Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen
(gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung)
Am 10. und 11. Oktober 2019 findet am Institut für Slavistik die Tagung "Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs" statt.
Die Tagung setzt sich zum Ziel, die Entstehung, Aneignung und Übertragung von Konzepten aus der Perspektive kleinerer und nicht-westlicher Kulturen zu betrachten. Durch den Dialog zwischen kleinen (europäischen) und nicht-westlichen Kulturen eröffnen sich neue Perspektiven in beide Richtungen: Für die Postcolonial Studies in Richtung europäischer Minderheiten und für die Fächer, deren Gegenstand kleine europäische Kulturen sind, in Richtung nicht-westlicher Kulturen. Ziel der Vorträge und Diskussionen ist es, kanonischen Konzepten und strukturelleren Asymmetrien in verschiedenen Kontexten nachzugehen und dabei Möglichkeiten des Vergleichs auszuloten.
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen! Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Vollständiges Programm:
12:30 | Welcome and Registration |
13:00 | Diana Hitzke (Dresden/Gießen): Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs |
13:30 | Keynote
Jeanne E. Glesener (Luxembourg): Comparativism and Small Literatures: Overview, Challenges and Possibilities |
14:30 | Coffee Break |
15:00 |
Travelling Concepts: Mihai-D. Grigore (Mainz): ‘Commonwealth’ des Ostens. Raum, Kultur und transregionale Ordnungen am Beispiel eines britischen Importkonzepts Isabel Seliger (Berlin): Bijutsu(shi) 美術(史) / Meishu(shi) 美術(史): The Introduction of the Western Concepts of ‘Art’ and ‘Art History’ to East Asia (with a Focus on Japan and China) –– Overcoming Epistemological Imbalances and Geographical Bifurcations in Research on Global Modernisms and ‘Global Art History’ Tatsiana Astrouskaya (Marburg): Re-defining ‘samizdat’: a look from the Soviet peripheries |
16:30 | Coffee Break |
17:00 |
Perspectives on Belarus: Yaraslava Ananka (Innsbruck) & Heinrich Kirschbaum (Freiburg): Belarussische Gegenwartsdichtung. Zugänge und Holzwege Manuel Ghilarducci (Berlin): Die antagonistische Artikulation des Kleinen. Belarussischer Rock und Hip-Hop als musique mineure |
18:00 | Buffet |
09:30 |
Keynote Katharina Stornig (Gießen): Gender: Vom westlichen Konzept zur globalen Forschungskategorie? |
10:30 | Coffee Break |
11:00 |
African Perspectives: Snežana Vuletić (München): A Democratization of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies: Lessons from a Narratology-Informed Research in the Nigerian Anglophone Novel René Demanou (Gießen): Challenging the American-European cosmopolitan memory model |
12:00 | Lunch |
14:00 |
Keynote Christian Prunitsch (Dresden): Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte |
15:00 | Coffee Break |
15:15 |
Conceptualizing Minorities Theresa Jacobs (Bautzen): Von Chancen und Herausforderungen, Volks-Tanz-Praxen neu zu konzeptualisieren Jana Piňosová (Bautzen): Minority Protection and Nature Conservation. A case study from the late 19th century German Empire |
16:15 | Coffee Break |
16:45 |
Katharina Tyran (Wien): Zwischen autochthon, Region und Nation – Konzeptualisierungen österreichischer Volksgruppen Nicole Dołowy-Rybińska (Warschaw) and Cordula Ratajczak (Bautzen): The concepts of native-speaker and new-speaker against the background of the minority language community: relations of power and language ideologies |
17:45 | Guided City Walk |
19:00 | Joint Dinner |
"Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs"
Thema
Die Tagung "Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs" setzt sich zum Ziel, die Entstehung, Aneignung und Übertragung von Konzepten aus der Perspektive kleinerer und nicht-westlicher Kulturen zu betrachten. Kulturspezifische Narrative und Strukturen sowie globale Machtverhältnisse beeinflussen die Entstehung von sozialen, politischen, ökonomischen, künstlerischen und epistemologischen Konzeptualisierungen (vgl. Neumann, Nünning 2012). Dominante Konzepte sind jedoch oft explizit oder implizit durch Eurozentrismus, methodischen Nationalismus (Wimmer, Glick Schiller 2002) und das monolinguale Paradigma (Yildiz 2012) geprägt. Bei der Aneignung oder Übertragung von kanonischen Konzepten auf kleine und nicht-westliche Kulturen ergeben sich daher oft Reibungsflächen. Andersartige oder widersprechende Narrative, Entwicklungen, Strukturen und Praktiken werden durch die Dominanz bestimmter Konzepte oft nur als "Fallbeispiele" oder Sonderfälle wahrgenommen, wenn sie nicht sogar bewusst mit Strategien des "Othering" (vgl. Mbembe 2017, Mufti 2016, Said 2009) verzerrt werden. Nichtsdestotrotz eignen sich auch kleine (europäische) und nicht-westliche Kulturen immer wieder kanonische Konzepte aus hegemonialen Kontexten an (vgl. Ashcroft, Griffiths, Tiffin 1989), auch in der Wissenschaft werden sie zur Beschreibung und Analyse herangezogen. Dies bringt eine ambivalente Situation hervor: Einerseits werden durch die Anwendung dominanter Konzepte kanonische Texte und Diskurse ständig reproduziert, wodurch die kleinen und nicht-westlichen Kulturen erneut als "andersartig" bzw. als Spezialfälle markiert werden. Andererseits wird durch die Auseinandersetzung mit kanonischen Konzepten Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit geleistet, was zu einer größeren Wahrnehmbarkeit der kleinen und nicht-westlichen Kulturen in der Wissenslandschaft führt. Die Tagung setzt sich zum Ziel, diese als "double bind" beschreibbare Situation aus vergleichender Perspektive auszuloten und dabei strukturelle Probleme, Herausforderungen und Lösungsansätze zu diskutieren.
Zentrale Fragen
- Kanonische und spezifische Konzepte: Welche Vor- und Nachteile hat die Anwendung bewährter Methoden und kanonischer Konzepte auf andere kulturelle Kontexte? Was passiert, wenn Systematiken, Klassifikationen und wissenschaftliche Fragestellungen auf andere Kulturen übertragen werden? Wie lässt sich mit Phänomenen umgehen, die nicht mit den etablierten und dominanten Begriffen beschrieben werden können?
- Asymmetrien: Wie können Forschende asymmetrische Beziehungen angemessen adressieren und wie können sie ihre eigenen kulturellen Vorurteile reflektieren und kommunizieren?
- Erfolgreicher Theorietransfer aus nicht-hegemonialen Kontexten: Welche Konzepte aus kleineren oder nicht-westlichen Kulturen bzw. aus kleinen Fächern haben sich zu kanonischen Konzepten entwickelt? Was lässt sich daraus lernen?
- Vergleich Welche neuen vielversprechenden Möglichkeiten des Vergleichs bzw. der Partizipation in einem breiteren Diskurs bieten sich alternativ an? Wie lassen sich verschiedene nicht-dominante Konzeptualisierungen und kulturelle Praktiken kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen miteinander vergleichen?
- Kulturelle Praktiken: Auf welche Art und Weise beziehen sich kulturelle Praktiken auf dominante Konzepte und wie gehen sie mit dem Bezug darauf um? Welchen Stellenwert nehmen dabei spezifisch künstlerische Aneignungsprozesse ein?
Ziel
Durch den Dialog zwischen kleinen (europäischen) und nicht-westlichen Kulturen eröffnen sich neue Perspektiven in beide Richtungen: Für die Postcolonial Studies in Richtung europäischer Minderheiten und für die Fächer, deren Gegenstand kleine europäische Kulturen sind, in Richtung nicht-westlicher Kulturen. Ziel der Vorträge und Diskussionen ist es, kanonischen Konzepten und strukturelleren Asymmetrien in verschiedenen Kontexten nachzugehen und dabei Möglichkeiten des Vergleichs auszuloten. Der Austausch zwischen Forschenden aus verschiedenen Fächern mit Fokus auf unterschiedliche Weltregionen, die zugleich auch kleine Fächer vertreten, ist in dieser Hinsicht besonders wichtig. Dabei soll es weniger darum gehen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Einzelfällen festzustellen, sondern darum, strukturelle Mechanismen auszumachen, die sich ergeben, wenn Konzepte aus hegemonialen Kontexten übernommen werden. Die Adaption bzw. der Transfer werden dabei nicht grundsätzlich als problematisch betrachtet, die Übersetzung von Konzepten in andere Kontexte kann auch eine Vermittlungsfunktion zwischen hegemonialen und kleinen bzw. nicht-westlichen Kulturen erfüllen (vgl. Hitzke 2016 und 2018). Es soll daher ausgelotet werden, warum und zu welchem Preis immer wieder auf kanonische und hegemoniale Konzepte Bezug genommen wird.
Zitierte Literatur
Ashcroft, Bill; Griffiths, Gareth; Tiffin, Helen 1989: The Empire Writes Back: Theory and Practice in Post-Colonial Literatures. London: Routledge.
Hitzke, Diana 2016: „Translation, Adaptation, Circulation: Barbara Marković’s Izlaženje“. Journal of World Literature 1:3, Special Issue: "Translation Studies Meets World Literature", edited by Susan Bassnett and David Damrosch, 426–444.
Hitzke, Diana 2018: „Sorbische Literatur als verflochtene Literatur – Serbska literatura jako splećena literatura.“ Zeszyty Łużyckie 52, 77-98.
Neumann, Birgit; Nünning, Ansgar 2012: "Travelling Concepts as a Model for the Study of Culture." Neumann, Birgit; Nünning, Ansgar (Hg.): Travelling Concepts for the Study of Culture. Berlin, Boston: De Gruyter, 1-22.
Mbembe, Achille 2017: Kritik der schwarzen Vernunft. Berlin: Suhrkamp.
Mufti, Aamir R. 2016: Forget English! Orientalisms and World Literatures. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press.
Said, Edward W. 2009: Orientalismus. Frankfurt am Main: Fischer.
Wimmer, Andreas; Glick Schiller, Nina 2002: "Methodological Nationalism and Beyond: Nation-State Building, Migration and the Social Sciences." Global Networks 2/4, 301-334.
Yildiz, Yasemin 2012: Beyond the Mother Tongue: The Postmonolingual Condition. New York: Fordham University Press.
Ihre Ansprechpartnerin:
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
NameDr. Diana Hitzke
Professur für Westslavische Literatur- und Kulturwissenschaft
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Besuchsadresse:
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