typische Fallen reflektieren
Alle machen Fehler und tappen in Lehrveranstaltungen in die eine oder andere Stolperfalle. Das ist nicht schlimm. Gefährlich für vielfaltssensibles Lehren wird es erst, wenn Lehrende ihr Handeln nicht reflektieren. Denn dann können weder Fehler korrigiert, noch kann es beim nächsten Mal besser gemacht werden.
Im Fundus Inklusion ist ein Set von 17 Stolperfallen mit vier verschiedenen Reflexionsübungen versammelt, welches nicht erschöpfend ist. Sie sind eingeladen, weitere zu ergänzen und darüber zu reflektieren:
- Was kann in der Lehre schief gehen?
- Wie reagiere ich, wenn ich in die Stolperfalle getappt bin?
- Wie vermeide ich Stolperfallen?
Der Fundus Inklusion bietet zu diesem Thema das Reflexionsmaterial Stolperfallenkarten an.
Anhand des Inhaltsverzeichnisses haben Sie einen schnellen Zugriff auf die Stolperfallen, die Sie nachlesen möchten.
Inhaltsverzeichnis
Einzelkampffalle
Aus Angst vor Ablehnung und Zurückweisungen verkämpfen sich Personen manchmal allein in ihren Aufgaben Häufig ist diesbezüglich von Einzelkämpfer*innentum die Rede. Kontakte und Kooperationen werden auf ein Minimum beschränkt oder vermieden. Diese Vermeidungsstrategie führt langfristig nicht zum (Lern-)Erfolg, denn Kooperation und Kommunikation sind bedeutsame Aspekte gelingender Lehr-Lern-Prozesse.
Einzigartigkeitsfalle
Jede*r ist einzigartig. Das anzuerkennen ist wichtig. Es gibt jedoch systemische Benachteiligungen marginalisierter Gruppen. Diese Gruppen und Benachteiligungen dürfen nicht unter dem Deckmantel des “Wir sind alle einzigartig.” unsichtbar gemacht werden. Bedürfnisse müssen ernst genommen werden, um nicht in die Einzigartigkeitsfalle zu tappen. Gedanken wie: "Da kann ja jede*r kommen." oder "Wir haben alle unser Päckchen zu tragen." führen in die Falle.
Erfahrungsfalle
In Bildungsprozessen haben Lehrende oft einen gewissen Wissens-und-Erfahrungsvorsprung. Dieser wird dann als Maßstab genommen. Wenn diese Maßgabe nicht erfüllt wird, wird das negativ gewertet. In der Folge kann das Gefühl aufkommen, die Lernenden wüssten immer weniger. Die Lehrenden tappen dabei in die Erfahrungsfalle.
Erwünschtheitsfalle
Lehrende sollten authentisch sein. Wenn sie eher aufgrund sozialer Erwünschtheit und weniger nach der eigenen Empfindung handeln, fühlen nicht nur sie sich unwohl. Auch die Lernenden erkennen den inneren Widerspruch und die falsche Maskerade. Dann ist die Lehrperson in die Erwünschtheitsfalle getappt.
Etikettierungsfalle
Manchmal haben Lehrpersonen ein festes Bild von einzelnen Lernenden vor Augen. Dann meinen sie, zu wissen, was diese brauchen oder nicht benötigen. Das Etikett werden die Lernenden schwer wieder los.
Es kommt fast zwangsläufig zu Gruppenzuordnungen. Diese reduzieren Lernende rein auf die Gruppenzugehörigkeit. So verdrängen Zuschreibungen die Einzigartigkeit und individuelle (Lern)Bedürfnisse.
Gleichbehandlungsfalle
Als Lehrperson unterliegt man häufig der Fehlannahme, alle gleich behandeln zu müssen. Lernende bringen jedoch unterschiedlichen Ausgangsbedingungen mit, weshalb eine Gleichbehandlung zu einer Lernbarriere führen kann.
Umgang mit Heterogenität bedeutet, individuelle Bedürfnisse zu bedienen und damit auch ungleich zu behandeln. Durch den Ausgleich von Ausgangsbedingungen kann Chancengrechtigkeit entstehen.
Homogenisierungsfalle
Bei der Arbeit mit einer Lerngruppe kann es passieren, dass die Bedürfnisse, Interessen oder Lebensumstände der einzelnen Lernenden übersehen werden. Fälschlicherweise wird dann von einer homogenen Masse ausgegangen und angenommen, alle bräuchten und könnten dasselbe.
Intransparenzfalle
Lehrende gehen manchmal davon aus, den Lernenden müsste alles klar sein. Dann tappen Sie in die Intransparenzfalle.
Setzen Sie nicht voraus, dass die Lernenden wissen was, wie, warum zu tun ist. Legen Sie Ihre Entscheidungen offen, damit sie nachvollziehbar und für die Lernenden sinnhaft werden.
Transparenz betrifft sowohl organisatorische Aspekte wie auch Emotionen. Vor allem unausgesprochene, negative Emotionen beeinflussen die Lernatmosphäre.
Machtfalle
Wenn Lehrende “Kraft ihres Amtes” ihre Meinungen, Bedürfnisse und Kenntnisse über die der Lernenden stellen, verschärfen sich ungleiche Machtverhältnisse. Ein gemeinsames Lernen auf Augenhöhe von- und miteinander findet nicht statt.
Rahmenbedingungen des Lernens werden als unveränderlich postuliert – „Weil wir das schon immer so gemacht haben!“. Das erzeugt negative Emotionen und Demotivation in Lernkontexten.
Offenheitsfalle
Offene Lehr-Lern-Formate bieten viele Vorteile. Nichtsdestotrotz brauchen Lernende Struktur, Anleitung und einen „kompetente*n Andere*n“, damit Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung möglich wird.
Ein Zuviel an Offenheit kann sonst genau wie ein Zuwenig zur Lernbarriere werden.
Ohnmachtsfalle
Bestehende Strukturen und Verfahren sollten nicht blind als legitim und unveränderlich angenommen werden. “Ich kann daran sowieso nichts ändern” ist der erste Schritt Richtung Ohnmachtsfalle und der Beginn einer Vermeidungsstrategie.
Privilegienfalle
Wenn Sie über Zugänglichkeit bzw. mögliche Ausschlusserfahrungen nicht nachdenken müssen oder Betroffenheiten nicht nachvollziehen können, besitzen Sie bezüglich dieses Sachverhaltes einen Vorteil - Sie genießen (unbewusst) Privilegien. Reflektieren Sie, wann Sie in Ihrem Leben auf Widerstände stoßen und wann Sie (unbewusste) Privilegien nutzen. Es muss ernst genommen werden, wenn Betroffene Ausschluss benennen. Handeln Sie entsprechend, um Betroffene zu inkludieren und Ausschluss nicht zu wiederholen.
Routinefalle
Struktur gibt Halt. Sie ist aber kein Erfolgsrezept für jede Lerngelegenheit. Lernwege sind individuell und können nicht immer in die gleiche Struktur gepresst werden. Tappen Sie nicht in die Routinefalle. Schränken Sie sich und die Lernenden nicht in der Flexibilität ein. Nehmen Sie den Lernenden anhand der immer gleichen Lernwege nicht die Motivation am Lernen.
Scheinfalle
Manchmal entpuppen sich Abstimmungen und Kooperationsangebote als leere Versprechungen. Dies ist der Fall, wenn die Lernenden am Ende nicht wirklich etwas mitbestimmen oder miteinander kooperieren können. Das führt zu Frustration. Kooperation und Beteiligung müssen tatsächlich stattfinden und zu positiven Selbstwirksamkeitserfahrungen führen. Beteiligung und Aktivität der Lernenden am Lehr-Lern-Prozess ist nicht nur Gelingensbedingung, es fördert positive Emotionen und gute Erfahrungen.
Sonderbehandlungsfalle
Wird ein Förderschwerpunkt diagnostiziert, werden personelle oder finanzielle Ressourcen oft schneller oder einfacher frei, als ohne Diagnose. Das ist eine typische Form der Sonderbehandlung. Denn was der Person helfen soll, trägt häufig vor allem dazu bei, sie zu verbesondern. Die Binarität von Normal-und-Anders wird so weiter reproduziert.
Wichtig ist es hier wiederum, einen gekonnten Spagat zwischen der Anerkennung von Einzigartigkeit und Differenz zu schaffen.
Wissensfalle
Werden im Rahmen von Bildungsprozessen vornehmlich Einzelinformationen ohne Einbettung und Kontext präsentiert, besteht die Gefahr, dass Lernende Sinn und Bedeutung nicht konstruieren können. Verinnerlichung findet nicht statt und Inhalte werden schnell wieder vergessen. Dies geschieht häufig, wenn die Lehrperson sich vor allem als Wissensvermittler*in wahrnimmt, anstatt auf die individuelle Sinnkonstruktion der Lernenden Bezug zu nehmen.
Zuständigkeitsfalle
In Situationen, in denen die (personellen, finanziellen, zeitlichen) Ressourcen knapp werden, neigen Menschen häufig dazu, zu sagen: “Naja, aber dafür bin ich ja auch nicht zuständig. Diese Aufgabe muss eine andere Person übernehmen.”
Die Umstände bedürfen eigentlich einer Lösung. Wenn Aufgaben jedoch delegiert werden oder sich niemand verantwortlich fühlt, wird sich an der Situation nichts ändern.