man sich jetzt nicht unbedingt irgendwo was auf die Fahne schreiben oder auf die in die Werbekampange mit einbauen, was letztlich eigentlich dann für die Verbraucherinnen und Verbraucher keinen wahnsinnsgroßen Zusatzinformationsgehalt hat.
Jule Wäntig: Eine Welt ohne jegliche Konservierungsstoffe, um allen die Angst zu nehmen, wäre das überhaupt möglich?
Thomas Henle: Nö. Um es ganz klar zu sagen, wir haben ja einleitend diskutiert, viele Zusatzstoffe verwenden wir unbewusst als Teil unserer Zutaten. Manche Zusatzstoffe sind für die Ernährung der Weltbevölkerung unbedingt notwendig. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir eine steigende Weltbevölkerung mit Lebensmitteln versorgen müssen in den nächsten Jahrzehnten und was ohne industrielle Lebensmittel und auch ohne Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe beispielsweise, niemals funktionieren wird. Also eine Welt ohne Zusatzstoffe ist praktisch ausgeschlossen. Man kann sich natürlich selber ein bisschen den Kopf machen, wie versuche ich, wenn ich das möchte, die Verwendung von Zusatzstoffen zu vermeiden. Das kann man, indem man auf die Verpackung guckt, Zusatzstoffe müssen da draufstehen. Und wenn ich sie nicht haben will, aus welchen Gründen auch immer, dann kaufe ich halt die Produkte, die sie nicht enthalten. Und man wird dann sehr schnell feststellen, dass tatsächlich Zusatzstoffe in der Regel gar nicht mehr so häufig verwendet werden. Ja, und da muss man noch einen Punkt mit in die Diskussion bringen, der vielleicht über allem steht und der uns vielleicht in jeder Folge irgendwo als übergeordnetes Thema mit beschäftigen wird. Lebensmittel sind häufig zu billig. Klingt jetzt ein bisschen provokativ, aber wer glaubt, für einen Wurstaufschnitt 39 Cent pro 100 Gramm zahlen zu müssen und dann hochwertig das Biofleisch mit ausgewählten Kräutern oder Gewürzen erwartet, das ist schlicht und einfach nicht möglich. Das heißt, wer damit hochwertige Qualität erreicht, der muss damit rechnen, dass dann Dickungsmittel, Konservierungsstoffe, Aromastoffe verwendet werden. Letztlich hat es also jeder selber in der Hand. Wer Zusatzstoffe vermeiden möchte, der kann das problemlos machen und wer dann doch ab und zu eine Tütensuppe oder eine Dose sich aufmacht,der muss nun wirklich keine Angst haben, was Zusatzstoffe anbelangt. Diese Tüten und diese Dosen sind viel, viel besser als ihr Ruf und letztlich ist dann alles andere Geschmackssache.
Peer Kittel: Mit diesem passenden Statement und mit dieser Zusammenfassung und der Fokussierung des mündigen Konsumenten, sind wir dann schon am Ende der heutigen Folge angekommen. Wie immer, vielen Dank, lieber Thomas, dass du deinen Expertenwissen mit uns geteilt hast und ich denke schon, dass du das Thema E-Nummern Zusatzstoffe so beleuchtet hast, dass wir das jetzt deutlich besser einordnen können.
Und wenn Sie Geschmack an unserem garantiert zusatzstofffreien Podcast gefunden haben, dann hören Sie gerne auch in unseren weiteren Folgen hinein. Unseren Podcast gibt es immer monatlich auf der Webseite der TU Dresden und überall da, wo es Podcasts gibt. Wenn Sie Themenwünsche rund um Lebensmittel, Lebensmittelchemie oder Ernährung haben, dann schreiben Sie uns auch gerne eine E-Mail an lebensmittelchemie.podcast@tu-dresden.de.
Das war Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden.
Bis zum nächsten Mal.
Folge 1: Lebensmittel-Kennzeichnung - Was muss alles auf Lebensmitteln drauf stehen und warum?
In unserer ersten Folge wollen wir uns dem Thema „Lebensmittel-Kennzeichnung“ widmen. Auf den Lebensmittelverpackungen machen die Hersteller viele Angaben: Nährwerte, Inhaltsstoffe, Allergene, etc. Für Verbraucher:innen ist es oft nicht leicht, die Übersicht zu wahren. Mit unserem Experten Thomas Henle wollen wir darüber sprechen, warum so viele Angaben zu den Lebensmitteln gemacht werden, was diese bedeuten und wir werden die Frage klären, ob die Kennzeichnungen tatsächlich immer wissenschaftlich korrekt sind.
Peer Kittel: Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden. Folge 1, ein Beipackzettel für Lebensmittel. Was muss alles auf Lebensmitteln draufstehen und warum?
[Intro-Musik spielt]
Peer Kittel: Ja Herzlich willkommen zu unserer neuen Podcast-Reihe Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden. Darin sprechen wir mit Lebensmittelchemiker Prof. Thomas Henle von der Technischen Universität Dresden über aktuelle Themen rund um Lebensmittel und Ernährung. Wir erklären die wissenschaftlichen Hintergründe, räumen mit Mythen und Fake News auf und werden auch den ein oder anderen persönlichen Tipp unseres Experten einholen. Wir, das sind Studentin Jule Wäntig und ich, Peer Kittel, Bereichsdezernent am Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Insofern, ich begrüße euch. Hallo Jule, hallo Thomas.
Thomas Henle: Hallo Peer, hallo Jule.
Jule Wäntig: Hallo!
Peer Kittel: In unserer ersten Folge wollen wir uns dem Thema Lebensmittelkennzeichnung widmen. Auf den Verpackungen steht ja viel drauf. Nährwerte, Inhaltsstoffe, Allergene und so weiter. Mit unserem Experten Thomas Henle wollen wir darüber sprechen, warum so viele Angaben zu den Lebensmitteln gemacht werden, was diese bedeuten. Und wir werden die Frage klären, ob die Kennzeichnungen tatsächlich immer wissenschaftlich korrekt sind. Jule, du hast dich mal umgehört?
Jule Wäntig: Ich habe mich in Vorbereitung auf diese Folge mal unter meinen Freund:innen und Bekannten umgehört und habe die gefragt, lest ihr euch überhaupt durch, was da drauf steht? Und ein Drittel hat gesagt, nee, schaue ich mir nicht an. Dafür hat aber ein Drittel gesagt, ja, aber nur bei Lebensmitteln, die ich noch nicht kenne. Und dann ein Drittel hat gesagt, nee, schaue ich mir nicht an. Dafür hat aber ein Drittel gesagt, ja, aber nur bei Lebensmitteln, die ich noch nicht kenne. Und dann ein Drittel hat gesagt, ja, immer. Und die meisten achten eben darauf, ist was Tierisches drin, wie viel Zucker, wie viel Fett ist drin, ist Alkohol drin. Und überraschend viele gucken einfach nur aufs Eiweiß.
Thomas Henle: Interessante Umfrage. Und mit dieser Umfrage bist du eigentlich ganz gut, genau in dem Bereich, was auch tatsächlich durch wissenschaftliche Umfragen herausgekommen ist. Da gab es vor einigen Jahren eine Studie von Kolleginnen und Kollegen von der Uni in Łódź in Polen. Die haben für polnische Verbraucherinnen und Verbraucher getestet und gefragt, lest ihr überhaupt, was draufsteht auf Lebensmitteln? Und in der Tat kam so ganz grob raus, etwa die Hälfte der Befragten lesen die Labels bzw. die Aufschriften. Und letztlich gab es gar keine großen Unterschiede, egal ob jetzt Männer oder Frauen. Es war auch mehr oder weniger unabhängig vom sozioökonomischen Stand bzw. dem Einkommen. Also letztlich der Hälfte ist es egal und die andere Hälfte liest es. Also insofern passt eine Umfrage da eigentlich ganz gut ins Bild.
Jule Wäntig: Ich habe hier so ein Knuspermüsli. Da kenne ich sehr gut, die Verpackung, weil ich das beim Frühstück sehr oft durchgelesen habe. Hier stehen ganz viele Sachen drauf, ein paar Zutaten, die ich sehr gut kenne, ein paar, die ich nicht so kenne. Was muss denn da alles draufstehen auf der Verpackung?
Thomas Henle: Also diese Verpackungsbeschriftungen sind natürlich für diejenigen, die sie erstellen müssen durchaus eine gewisse Herausforderung, wenn man so will, ist diese Kennzeichnung, so eine Art Wissenschaftskommunikation. Und Wissenschaftskommunikation hat immer das Problem, dass es auf der einen Seite möglichst fachlich korrekt informieren soll, auf der anderen Seite aber auch natürlich von jedem verstanden werden soll. Und diese Ambivalenz kommt auch so ein bisschen zum Ausdruck auf den Verpackungsbeschriftungen. Also manchmal ist es wissenschaftlich ein bisschen grenzwertig, man hat vielleicht etwas zu vereinfacht und für manche andere dann wieder zu kompliziert. Also man kann es festlegen, es gibt eine sogenannte Lebensmittelinformationsverordnung, die ist auf der Basis einer entsprechenden EU-Verordnung festgelegt worden. Die gilt in Deutschland seit 2014 und da ist dann ganz genau festgelegt, was auf Lebensmitteln draufstehen muss.
Peer Kittel: Thomas, ich glaube, wenn ich mir das Knuspermüsli hier mal ein bisschen genauer anschaue, das musst du noch ein bisschen näher erläutern. Fangen wir mal mit der Zutatenliste an. Ich lese einfach mal vor. Wir haben 55 Prozent Vollkorn-Haferflocken, dann Zucker, Sonnenblumenöl, Weizenmehl, Glucose Sirup, 5 Prozent Vollmilchschokolade und so weiter und so fort. Gibt es ein System oder wie ist das geregelt? Woran müssen sich die Herstellerfirmen dann halten?
Thomas Henle: Also in der Tat ist diese LMIV, die Lebensmittelchemikerinen, Lebensmittelchemiker, kürzen Sie mal gerne ab, diese Informationsverordnung regelt wirklich ganz explizit, was draufstehen muss. Da geht es dann um die Bezeichnung des Lebensmittels, um die Füllmenge, um den Hersteller, die Adresse und so weiter. Aus lebensmittelchemischer Sicht interessant ist es jetzt, dass es ein paar so Vorgaben gibt, die eben ganz genau regeln, was quasi im Lebensmittel drin ist sozusagen, beziehungsweise was festgeschrieben wird. Da ist es die Zutatenliste, also die einzelnen Rezepturbestandteile. Das ist der eine ganz wichtige Punkt. Der zweite Punkt ist dann, dass darin auch Zusatzstoffe mit aufgeführt werden müssen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sogenannte Allergen-Kennzeichnung, eigentlich genauer gesagt die Kennzeichnung von Stoffen, die jetzt Allergien oder Überempfindlichkeiten auslösen. Und der dritte Punkt ist die sogenannte Nährwert-Kennzeichnung, also die Zahl tatsächlich, wie viel Prozent eines Inhaltsstoffs sind drin. Das sind die drei, ich möchte mal so sagen, aus lebensmittel-chemischer Sicht spannendsten Sachen. Und dazu kommt dann noch das Mindesthaltbarkeitsdatum, was natürlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher auch ein sehr, sehr wichtiger Punkt ist.
Jule Wäntig: Jetzt sehe ich hier in der Zutatenliste, dass bei der Vollmilchschokolade steht 5 Prozent davor. Und es gibt auch so zwei andere Zutaten, die haben eine Prozententgabe, aber ganz viele andere nicht. Warum das denn?
Thomas Henle: Also zunächst einmal ist diese Zutatenliste so ansortiert, dass die Zutat, die am meisten drin ist, immer als erstes kommt und in absteigender Reihenfolge werden dann die anderen Bestandteile sortiert und für einige Bestandteile, die werden dann in Prozentangaben mit angegeben, also zum Beispiel 5% Schokolade oder 10% Milchpulver oder so und zwar immer dann, wenn sie in der Bezeichnung des Lebensmittels besonders herausgehoben werden. Wenn es zum Beispiel heißt Knuspermüsli mit Schokolade oder so, dann muss der Schokoladenanteil 5 Prozent oder wie auch immer in der Zutatenliste entsprechend genannt werden.
Peer Kittel: Jetzt hatten wir die Zutaten, wir haben die Prozentangaben. Was ja für viele auch wichtig ist, insofern sollten wir darauf noch mal ein bisschen genauer eingehen, ist das Thema Allergenkennzeichnung. Was hat es denn damit auf sich?
Thomas Henle: Diese Allergenkennzeichnung ist vor gut 20 Jahren eingeführt worden und findet sich jetzt auch wieder in dieser Lebensmittelinformationsverordnung. Tatsächlich umfasst es die 14 häufigsten Auslöser von Allergien bzw. Unverträglichkeiten. Und das ist eine Liste von Inhaltsstoffen, wie zum Beispiel Auslöser der Erdnussallergie, Allergien gegen Fisch, Eier, Milch. Alle diese Lebensmittel oder Lebensmittelbestandteile müssen dann entsprechend auf der Verpackung gekennzeichnet werden. Neben Allergien sind es dann aber auch solche Sachen wie zum Beispiel Laktose, was eine Laktosintoleranz auslösen kann bei empfindlichen Menschen. Oder Überempfindlichkeiten gegen Sulfit, also gegen das Schwefeln von Lebensmitteln. Auch da gibt es ganz wenige Menschen, die das haben, aber auch für die muss das dann entsprechend gekennzeichnet werden. Ja, und das muss auf der Verpackung deutlich gemacht werden. Und da gibt es jetzt verschiedene Möglichkeiten. Entweder es wird explizit erwähnt, Allergene, Doppelpunkt, und dann werden die Substanzen aufgelistet. In der Regel hebt man diese Inhaltsstoffe durch eine Kenntlichmachung in der Zutatenliste hervor, indem man sie fettdruckt oder in Großbuchstaben aufschreibt und auf die Art und Weise den Verbrauchern und Verbrauchern anzeigt, dass die entsprechenden Inhaltsstoffe drin sind.
Peer Kittel: Das klingt ja ganz gut, wenn da jetzt für Menschen mit einer Allergie das Risiko erkannt und verringert wird. Nun steht da ja aber manchmal drauf, "kann Spuren von... enthalten". Letztlich führt das die Kennzeichnung dann wieder ad absurdum, wenn man als Allergiker damit rechnen muss, dass doch alle möglichen Allergene drin sind. Also woher kommen dann denn wieder solche Aufschriften?
Thomas Henle: Ja, da ist schon was dran. Das ist in der Tat so, dass man dann bei manchen Lebensmitteln, wenn man so will, fast die gesamte Allergen-Kennzeichnungsverordnung mit "kann möglicherweise irgendwie drin sein". Man muss sich jetzt aber so ein bisschen in die Hersteller versetzen, denn das große Problem bei Allergien vor allen Dingen ist, dass es keine echten Grenzwerte gibt. Das heißt, im Gegensatz zu manchen anderen Inhaltsstoffen, wo man sagen kann, wenn unter zum Beispiel einer bestimmten Menge an Laktose im Lebensmittel drin ist, dann vertragen auch Laktose Unverträgliche diese betreffenden Lebensmittel. Und das ist bei Allergien nicht so. Da kann man also nicht sagen, eine Mindestmenge ist auch von Allergikern verträglich. Und aus dem Grunde sichern sich die Hersteller letztlich ab. Das heißt, insbesondere zum Beispiel bei diesem Müsli, was wir hier diskutieren, da kann es natürlich sein, dass auf dieser Produktionslinie des Schokomüsli vielleicht vorher ein Müsli produziert wurde, bei dem dann beispielsweise Erdnüsse mit drin waren. Und winzige Spuren, selbst wenn man die Anlage noch so sauber macht, könnten ja dann für die nächste Produktion mit ins Lebensmittel gelangen, unter Umständen dann bei besonders sensiblen Menschen Allergie auslösen. Und aus diesem Grunde sichern sich die Hersteller ab, indem sie dann letztlich sagen, wir können es einfach nicht ausschließen, dass winzigste Mengen des betreffenden Allergien drin sind. Inwiefern das dann hilfreich ist für Menschen mit Allergie, steht natürlich in der Tat zur Diskussion. Aber ich glaube, dass Menschen, die tatsächlich so starke Allergien haben, auch besonders vorsichtig von sich aus sind und dann vielleicht sogar auf diese Zusatzinformation gar nicht so sehr angewiesen sind.
Jule Wäntig: Kommen wir mal zu den Zusatzstoffen. In der Schule habe ich eine Hausarbeit zur E-Nummer geschrieben. Da habe ich eine Fertigpizza analysiert und weiß aber auch nicht mehr ganz so genau, was es mit denen auf sich hat.
Thomas Henle: Ja, Zusatzstoffe ist ein wichtiges Thema und ich denke, da müssen wir uns auch in den nächsten Monaten mal mit einer extra Folge beschäftigen. Vielleicht jetzt nur in diesem Zusammenhang. Zusatzstoffe sind ja Stoffe, die einem Lebensmittel zugesetzt werden, zum einen aus technologischen Gründen, um die Verarbeitbarkeit zu verbessern. Vor allen Dingen aber auch, um sichere Lebensmittel zu produzieren. Das heißt, um für die Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmte Risiken, beispielsweise eines mikrobiellen Verderbs, zu minimieren. Definiert sind Zusatzstoffe als Stoffe, die den Nährwert oder den Gebrauchswert und die Qualität des Lebensmittels sichern oder verbessern. Auch das ist ganz, ganz streng geregelt in der Europäischen Union. Da gibt es eine definierte Liste von Zusatzstoffen. Das ist diese berühmte Liste mit den E-Nummern. Und die EU bzw. das Lebensmittelgesetz funktioniert da nach dem sogenannten Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. So heißt es ganz großspurig. Was bedeutet, eigentlich ist alles verboten. Das heißt, man darf Lebensmittel nicht zusetzen, außer das, was explizit erlaubt ist. Und dieser Erlaubnisvorbehalt findet sich dann eben in entsprechenden Listen, also dieser Zusatzstoffliste, wo dann eben die Verbindungen aufgelistet sind, die man Lebensmitteln zugeben darf. In der Regel wird dann noch festgelegt, wie viel von dem Zusatzstoff für welche Lebensmittel und so weiter.
Peer Kittel: Wie du schon gesagt hast, das Thema Zusatzstoffe, E-Nummern werden wir sicher in einer der nächsten Folgen nochmal ein bisschen ausführlicher beleuchten. Lass uns vielleicht noch zur dritten Komponente zurückkehren, die du ja vorhin aufgezählt hattest, nämlich das Thema Nährwertkennzeichnung. Ich schaue nochmal in unsere Tabelle rein. Da steht für die einzelnen Stoffe ja der genaue Anteil im Lebensmittel drin. Ich sage mal 15 Gramm Fett, davon 2,5 Gramm Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate 66 Gramm, Ballaststoffe 6,7 Gramm und so weiter und so fort. Kannst du das noch ein bisschen näher beleuchten?
Thomas Henle: Also diese Nährwertkennzeichnung, so heißt es, ist seit einigen Jahren ebenfalls Pflicht. Und da gibt es nun eine bestimmte Menge an Inhaltsstoffen, also an chemisch definierten Inhaltsstoffen, die gekennzeichnet werden müssen. Die Lebensmittelchemie spricht da von den Big Seven, den großen Sieben, die entsprechend in dieser Nährwerttabelle dann aufgeführt werden müssen. Ich kann die kurz aufzählen. Es ist Fett und davon dann die gesättigten Fettsäuren. Das sind die Kohlenhydrate, davon dann die Zucker. Es ist das Eiweiß und das Salz. Das wären jetzt sechs Inhaltsstoffe. Und der siebte, dieser Big Seven, ist der Energiegehalt in Kilokalorien beziehungsweise in Kilojoule pro 100 Gramm. Und das sind jetzt die Pflichtangaben, die müssen auf den Lebensmitteln draufstehen. Die können jetzt ergänzt werden. Für manche Lebensmittel findet man dann noch Ergänzungen dazu, freiwillige Angaben, die von den Herstellern gemacht werden können. Das wäre dann sowas wie zum Beispiel Ballaststoffe oder ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe. Die dürfen auch dann draufstehen, aber nur dann, wenn signifikante Mengen, wie es der Gesetzgeber sagt, im Lebensmittel drin sind. Das heißt, wenn also dann der Vitaminanteil in den betreffenden Lebensmitteln wirklich einen Beitrag zur Vitaminversorgung leistet, dann dürfen die Hersteller das quasi als positives Merkmal ihres Lebensmittels ebenfalls mit kenntlich machen.
Jule Wäntig: Dann habe ich jetzt eine Frage zu dem Zucker, weil es muss ja angegeben werden, wie du gemeint hast, Kohlenhydrate davon Zucker. Aber was bedeutet denn hier jetzt Zucker? Zucker ist ja nicht gleich Zucker, oder?
Thomas Henle: Das ist in der Tat ein Punkt, der ein bisschen problematisch ist und der auch aus chemischer Sicht durchaus ein bisschen komplexer diskutiert werden muss. Der Begriff Kohlenhydrate bedeutet zunächst einmal alles das, was aus, wie die Chemiker sagen, Mono-, Di-, Oligo- und Polysacchariden aufgebaut ist. Also da gehört zum Beispiel Stärke mit dazu. Da gehört aber dann auch zum Beispiel der Haushaltszucker dazu oder der Traubenzucker. Also alles das umfasst den Begriff Kohlenhydrate. Und um jetzt das ein bisschen zu differenzieren, hat man dann eingeführt, dass man sagt Kohlenhydrate insgesamt und davon dann Zucker. Und dieses davon Zucker bedeutet jetzt, das sind die sogenannten Einfach- und Zweifachzucker, also Mono- und Disaccharide. Aber das ist jetzt egal, ob die von Natur aus drin sind oder ob die extra zugesetzt sind. Und diese Zucker sind dann eben solche Sachen wie zum Beispiel der Traubenzucker, die Glucose, der Malzzucker, die Maltose, das ist dann Disaccharide, oder die Saccharose, der Kristallzucker. Alles das muss dann entsprechend als Anteil an diesen Kohlenhydraten erwähnt werden. Bedeutet aber jetzt nicht explizit, dass die dann zugesetzt wurden, sondern die können natürlich auch genauso von Natur aus vorhanden sein. In Fruchtsaftgetränken beispielsweise ist in der Regel schon sehr, sehr viel Zucker, also in dem Fall jetzt dann Traubenzucker beispielsweise oder Saccharose mit drin.
Peer Kittel: Wie ist das denn mit den Tagesbedarfen? Das wird ja nun auch ausgewiesen. So und so viel Prozent des Tagesbedarfs wird also da schon verbraucht mit dem einen oder anderen Lebensmittel. Nun sind Menschen ja aber unterschiedlich groß, unterschiedlich schwer. Wie kann man da denn überhaupt eine generelle Aussage zum Tagesbedarf von Personen treffen?
Thomas Henle: Ja, das ist in der Tat ein spannendes Thema. Und da streiten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch wirklich so ein bisschen, denn die Festlegung im Sinne von wie viel Prozent des Tagesbedarfs deckt jetzt zum Beispiel ein Müsli-Riegel oder so, ist natürlich extrem schwierig zu beurteilen. Jeder Mensch ist anders, um es mal so pauschal zu formulieren. Man hat sich deshalb darauf geeinigt, dass diese Angabe des Tagesbedarfs erstmal freiwillig ist, das heißt die Hersteller müssen das nicht machen, im Gegensatz zu den Prozentangaben, das ist verpflichtend. Und man hat sich dann orientiert letztlich an Ernährungsempfehlungen der unterschiedlichsten Wissenschaftsgesellschaften. Da gibt es in Deutschland die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Und die beschäftigt sich ja, wenn man so will, professionell mit der Frage, wie viel von bestimmten Lebensmittelinhaltsstoffen müssen wir denn pro Tag aufnehmen mindestens und wie viel sollten wir möglichst nicht überschreiten und so weiter. Und da muss man natürlich dann, ich sage mal, Referenzmenschen definieren. Und das ist auch tatsächlich dann hier gemacht worden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Da gibt es eine sogenannte GDA, Richtlinie, die "Guideline Daily Amounts", also quasi die Referenzmengen für Energie, für ausgewählte Nährstoffe. Und jetzt wird es natürlich ein bisschen problematisch dahingehend, denn wer ist denn ein Referenzmensch? Und man hat sich dann für diese Angaben darauf geeinigt, dass wenn man solche Prozentangaben macht, ergeht man davon aus, dass die Person, die man hier festlegt, 2000 Kilokalorien pro Tag verbraucht. Da sagt man, dass das der durchschnittliche Kalorienverbrauch einer Frau ist oder 2500. Das wäre der Durchschnittskalorienverbrauch eines Mannes. Und darauf bezogen machen dann eben zum Beispiel Gesellschaften wie die DGE oder so Angaben im Sinne von, es sollten so und so viel Prozent dieser Energie gedeckt werden durch Zucker, durch Protein, durch Fett und so weiter. Und dann wird eben dieser Anteil der Inhaltsstoffe in dem Lebensmittel bezogen auf diese Referenzmengen und dann ausgerechnet, dass zum Beispiel ein Joghurt mit 200 Gramm eben so und so viel Prozent der Zufuhr an Eiweiß entspricht. Das ist in der Tat, wie du es richtig ansprichst, problematisch und wirklich allenfalls als Orientierung für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu sehen. Denn allein wenn wir uns da anschauen Peer, dann brauchen wir deutlich unterschiedliche Mengen an Eiweiß und an Kohlenhydraten.
Peer Kittel: Da sagst du was.
Jule Wäntig Wenn ich unsere Müsli-Packung jetzt wieder umdrehe, ist da vorne noch dieser Nutri-Score draufgepackt, so eine Art Ampel-Kennzeichnung. Für mich ist Nutri-Score A schon manchmal ein Kaufargument. Stimmt das denn, dass grün gesund und rot total ungesund ist?
Thomas Henle: Ja, dieser Nutri-Score, jetzt kommen wir wirklich so in den Bereich der Punkte, die man aus wissenschaftlicher Sicht durchaus etwas kontrovers diskutieren kann. Ich versuche es einmal so objektiv wie möglich darzustellen. Dieser Nutri-Score ist im Jahr 2020, im Herbst 2020 als freiwillige Kennzeichnung eingeführt worden. Ist also auch nicht verpflichtend. Man findet es nicht auf allen Lebensmitteln. Und man ist letztlich davon ausgegangen, dass man das Essverhalten der Menschen in gewisser Weise, ja ich möchte nicht sagen beeinflussen, aber doch dahingehend modulieren möchte, dass man gewisse Hinweise gibt, wie man sich gesünder ernähren kann. Jetzt ist aber ganz klipp und klar festzuhalten, dass dieses Farbensystem ABCDE, also von grün nach rot, nicht per se bedeutet, rot ist ungesund und grün ist gesund. Tatsächlich hat man versucht in dem Nutri-Score, das ist die wissenschaftliche Basis dafür, dass man die Inhaltsstoffe nach, ich sage mal, günstiger und weniger günstig bewertet. Günstiger hat man dann gesagt, zum Beispiel ungesättigte Fettsäuren, ungünstig heißt viel Zucker, viel Salz, viel Energie. Also man macht dann so ein Ranking, wenn ich das mal so sagen darf, und berechnet dann in der Tat, also da steht tatsächlich ein Algorithmus dahinter, berechnet dann tatsächlich für die bestimmten Lebensmittel so eine Einstufung in A bis E, wobei A dann eben bedeutet, es ist eher bestehend aus günstigen oder passt zu einer günstigen Ernährung, und E würde eben bedeuten, da ist vielleicht sehr, sehr viel Fett drin oder es ist sehr energiereich. Wichtig ist aber jetzt und dafür sollte dieser Nutri-Score auch verwendet werden und die Vertreter dieses Nutri-Scores machen das natürlich auch entsprechend Kenntlich wird ganz deutlich so kommuniziert, es soll jetzt nicht verglichen werden im Sinne von ich ernähre mich jetzt nur noch mit A, weil das gesund ist und nicht mehr mit E, weil das ungesund ist, sondern dieser Nutri-Score erlaubt einen Vergleich von Lebensmitteln einer Produktkategorie. Wenn man jetzt zum Beispiel Müsli nehme, und das kann man tatsächlich wirklich auch mal im Supermarkt so machen und sich von so einem Regal stellt und zehn Müsli ein und dasselbe Hersteller anschaut, dann wird man feststellen, dass man da Müsli findet mit Einstufungen C oder D. Die haben dann zum Beispiel sehr viel Zucker drin, sehr viel Fett. Und es gibt welche, die haben A, einen Nutri-Score mit A. Und da liest man dann in der Regel drauf, enthält keinen zugesetzten Zucker oder so. Also wenn dieser Nutri-Score einen Sinn macht, dann in der Tat zum Vergleich von Lebensmitteln einer Produktkategorie.
Peer Kittel: Jetzt haben wir ja immer von verpackten Lebensmitteln bis hierhin gesprochen, auf denen dann die entsprechenden Infos draufstehen müssen. Wie ist das denn eigentlich bei unverpackten Lebensmitteln? Also zum Beispiel beim Bäcker auf den Brötchen, auf den Tüten, da steht ja nichts drauf. Müssen die sich also nicht an diese Vorgaben halten?
Thomas Henle: Ich sage mal, jein. Man hat natürlich die Schwierigkeit, dass man auf unverpackte Lebensmittel keinen Aufdruck oder so machen kann oder alle dann verpacken müsste, um denen dann so einen quasi Beipackzettel mitzugeben. Und aus dem Grund hat man eine ganze Reihe von Lebensmitteln von dieser Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Das ist dann sowas wie frische Lebensmittel wie Obst oder Gemüse oder auch die Brötchen oder die Semmeln, die man beim Bäcker kauft. Für die ist dann diese explizite Lebensmittel-Kennzeichnungspflicht dahingehend limitiert, dass die eben keine Aufschriften haben müssen natürlich. Angaben aber zum Beispiel zur Bezeichnung, zur Herkunft, zum Preis müssen schon deutlich gemacht werden. Es sind aber keine Angaben zum Nährwert oder zur Zutatenliste notwendig. Kann man auch gar nicht machen. Also Obst, Gemüse schwankt in der Zusammensetzung. Da ist es natürlich völlig ausgeschlossen, hier entsprechende Daten zu liefern. Was aber auch weiter gilt für entsprechend verarbeitete Lebensmittel, wie zum Beispiel die Brötchen oder die Semmeln vom Bäcker, ist die Allergen-Kennzeichnung. Diese Lebensmittel werden nicht explizit gekennzeichnet, sondern da muss dann in der Bäckerei durch zum Beispiel den Aushang oder durch Listen, die man dann bei Nachfragen bekommt, deutlich gemacht werden, welche potenziellen Allergene in den Produkten drin sind. Das kann auch letztlich vielleicht nur der Fachverkäufer, die Fachverkäuferin dann wissen. Auch da kann man fragen, sagen Sie mir mal bitte, ist da jetzt Soja mit drin, weil ich eine Soja-Allergie habe. Gilt übrigens auch für Restaurants, kennt auch jeder. Da steht dann in der Speisekarte dann häufig für Allergene, fragen Sie unser Personal oder es stehen kleine Zahlen drunter. Man kann dann irgendwo ganz hinten nachlesen, was das bedeutet. Also die Allergen-Kennzeichnung ist auch für solche Lebensmittel verpflichtend. Aber alles das, was so die Zutatenlistungen angeht -Kennzeichnung ist auch für solche Lebensmittel verpflichtend. Aber alles das, was so die Zutatenliste und den Nährwert anbelangt, davon sind diese Lebensmittel ausgenommen.
Jule Wäntig: Alkoholische Getränke sind verpackt, trotzdem haben viele keine Kennzeichnung. Wie kommt das?
Thomas Henle: Sehr gute Frage zum Abschluss. Alkoholische Getränke sind ebenfalls ausgenommen. Und zwar ab einem Alkoholgehalt von 1,2 Prozent. Wenn Sie drunter sind, wenn man guckt auf alkoholfreiem Bier, da steht dann tatsächlich auch so eine Inhaltsstoffliste drauf. Getränke über 1,2 Prozent sind ausgenommen. Aber, sagt man jetzt, die Hersteller dieser betreffenden Lebensmittel wären motiviert oder dazu angehalten, solche Listen ebenfalls zu machen. Der Deutsche Brauerbund beispielsweise empfiehlt seinen Mitgliedsunternehmen, entsprechende Nährwertkennzeichnungen ebenfalls zu machen. Also auf manchen Bieren, zum Beispiel auch auf manchen sächsischen Bieren oder auf besonderen Dresdner Bieren, da findet man tatsächlich dann auch so eine Nährwertkennzeichnung. Warum die ausgenommen waren oder immer noch ausgenommen sind, liegt vermutlich daran, dass diese Lebensmittel ja nun, ich sage mal, keinen signifikanten Beitrag zur Zufuhr bestimmter Inhaltsstoffe des Tages beitragen sollten. Hängt natürlich von der Menge ab. Von daher hat man dann diese Nährwertkennzeichnung hier ausgenommen. Wohl aber haben die eine Zutatenliste. Das heißt, auch auf einem Bier oder auf einem alkoholischen Mixgetränk finden wir natürlich entsprechend die Zutatenlisten.
Peer Kittel: Lieber Thomas, liebe Jule, vielen Dank. Unsere Zeit ist leider schon um. Wir haben viele Hintergrundinfos zur Lebensmittelkennzeichnung erfahren. Für einige Fragen hat die Zeit heute aber nicht gereicht. Das haben wir ja schon angedeutet. Da werden wir in den kommenden Folgen noch ein bisschen intensiver in den Austausch gehen.
Und wenn dieser Podcast künftig auch auf Ihrer Zutatenliste für die Aufnahme von Wissen stehen soll, können Sie immer monatlich auf der Webseite der TU Dresden und überall da, wo es Podcasts gibt, mit einer neuen Folge rechnen. Wenn Sie Themenwünsche rund um bestimmte Lebensmittel, Lebensmittelchemie oder Ernährung haben, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an lebensmittelchemie.podcast@tu-dresden.de. Das war Food Facts, der Lebensmittelchemie-Podcast der TU Dresden mit Prof. Thomas Henle, Jule Wäntig und Peer Kittel.
[Outro Musik]
Weitere Informationen
Sprecher:innen
Prof. Thomas Henle:
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Jahrgang 1961
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Seit 1998 Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden
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Ärgert sich oft über so manchen „Ernährungspodcast“ – und muss deshalb jetzt was "Eigenes" machen.
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Lieblingslebensmittel: Alles (außer Rohmilch)
Peer-Philipp Kittel:
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Jahrgang 1984
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Seit 2021 Dezernent des Bereichs Mathematik und Naturwissenschaften der TU Dresden
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Hat früher mal beim Radio gearbeitet
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Lieblingslebensmittel: Reis und Harzer Käse (nicht unbedingt in Kombination)
Jule Wäntig
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Jahrgang 2002
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Studiert Bauingenieurwesen an der TU Dresden
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Engagiert sich ehrenamtlich und verteilt dabei Nahrungsmittel
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Hört Podcasts immer in doppelter Geschwindigkeit
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Lieblingslebensmittel: Kartoffel
Produktion
Nicole Gierig, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, TU Dresden