16.02.2021
Die Erdkruste hebt sich durch weniger Eisdruck
TUD-Forscher messen in Grönland wie der Eismassenverlust die Erde deformiert
Dr. Mirko Scheinert
Auf 79° nördlicher Breite liegt der Nioghalvfjerdsbræ. Forscherinnen und Forscher
der TU Dresden und der TU Dänemark erzielten bei Untersuchungen in Nordost-Grönland, im Gebiet dieses gewaltigen Ausflussgletschers, der eine mehr als 70 Kilometer lange schwimmende Gletscherzunge ausbildet, bemerkenswerte Ergebnisse über die Veränderungen der regionalen Eismassen zwischen 2010 und 2017. Ihre aktuelle Studie veröffentlichte die Gruppe um Maria Kappelsberger im Journal of Geophysical Research: Earth Surface (JGR).
Neuartige Kombination von Satellitenverfahren
Basis der Analyse sind die Messungen an insgesamt 17 Stationen in Nordost-Grönland, an denen mittels GNSS (globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung) präzise Positionsdaten erhoben werden. Zur Datenauswertung verwendeten die Forscherinnen und Forscher eine neuartige Kombination verschiedener Satellitenverfahren, die neben dem Eisschild auch die peripheren Gletscher und Eiskappen einbezieht. Auf diese Weise gelangten sie zu Aussagen über den Zusammenhang zwischen Eismassenverlust und den Deformationsraten der Erde: verschwindet das Eis und übt weniger Druck auf die elastische Erdkruste aus, verformt und hebt sie sich. Das prägt die Entwicklung des Meeresspiegels. »Unsere Studie liefert wichtige Erkenntnisse zur Wechselwirkung von Eismassenänderung und fester Erde in
Nordost-Grönland«, sagt Maria Kappelsberger, Doktorandin an der Professur für Geodätische Erdsystemforschung und Erstautorin des wissenschaftlichen Artikels.
Verlässliche Schätzungen trotz komplexer Vorgänge
233 Milliarden Tonnen Eismasse gehen pro Jahr in ganz Grönland verloren – das
entspricht im Verlauf der betrachteten sieben Jahre ungefähr 0,63 Promille der grönländischen Gesamteismasse. Verteilt man dieses freigesetzte Schmelzwasser gleichmäßig über der Fläche von Deutschland, würde man eine ungefähr 4,6 Meter mächtige Wasserschicht erhalten. Die resultierenden Effekte der Erdkruste lassen sich durch die Modellierung der glazial-isostatischen Ausgleichsprozesse
(GIA) beschreiben. Dabei besteht die Herausforderung, die Komplexität der Vorgänge und Wechselwirkungen besser zu erfassen. Das in der Studie angewandte Verfahren ermöglicht eine verfeinerte Bewertung der GIA-Modellierungen und damit verbesserte
Schätzung der Eismassenänderungsrate.
Regional verankert und global bezogen zu agieren, lautet die Vision der TU Dresden für die nächsten Jahre – die geschilderte Forschung leistet einen wichtigen Beitrag, globale Problemstellungen zu verstehen und zu lösen.
Weitere Informationen hier:
Was bedeuten 79° für den Eismassenverlust in Grönland?
Dieser Artikel ist im Dresdner Universitätsjournal 03/2021 vom 16. Februar 2021 erschienen. Die komplette Ausgabe ist im Online-Auftritt des UJ unter https://tu-dresden.de/uj oder hier im pdf-Format kostenlos downloadbar. Das UJ kann als gedruckte Zeitung oder als pdf-Datei bei bestellt werden.