Orientierung geben
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Nicht immer können und sollten Lernende, gerade in institutionalisierten Lehr-Lern-Settings, jedes Element mitbestimmen. Viele Rahmenbedingungen lassen sich kaum oder gar nicht verändern, sodass Mitbestimmung hier schwer zu realisieren ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Kommunikation über diese Bedingungen irrelevant wird, im Gegenteil. Transparenz ist ein wichtiger Faktor für die Ausgestaltung von Lehr-Lern-Angeboten (Besand, Hölzel, Jugel 2018: 104). Transparenz ermöglicht den Lernenden Orientierung im Lern- und Entwicklungsprozess und erzeugt damit Sicherheit bei den Lernenden (Thies, Misamer, Aurin, Hackbart 2015: 108f).
So oder so ähnlich kann sich fehlende Transparenz auf Lernende auswirken. Werden Entscheidungen, Abläufe oder Regeln nicht nachvollziehbar dargestellt und erklärt, verhindert dies den Aufbau persönlichen Sinns. Lernen und Entwicklung wird in solchen vorgesetzten und intransparenten Abläufen erschwert und unter Umständen wird eine grundsätzliche Abneigung gegen das Thema, die Lehrperson oder Lernen allgemein entwickelt. Das belastet Lehrende, da Entscheidungen und Zusammenhänge immer wieder erläutert werden müssen oder es zu “Störungen” des lehrer*innenseitigen Ablaufs kommt. Lernende wiederum empfinden Maßregelungen oder Unverständnis bei Fragen als unfair.
Werden hingegen Abläufe und Regeln im Vorfeld transparent kommuniziert und besprochen, schafft das Sicherheit und Klarheit bei den Lernenden und entlastet die Lehrenden (Besand, Hölzel, Jugel 2018: 104).
Wichtig ist, dass bestimmte Aspekte nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch erklärt werden müssen, da nur so echte Transparenz entstehen kann. Denn nur, weil Lehrenden die Unmöglichkeit von etwas bewusst verständlich ist, muss es den Lernenden nicht ebenso gehen. Hier kann schnell in die Erfahrungsfalle getappt werden. Um die Erfahrungsfalle zu vermeiden, sollten die Bedeutungen von Plänen, Rahmenbedingungen, Bedürfnissen und Regeln gemeinsam besprochen werden. Das fördert auch den Aufbau von Verständnis bei den Lernenden.
Sicherheit ergibt sich aus Transparenz. Sicherheit in Lehr-Lern-Settings meint nicht nur die Sicherheit hinsichtlich existierender Bindungen, sondern auch das Vertrauen, dass diese unabhängig von der Lernentwicklung stabil und wertschätzend bleiben. Sicherheit bedeutet auch, zu wissen, was einen erwartet. Unbekannte Situationen sind häufig mit Stress und Unsicherheit verbunden. Wenn nicht klar ist, was passiert, kann auch nicht abgeschätzt werden, ob der Lerngegenstand und die Auseinandersetzung mit ihm positives Erleben verspricht. Werden Abläufe transparent gemacht, können Lernende sich im kommenden Lernprozess orientieren und erfahren dadurch Sicherheit hinsichtlich aktueller und zukünftiger Ereignisse. Wichtig ist es jedoch, diese Pläne einzuhalten und bei unumgehbaren Änderungen die Lernenden mitzunehmen.
Neben individuellen Zugängen zum Lerngegenstand und Aneignungsvorlieben, spielen Emotionen und die Beziehungen zu Lehrenden wie Lernenden eine entscheidende Rolle (Hölzel, Jugel 2019: 251f; Jugel, Steffens 2019: 89). Welchen Einfluss Bindung und Emotionen auf Lehr-Lern-Settings haben, kann unter “Beziehungen gestalten” und “mit Emotionen umgehen” vertiefend nachgelesen werden.
Gesichert ist, dass ein Zurückhalten und Unsichtbarmachen von Emotionen, bei allen Beteiligten, dazu führt, dass weder gute Beziehungen noch sichere Lern- und Entwicklungsräume entstehen können (Thies et al. 2015: 4f). Lernen und Entwicklung brauchen das Sichtbarmachen und darüber sprechen von aktuellen Gefühlslagen (Grams Davy 2017: 39f). Das bedeutet für Lehrende, ihr eigenes emotionales Empfinden sichtbar zu machen und Lernende dazu zu ermutigen und dabei zu unterstützen, dies auch zu tun. Wie sich eine fehlende Kommunikation auf Lern- und Entwicklungsprozesse sowie die pädagogischen Beziehungen auswirken kann, kann im Fall “Keine Kontinuität” nachgelesen werden.
Doch was ist gemeint, wenn gesagt wird, dass über Emotionen gesprochen werden muss? Es geht nicht darum, dass Lehrende ihre tiefsten Emotionen, Gedanken und Gefühle im Detail den Lernenden verdeutlichen sollen. Vielmehr geht es darum, Erwartungen, Bedürfnisse und eigene (Un)Sicherheit den Lernenden transparent zu machen (Thies et al.2015: 6). Sowohl Sie als Lehrperson als auch die Lernenden kennen Momente, in denen sie sich nicht gut fühlen und andere Dinge beschäftigen. Dies hat Einfluss auf die Motivation und Konzentration (Grams Davy 2017: 26). Transparente Kommunikation bedeutet, diesen Umstand sichtbar zu machen und so Irritationen und Unsicherheiten im Umgang und Verhalten zu vermeiden. Dadurch wird die Beziehung zu den Lernenden gestärkt und Vertrauen geschaffen (Thies et al.2015: 6).
Das hat Auswirkungen, die für eine individuelle Entwicklung bedeutsam sind. Authentische Handlungen der Lehrperson, in denen Emotionen, Bedürfnisse und eigene Werte sichtbar werden, ermutigen Lernende, sich ebenfalls so zu verhalten. Lernende können so das Vertreten von eigenen Standpunkten, Interessen, Werten und Gefühlen erkennen und erfahren. So erleben sie auch positive Effekte in Bezug auf ihre eigene Person sowie auf das Miteinander (Thies et al. 2015: 4). Auch Ängste und Unsicherheiten hinsichtlich eigener Fähigkeiten, können durch vertrauensvolles, transparentes Handeln minimiert und somit die eigene, positive Selbstwahrnehmung und Wirksamkeit der Lernenden gestärkt werden (Thies et al. 2015: 6).
Die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden ist immer asymmetrisch (Thies et al.: 11). Lernende bewegen sich, vor allem in Bildungsinstitutionen, immer in einem Regelsystem, das von Lehrenden maßgeblich gestaltet wird und auf das Lernende kaum bis keinen Einfluss haben (ebd.). Weiterhin führt der Umstand der Leistungsbewertung ebenfalls zu einer asymmetrischen Beziehung und Abhängigkeit (ebd.). Zwar kann Mitbestimmung an vielen Stellen diese Asymmetrie aufbrechen und Beziehungen auf Augenhöhe ermöglichen, das grundlegende Machtgefälle bleibt dennoch bestehen (Budde 2010: 386f). Gute pädagogische Beziehungen sowie gelingende Lern- und Entwicklungsprozesse erfordern von Lehrenden, diese “ungleiche Verteilung der Machtmittel” (Thies et al. 2015: 11) zu hinterfragen und sich aktiv damit auseinanderzusetzen. “Insofern ist auf Seiten der Lehrkraft Transparenzbereitschaft sich selbst gegenüber im Sinne einer kritischen Reflektion der eigenen Machtposition notwendig” (ebd.).
Natürlich lässt sich die Asymmetrie nicht gänzlich auflösen. Jedoch kann durch Kommunikation von Erwartungen im Umgang miteinander, von Regeln, aber auch von Leistungsanforderungen ein vertrauensvolles Miteinander geschaffen werden. Darüber hinaus fördern Maßnahmen zur Beteiligung in Lehr-Lern-Prozessen sowie ein zugewandter Umgang mit den Lernenden und Fehlern die pädagogische Beziehung zu den Lernenden (Thies et al. 2015: 12). Unsicherheiten in der pädagogischen Beziehung, Ängste und hierarchische Abhängigkeiten zwischen Lehrenden und Lernenden können so reduziert werden. Mehr dazu können Sie unter den Punkten “Pläne transparent machen” sowie unter “Regeln transparent machen” nachlesen.
Den Lernenden Orientierung im Lernprozess zu geben, ist demnach nicht nur eine einfache planerische Aufgabe. Es müssen die Bedürfnisse, Vorerfahrungen und Interessen der Lernenden einbezogen werden: Welche Informationen sind neu und wichtig, damit Abläufe verständlich werden? Welche Regeln und Rahmenbedingungen sind bereits vertraut und welche nicht? Was brauchen die Lernenden, um sich im Lernprozess sicher zu fühlen? Orientierung erfolgt dabei auf verschiedenen Ebenen, wie beispielsweise sozial, räumlich oder thematisch (Besand, Hölzel, Jugel 2018: 104).
Was ist hier zu finden?
Abläufe und Pläne transparent machen
Abläufe für Lehr-Lern-Veranstaltungen ansprechend zu gestalten und somit den Lernenden Orientierung zu geben, ist ein wirksames Mittel zur Gestaltung sicherer Lehr-Lern-Settings. Entdecken Sie hier Impulse zur Umsetzung.
Regeln und Rahmenbedingungen transparent machen
In vielen institutionalisierten Lehr-Lern-Settings gibt es Regeln und Bedingungen, die nicht verändert oder beeinflusst werden können. Das können auch individuelle Standpunkte von Lehrenden sein. Lesen Sie hier, wie Sie solche Aspekte wertschätzend und nachvollziehbar Lernenden transparent machen können.
Reflexionsfragen zur Orientierung
Nicht immer sind einem als lehrende Person alle unklare Rahmenbedingungen und Regeln bewusst. Die hier aufgeführten Reflexionsfragen sollen dabei helfen, den Blick für das, was die Lernenden nicht wissen können, zu schärfen.
Literaturtipps
Orientierung ist dabei jedoch nur ein Aspekt, der durch Transparenz geschaffen wird. Auch die Lernmotivation oder die Beziehung werden von Transparenz beeinflusst. Wenn Sie Interesse an einer vertieften Auseinandersetzung zu Orientierung und Transparent im Lehr-Lern-Prozess haben, finden Sie hier entsprechende Literaturtipps zum weiterlesen.