Dec 21, 2023
Promotion Sebastian May
Am 19.12.2023 verteidigte Herr Dipl.-Ing. Sebastian May erfolgreich seine wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Promotionsverfahrens mit dem Thema „Experimentelle Untersuchungen zum Querkrafttragverhalten von Stahlbetonbauteilen mit Carbonbetonverstärkung unter statischer und zyklischer Belastung“. Neben dem Vorsitzenden der Promotionskommission, Prof. Dr. Ivo Herle, (TU Dresden), waren als Gutachter Herr Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Manfred Curbach (TU Dresden), Prof. Dr. Jürgen Feix (Universität Innsbruck) und Prof. Dr. Sergej Rempel (Technische Hochschule Augsburg) anwesend. Als weiteres Mitglied der Promotionskomission war Prof. Dr. Peer Haller (TU Dresden) anwesend.
Abstract:
Aufgrund der hohen Dichte an älteren Bestandsbauwerken in Deutschland sowie den globalen gesellschaftlichen Herausforderungen bei den Themen Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen, spielt das nachhaltige Bauen im Bestand eine wichtige Rolle. Oft werden, bedingt durch statische Defizite Bestandsbauwerke entweder mit hohem Energie- und Materialaufwand abgerissen und neu errichtet oder dank minimalinvasiver Ertüchtigungsmethoden verstärkt. Hierbei hat sich in den letzten Jahren der Werkstoff Carbonbeton als besonders effizient und dauerhaft herausgestellt. Aufbauend auf der Darstellung des aktuellen Stands des Wissens zum Querkrafttragverhalten im Allgemeinen, zu ausgewählten normativen und wissenschaftlichen Querkraftmodellen sowie zu bekannten Maßnahmen zur Querkraftverstärkung, werden der Werkstoff Carbonbeton und deren bisherige Anwendung für die Querkraftverstärkung beschrieben. Die in Wissenschaft und Normung vorhandenen Berechnungsmethoden werden anschließend an den durchgeführten Großbauteilversuchen evaluiert. Im Rahmen der Arbeit werden statische und zyklische Querkraftversuche an Plattenbalken mit zwei unterschiedlichen Geometrien und verschieden aufgebauten Carbonbetonverstärkungen
durchgeführt. Insgesamt werden fünf Referenz- und 25 verstärkte Bauteile im Vier-Punkt-Biegeversuch unter statischer Belastung geprüft. Variiert werden dabei die eingesetzten Carbongitter, die Verstärkungsart am Steg, die Lagenanzahl, die Anordnung und die Ausrichtung des Carbongittersin der Verstärkungsschicht sowie die Schubschlankheit. Zudem wird der Einfluss einer Vorschädigung des Grundkörpers vor dem Verstärken untersucht. Anhand der Versuche mit Carbonbetonverstärkungen konnten Traglaststeigerungen zwischen 25 bis 50 % experimentell nachgewiesen werden, was die Eignung dieser Querkraftverstärkungsmethode belegt. Der in Deutschland gültige Eurocode 2 zeigt, auf der sicheren Seite liegend, für die nicht verstärkten Stahlbetonbauteile Abweichungen um den Faktor ~2,5 gegenüber den Versuchslasten auf. Internationale Regelwerke sowie die wissenschaftlichen Modelle lassen eine deutlich genauere Traglastberechnung zu. Die bekannten Modelle zur Querkrafttragfähigkeit von Bauteilen mit Carbonbetonverstärkung überschätzen das Tragverhalten der geprüften Probekörper, da diese von einem Schubversagen infolge Versagens der Bügel- und/oder Carbonbewehrung ausgehen.
Die zyklischen Bauteilversuche werden über 2 × 106 Lastwechsel auf unterschiedlichen Lastniveaus durchgeführt. Anschließend werden die Bauteile auf die Resttragfähigkeit geprüft. Als Referenz dienten dabei die unverstärkten und verstärkten Probekörper im statischen sowie ein unverstärkter Träger im zyklischen Versuch. Alle zyklisch beanspruchten und verstärkten Probekörper hielten der geforderten Lastwechselzahl stand und versagten bei der Resttragfähigkeitsprüfung auf demselben Lastniveau wie die verstärkten Referenzbalken. Bei dem unverstärkten Probekörper wird hingegen ein Abfall um ~30 % infolge einer zyklischen Belastung bei der Resttragfähigkeit festgestellt. Eine Eignung der Carbonbetonverstärkung für zyklisch beanspruchte Bauteile ist somit nachgewiesen.
Bei zahlreichen Querkraftversuchen mit Carbonbetonverstärkung konnte eine erkennbare
Grenze bezüglich des maximal möglichen Verstärkungsgrads in Abhängigkeit der vorhandenen Betonzugfestigkeit erkannt werden. Dies lässt sich mit den beobachteten Versagensbildern durch ein Ablösen der Verstärkungsschicht vom Altbetonquerschnitt infolge Querzugbeanspruchung beschreiben und ist unabhängig von der Lagenanzahl der Carbongitter in der Verstärkungsschicht. Dabei trat das Versagen in der Fuge zwischen Altbeton und Feinbeton sowie im Altbetonauf. Hierzu wird im Rahmen der Arbeit ein Vorschlag zur Begrenzung der einwirkenden Schubspannung präsentiert.
Aufgrund der Komplexität des Querkrafttragverhaltens von Stahlbetonbauteilen ohne und mit Carbonbetonverstärkung sind weitere grundlegende experimentelle und theoretische Untersuchungen in Zukunft erforderlich. Neben der Umschließung der Biegezugbewehrung an der Unterseite des Plattenbalkenstegs mit der Carbonbetonverstärkung sind zusätzliche Maßnahmen zur Verankerung der Carbongitter in der Druckzone zu erforschen. Des Weiteren muss der Einfluss einer reinen Biegezugverstärkung sowie einer kombinierten Biege- und Querkraftverstärkung
mit Carbonbeton auf das Querkrafttragverhalten untersucht werden. Da ältere Bauwerke vor allem mit glattem Stahl bewehrt sind und sich diese Bauteile i. d. R. im gerissenen Zustand II befinden, sind diese Randbedingungen in weiterführenden Versuchen ebenso zu berücksichtigen.
Wir gratulieren Herrn Sebastian May herzlich zum abgeschlossenen Promotionsverfahren und wünschen ihm alles erdenklich Gute und viel Erfolg für seinen weiteren Weg.