Jul 03, 2023
Fassadenbauexkursion nach London des Instituts für Baukonstruktion (04. bis 08.06.2023)
Nach der Pfingstwoche ging es am Sonntagabend für vierzehn Studierende zusammen mit Herrn Giese-Hinz und Herrn Engelmann per Direktflug von Dresden nach London. Die viertägige Exkursion stand ganz unter dem Motto der Fassade, passend zum Modul Gebäudehülle und Fassadenkonstruktion.
Am Montag starteten wir den Tag im Südwesten Londons an der Battersea Power Station. Das ehemalige Kraftwerk stand lange still und wurde erst in den letzten Jahren saniert, instandgesetzt und 2022 wiedereröffnet. Nah an der Themse gelegen, stellte Battersea in Spitzenzeiten bis zu 20% des Londoner Energiebedarfs. Mittlerweile wird das Gebäude vielfältig genutzt als Büro, Konzerthaus, Verkaufsfläche und Wohnraum.
Beeindruckend ist das schiere Ausmaß des Gebäudes welches eine reine Klinkerfassade hat. Diese zeichnet sich durch zwölf verschiedene Ziegelfarben aus, welche im Sanierungsprozess aufwendig nachempfunden wurden, um ein möglichst übergangsloses Bild zwischen originalen und sanierten Bauteilen zu erzielen. Im Gegensatz dazu wollte man deutlich zeigen, welche Gebäudeöffnungen original sind und welche sprossenlosen Fenster erst nachträglich eingefügt wurden. Glas als Fassadenelement setzt sich auch in den neu hinzugefügten Geschossen fort. Durch das Gebäude führte uns Sebastien Ricard von Wilkinson Eyre. Er berichtete nicht nur über die Sanierung und den teilweisen Wiederaufbau des Kraftwerkes, sondern auch über die umgebende Infrastruktur und das umliegende neu entstandene Viertel. Am Nachmittag verschafften wir uns von der Aussichtsplattform auf einem der Schornsteine in 109 Metern Höhe einen ersten guten Blick über London.
Am Nachmittag besuchten wir im nahegelegenen Viertel „Embassy Gardens“ den beeindruckenden Sky Pool. Graham Coult von Eckersley O’Callaghan war an der Planung und Ausführung des 15 m langen, freischwebenden Pools zwischen zwei Gebäuden beteiligt. Er erklärt uns den Aufbau sowie die komplizierte Installation der Acrylwanne in luftiger Höhe des elften Geschosses. Diese liegt in zwei Edelstahl verkleideten Auflagern und wird mit zwei unterhalb des Pools verlaufenden Zuggliedern verspannt. Mit diesem Bauwerk verabschiedeten wir uns in den ersten Abend in London und fuhren in unsere Unterkünfte.
Der Dienstag begann am Vormittag im Londoner Büro von Eckersley O’Callaghan. Den ganzen Tag wurden wir von Moritz Michel begleitet, welcher selbst Bauingenieurwesen an der TU Dresden studierte. Er arbeitet seit einigen Jahren bei Eckersley O’Callaghan und hat für uns den Tag organisiert und durchgeführt. Zu Beginn gab uns Damian Rogan als Technischer Leiter einen Einblick in die Arbeitsweise des Büros. Dabei thematisierte er in welchen Phasen eine enge Zusammenarbeit zwischen Bauherr:in, Architekt:innen und Fachplaner:innen besonders wichtig ist, sowie den gemeinsamen Designprozess einer Fassade, um Funktion und Äußeres zu einem hochwertigen Produkt unter einen Hut zu bringen. Auch das Thema der Nachhaltigkeit wurde thematisiert, da hier durch konstruktive Maßnahmen viel Energie im Betrieb des Gebäudes gespart werden kann. Im Anschluss an seinen Einstieg ging Damian auf einige Projekte von EOC ein und wie welche Knackpunkte gelöst wurden.
Nun ging es an den interaktiven Teil des Vormittags, denn Moritz hatte eine Übung für uns vorbereitet. Inhalt war die Fassade eines Wohn- und Bürogebäude des Londoner Stadtteils Aldgate, welches sich aktuell im Bau befindet. In kleineren Gruppen setzten wir uns mit der U-Wertberechnung und Bemessung der Pfosten und Riegel auseinander, für das sich wiederholende Standardelement der Elementfassade. Nach den Berechnungen ging es an die Zeichnung der konstruktiven Details.
Schwierigkeiten aber auch Ideen konnten wir hierbei gleich mit Moritz oder seinen Kolleg:innen besprechen. Dann wieder in großer Runde werteten wir unsere Ergebnisse bei einem Mittagsimbiss aus und teilten die Probleme und Erfahrungen, die wir bei der Übung gemacht hatten.
Einen runden Abschluss des Tagesprogramms bildetet dann der Besuch der Baustelle in Aldgate. Durch die verschiedenen Baufortschritte in den Etagen des Hochhauses konnten wir den Bauprozess gut nachvollziehen. Für das Verständnis des Ablaufs der Fassadeninstallation war es sehr hilfreich, dass wir uns am Vormittag ausführlich mit der Konstruktion auseinandergesetzt hatten. So beantworteten Moritz, seine Kollegin und der Bauleiter direkt all unsere Fragen vor Ort und erlaubten einen umfassenden Einblick in die Planung und die Ausführung einer Elementfassade.
Den Nachmittag verbrachten wir bei sehr untypischem englischen Wetter im Sonnenschein mit Sightseeing. Entlang der Themse besuchten wir die Tower Bridge, die Millenium Bridge, sahen St. Pauls Cathedral, den Big Ben und das London Eye. Zudem gab es Zeit zur Erarbeitung der Übungsaufgabe: Kleingruppen sollten ausgesuchte Fassadenkonstruktionen an verschiedenen Bauwerken in einem Selfie-Video erläutern.
Der Mittwochmorgen begann für einen Teil recht früh. Gemeinsam mit Brett Skeels ging es zur ersten Baustelle des Tages. Im Stadtteil Mayfair wird ein Bürogebäude neu gebaut, bei dem die Schneider Gruppe die Fassade gefertigt hat und nun montiert. Einige der Fassadenelemente wurden dafür im Vorhinein im Friedrich-Siemens-Laboratorium geprüft. Direkt am Gebäude schließt ein Entlüftungskamin der neuen Londoner U-Bahn Linie an, welcher sich nicht stark vom Gebäude abheben soll und deshalb mit den in der Fassade genutzten Materialien verkleidet wird. Im Baustellenrundgang mit dem Bauleiter Alex Bertoncelli von Schneider erfuhren wir viel über den Montageprozess und die dafür genutzten Geräte der Fassadenelemente. Ergänzt wurden die fachlichen Informationen durch organisatorische Probleme, die im Zuge des Brexits entstanden sind, Gesundheits- und Sicherheitsschutz auf britischen Baustellen und den strengen Umgang mit Brandschutzmaßnamen in Großbritannien seit dem Brand am Grenfelltower.
Am Nachmittag machten wir uns auf den Weg in Richtung Kings Cross. Neben dem Bahnhof entsteht das neue Londoner Büro von Google. Der „Landscraper“ erstreckt sich auf 350 m über zwölf Ebenen und ist sicherlich momentan eine der größten innerstädtischen Baustellen in London. Den Besuch möglich machten Schneider GB und die Josef Gartner GmbH. In zwei Blöcken zu je zwei Stunden zeigten uns Mitarbeiter:innen der beiden Firmen die von Ihnen ausgeführten Teile der Fassade. Zunächst war die schiere Größe des Gebäudes beeindruckend. Es konnte der Aufbau der Fassade wunderbar durch die sehr verschiedenen Baufortschritte erklärt werden. So ist der nördliche Teil noch weit von der Fertigstellung entfernt, während im südlichen Teil schon längst alle Gläser und Elemente installiert wurden.
Der großflächige in der ersten bis achten Ebene angebrachte Teil der Fassade des Gebäudes besteht aus vielen verschiedenen Elementen. Von den großen Holzpfosten aus Accoya, über die quer verlaufenden Fertigbetonelemente, welche sich stufenförmig über das Gebäude ziehen bis zu den Verglasungen. Letztere werden aus zwei übereinanderstehenden Isolierglasscheiben ausgeführt, welche über zwei Geschosse verlaufen. Die Lagerung erfolgt über eine Art Wippensystem, um Zwängungen durch Verformungen zu vermeiden. An der Südseite sind die hervor-stehenden Holzpfosten motorisiert, sodass je nach Sonnenstand für Verschattung über deren Rotation gesorgt werden kann.
Die obersten Ebenen, welche ein Mix aus Innenräumen und Dachterrassen beheimaten, sind mit ähnlicher Materialität aber anderen Fassadenelementen abgeschlossen. Die bodentiefen Verglasungen finden sich wieder, ebenso die Verwendung des Accoya Holzes. Dadurch, dass sich das Gebäude nach oben verjüngt, verspringen die Fassadenelemente, sodass die unteren Elemente gleichzeitig noch genutzte Fläche der darüber liegenden Geschosse tragen. In diesem Fall wurden in die Elemente große Kästen integriert, welche später für die Begrünung der Dachterrassen genutzt werden.
Am Abend traf sich ein Teil der Gruppe wieder, um auf Aussichtsplattform von „The Shark“ zu besuchen. Mit zwei Aufzügen ging es auf 244 m Höhe, um einen beeindruckenden Ausblick über London genießen zu können. Wenn auch ohne Führung, wurde auch hier die Fassade näher bestaunt. Wir konnten das eine oder andere Gebäude der letzten Tage entdecken und auch unser Ziel für den folgenden Tag erspähen. Der Abend fand seinem Ausklang im Hof eines typischen Pubs ganz in der Nähe.
Der Donnerstag war schon unser letzter Tag in London und wir begannen am Vormittag mit einer letzten Fassade. Nachdem es bisher hauptsächlich um die Planung und Ausführung ging, wechselte das Thema hier zur Instandhaltung von Fassaden. Am sogenannten „Walkie Talkie Tower“ trafen wir uns mit Julian Bostiog von Permasteelisa UK. Die Firma betreut das Gebäude, wenn es um den Austausch von beschädigten Gläsern geht. Durch die Wölbung der Fassade ist hier nicht nur die Größe der Elemente eine Hürde, sondern insbesondere der Abstand zwischen Fassade und einer Arbeitsbühne, welche vom Dach hinabgelassen wird.
Eine Ursache für das Entstehen von Rissen im Glas ist vielfältig und muss im Einzelfall bewertet werden.
Mit diesem Gebäude endete für uns eine spannende und eindrucksvolle Exkursion. Wir hatten die Chance einmalige Bauvorhaben zu besichtigen und unser Wissen im Bereich der Fassadenplanung und deren Umsetzung sowie Instandhaltung zu erweitern. Vielen Dank deshalb für die Organisation und Durchführung der Exkursion an Michael Engelmann und Johannes Giese-Hinz.