Lebenswelt einbeziehen
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In inklusionssensiblen Lehr-Lern-Settings tritt „[d]er Mensch in seiner Lebenswelt und unter Berücksichtigung seiner Lebensgeschichte [...] in den Mittelpunkt.“ (Ziemen 2018: 155)
Die Lebenswelt der Lernenden als Ausgangspunkt für Lern- und Entwicklungsprozesse zu nehmen, wird in den verschiedenen Didaktiken als Lebenswelt-, Schüler*innen-,Adressat*innen- oder Subjektorientierung bezeichnet. Es ist “ureigene Kategorie allgemeindidaktischen Denkens” (Meier, Bohl, Kleinknecht, Metz 2013: 36) und kann demnach als Prinzip in jeder Didaktik wiedergefunden werden. Somit kommt der Lebensweltorientierung eine besondere Bedeutung bei der Ausgestaltung von Lehr-Lern-Angeboten zu.
Lebensweltorientierung umfasst die Orientierung des Lehr-Lern-Angebotes an individuellen Interessen, Vorerfahrungen sowie der Art und Weise, wie die Lernenden ihre Umwelt sehen und wahrnehmen (Kraus 2006).
Ein solcher ‘Lebensweltbezug’ stellt eine Verbindung zwischen dem fachlichen Lerngegenstand und der Erfahrungswelt der Lernenden her. Ist er authentisch, reichhaltig und anschlussfähig, beeinflusst er positiv die Motivation, Lernbereitschaft sowie die Einstellung der Lernenden gegenüber dem Lerninhalt (Leuders, Hußmann, Barzel, Prediger 2011). Lebensweltbezüge unterstützen die Lernenden dabei, die Bedeutsamkeit des Lerninhaltes für ihr eigenes Leben zu erkennen, eine positive Einstellung gegenüber diesem aufzubauen und motivierter an den Lehrveranstaltungen teilnehmen zu können (Povey, Adams, Jackson 2016). Dies wirkt sich zum einen positiv auf den Zugang zum Lerngegenstand aus und unterstützt zum anderen langfristige und fruchtbare Lernprozesse (ebd.).
Was Lebensweltorientierung nicht ist
Lebensweltorientierung kann und darf jedoch nicht bei Annahmen über Interessensfelder der Lernenden stehen bleiben. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn eher willkürlich digitale Medien in den Unterricht einbezogen werden. Fußen die Annahmen nicht auf einer Verstehenden Perspektive, verweilt das Prinzip lediglich auf einer oberflächlichen Annahme über die Lernenden (Mannewitz 2019: 116). Ein tatsächlicher Lebensweltbezug wird so allenfalls zufällig realisiert und es besteht die Gefahr der Scheinfalle.
Schwerwiegend ist zudem, wenn Themenfelder aus der Lebenswelt der Lernenden einbezogen, aber vorangegangene emotionale Erfahrungen außer Acht gelassen werden. Denn nicht jedes Thema eignet sich, da “häufig [...] ein enger Lebensweltbezug mit einer hohen persönlichen oder emotionalen Betroffenheit zum Thema verbunden” ist (Besand, Hölzel, Jugel 2018: 103). Das bedeutet nicht, das ganze Themenfelder grundsätzlich aus Lern- und Entwicklungsprozessen ausgeklammert werden müssen. Jedoch bedarf es, bei einer hohen emotionalen Betroffenheit, eine feinfühlige Annäherungen an den Lerngegenstand, in der Lernende nicht emotional überwältigt oder bloßgestellt werden. Bestimmte Themen können sich folglich negativ auf den Lernprozess auswirken. Lesen Sie Fallbeispiele und weitere Erklärungen dazu unter “Unangenehme Stimmung hier” oder hören Sie den Beitrag “Da kannst du Freunde verlieren”.
Um Lebensweltorientierung also im Sinne der Lernenden und nicht bindungsgefährdend zu gestalten, muss die Auswahl und Aufbereitung auf Basis der Verstehenden Perspektive erfolgen. Nur so können lebensweltliche Bezüge positive Erfahrungen in Lehr-Lern-Settings in Aussicht stellen.
Reflexionsfragen zum Lebensweltorientierung
Lebensweltorientierung muss immer im Kontext jeder einzelnen Lerngruppe und der einzelnen Lernenden geschaffen werden. Hier finden Sie allgemeine Reflexionsfragen die dabei unterstützen sollen, inklusionssensibele und bindungsunterstützende Lebensweltbezüge zu identifizieren.
Literaturtipps
Lebensweltorientierung steht oft in der Kritik, mehr eine leere Hülle zu sein, als tatsächliches Prinzip zur gestaltung inklusionssensibler Lehre (Oeftering, Oppermann, Fischer 2018: 165f). Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie Lebenswelt und damit Lebensweltorientierung verstanden werden kann, ist demnach für eine Umsetzung entscheidend. Hier finden Sie Literatur, die Ihnen dabei helfen kann, den Begriff für Sie und Ihre Lehre zu schärfen.
Lebensweltorientierung und Basiskonzepte
Eine ganzheitliche Betrachtung der Lebenswelt schließt auch die Frage nach den individuellen Erklärungs- und Deutungskonzepten bei den Lernenden ein. Damit Lern- und Entwicklungsprozesse stattfinden können, muss der Lerngegenstand an die vorhanden Konzepte anschließen können. Nur so können die Lernenden die Bedeutung erkennen und sich sowie ihre Konzepte weiterentewickeln. Lesen Sie dazu mehr unter Basiskonzepte. Dort werden zwar die Konzepte für die politische Bildung näher betrachtet. Jedoch können auch Impulse für andere Fächer daraus gezogen werden. Reinschauen lohnt sich.