Vortragsthema
Prof. Peter Paufler | ||
Kristalle: Von der Physik des Regelmäßigen | ||
Bereits Johannes Kepler hat die regelmäßige äußere Gestalt der Schneeflocken mit Regelmäßigkeiten ihres Aufbaus aus kleinsten kugelförmigen Bausteinen in Zusammenhang gebracht, die wir heute als Atome, Ionen oder Moleküle kennen, die also Abmessungen der Größenordnung vom Zehnmillionstel eines Millimeters aufweisen. Aus physikalischer Sicht werden hierzu folgende Fragen aufgeworfen und von der Forschung mit zunehmender Präzision beantwortet: Was bestimmt die Größe und Gestalt der Atome? Unter welchen Bedingungen ist eine regelmäßige Verteilung von Atomen mit Kristallperiodizität im dreidimensionalen Raum der unregelmäßigen überlegen? Wie wächst ein Kristall in der Natur (Mineral) oder im Labor? Kann der Mensch den Bauplan vorgeben? Kann es vollständig fehlerfreie Regelmäßigkeit der Atomanordnung geben oder sind Fehler in Maßen sogar notwendig?
Unterschiede allein im Muster der Regelmäßigkeit (Struktur) können dramatische Änderungen physikalischer Eigenschaften nach sich ziehen, wie das Beispiel der optischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften des Kohlenstoffs als Diamant (Edelstein) oder Graphit (Schmiermittel) zeigt. Wenn nur jedes millionste Atom eines Siliziumkristalls fehlgeordnet ist, sind spektakuläre Folgen etwa für dessen elektronische Eigenschaften zu beobachten.
Bekanntlich lässt sich die Ebene nicht lückenlos mit regelmäßigen Fünfecken füllen. Mit den Quasikristallen ist ein Weg gefunden worden, fünfzählige Drehsymmetrie in nichtperiodischen - aber dennoch streng regelmäßigen (!) - Atomanordnungen zu realisieren, die sich überraschenderweise im vier- bis sechsdimensionalen Raum als periodisch erweisen.
Durch Beugung und Interferenz von Röntgen-, Elektronen- und Neutronenstrahlung an Kristallen gelingt die Vermessung der Atomanordnung. In jüngster Zeit stehen in den Synchrotronspeicherringen ungewöhnlich intensive Strahlungsquellen zur Verfügung, die sowohl sehr kleine als auch zeitlich schnell veränderliche Atomanordnungen ‚sichtbar' werden lassen. Unser Wissen über elementare Vorgänge des Lebens verdanken wir zu einem beträchtlichen Teil den modernen Methoden der Strukturaufklärung an kristallisierten Biomolekülen.
Folien vom Vortrag (htm-Dateien) Bild unten: Lauediagramm 'Fünfzähliges Interferenzmuster gebeugter Röntgenstrahlen an einem Al-Pd-Mn-Quasikristall ' |
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