Programm
Modul I: Partikelwechselwirkungen als Grundlage der Rheologie von Bindemittelsuspensionen
Die Mechanismen der Wechselwirkung zwischen einzelnen Partikeln bzw. zwischen Partikeln und der Trägerflüssigkeit werden für ein besseres Verständnis des rheologischen Verhaltens frischer Baustoffsuspensionen erforscht. Die chemische Reaktivität der feinen Partikel, die Größe und die Morphologie der Partikel im Laufe der Hydratation, die Zusammensetzung und die Eigenschaften der Trägerflüssigkeit und das mechanische Wechselwirkungsverhalten der Partikel sollen hier erfasst werden und als Grundlage für eine mikromechanische Modellierung dienen. Insbesondere muss es Zielsetzung sein, die Mechanismen der Agglomerierung und Dispergierung einzelner Baustoffpartikel zu verstehen und beschreiben zu können.
In der ersten Förderperiode sollen vornehmlich die Kraft-Partikelabstands-Wirkungsbeziehungen unter Berücksichtigung der Bindemittelzusammensetzung und der eventuellen Zugabe organischer Betonzusatzmittel erarbeitet werden. Als Referenzbindemittel sollen ein bestimmter Portlandzement und ein bestimmter Kompositzement (mit Hüttensand- bzw. Kalksteinmehlanteilen) dienen. Die obligatorische Verwendung von Referenzmaterialien für Kernuntersuchungen in den einzelnen Projekten soll die notwendige Basis für die synergetische Forschung im gesamten SPP schaffen. Der Schwerpunkt der zweiten Förderphase soll dann in der Erweiterung der Betrachtungen auf Betonzusammensetzungen mit Zusatzstoffen wie Flugasche und Silikastaub bestehen. Andere Bindemittelsysteme wie z. B. Geopolymere oder alternative Zemente sollen im SPP nicht betrachtet werden. Als Referenzfließmittel werden für die erste Phase max. drei Materialien festgelegt. Die Entwicklung von Zusatzmitteln gehört nicht zu den Zielen des SPP. Projekte zur Hydratationschemie von Zement sind nur dann geeignet, wenn sie gezielt dazu beitragen, die morphologischen Veränderungen der Partikel infolge der Hydratation und die Menge, Größe und Zusammensetzung neu gebildeter Partikel zu quantifizieren und deren Wechselwirkungsverhalten zu beschreiben.
Modul II: Fließ- und Verformungsverhalten von Frischbeton
Zielsetzung des Moduls II ist es, durch Entwicklung geeigneter Homogenisierungstechniken und Modelle das Wechselwirkungsverhalten der beteiligten, diskreten Partikel in einen homogenen, räumlich veränderlichen Spannungszustand für die untersuchte Suspension zu überführen. Da das Verarbeitungsverhalten von Frischbeton in vielfältigen Anwendungen durch belastungsbedingte Entmischungsvorgänge geprägt wird, müssen derartige Modelle insbesondere in der Lage sein, lokale Veränderungen in der Kornzusammensetzung und den Packungseigenschaften der Suspension zu berücksichtigen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung geeigneter Messtechniken, mit denen die rheologischen Eigenschaften von Beton bzw. Baustoffsuspensionen im Allgemeinen idealerweise für beliebige Spannungszustände und Temperaturen erfasst werden können. Von besonderer Bedeutung ist es dabei, nicht nur das Verhalten des homogenen Baustoffs zu betrachten, sondern auch den Einfluss scher- bzw. sedimentationsbedingter Entmischungsvorgänge zu untersuchen. Außerdem sollen der Einfluss der Faserzugabe auf die rheologischen Eigenschaften zementbasierter Werkstoffe sowie die Einflüsse der rheologischen Eigenschaften der Matrix und der Verarbeitungsvorgänge auf die Verteilung und Orientierung von Fasern eingehend untersucht und Möglichkeiten zur Steuerung dieser Parameter eruiert werden.
Den Schwerpunkt der ersten Förderperiode sollen insbesondere Arbeiten zur Entwicklung geeigneter mikromechanischer Modellansätze darstellen, auf die dann die numerische Modellierung von baupraktischen Prozessen aufbauen kann. Die Entwicklung grundlegend neuer numerischer Algorithmen ist nicht das Ziel des SPP, vielmehr soll der Fokus auf die möglichst zutreffende Wiedergabe bzw. Vorhersage des Materialverhaltens im Kontext der jeweiligen Beanspruchungen und Rahmenbedingungen gerichtet sein. Hierzu sind die geeignetsten Methoden heranzuziehen und weiterzuentwickeln. Den Schwerpunkt der zweiten Förderphase sollen Arbeiten zu Sonderbetonen bilden.
Modul III: Stoffgesetze und Methoden zur Beschreibung und Beeinflussung technologischer Prozesse
Aufbauend auf entsprechende konstitutive Stoffgesetze sind geeignete Ingenieurmodelle und numerische Methoden zur Simulation typischer bautechnologischer Prozesse zu entwickeln und für ein breites Spektrum an Betonen zu validieren. Im Zentrum der Arbeiten soll dabei stehen, den Bauvorgang durch ein grundlegendes physikalisches Verständnis der daran beteiligten Vorgänge und Mechanismen planbarer und sicherer zu machen. Die zu entwickelnden Ingenieursmodelle und numerischen Simulationsmethoden sollen nach Möglichkeit die gesamte Bandbreite der heute zum Einsatz kommenden Betone und Verfahren abdecken. Auch Methoden zur effizienten Simulation der Effekte, die durch eng liegende Bewehrung, Einbauteile, Rauheit der Kontaktflächen u. ä. entstehen, sind im Fokus des Interesses. Neben der Betrachtung heute üblicher Betone und Verfahren soll ein besonderes Augenmerk auch auf neuartige, zumeist fasermodifizierte Betone und auf innovative Verarbeitungstechniken gelegt werden. Auf die Bedeutung einer experimentellen Validierung der Simulationsergebnisse wird ausdrücklich hingewiesen. Hierzu sind ggf. geeignete Messtechniken im Rahmen der beantragten Projekte zu entwickeln und ebenfalls zu validieren.
Bei allen Technologie-affinen Projekten ist eine enge Anknüpfung an die in Modul I und Modul II zu entwickelnden Stoffgesetzmäßigkeiten sowie eine physikalisch basierte Beschreibung des Prozesses von großer Bedeutung. Bei der Auswahl der betrachteten Prozesse sollte klar das rheologische Verhalten der fertigen Suspension, nicht jedoch die Technik zur Herstellung dieser Suspension im Vordergrund stehen. Im Hinblick auf Arbeiten an der Schnittstelle Baustofftechnik/Maschine sollen ebenfalls die rheologischen Eigenschaften der Suspension deutlich im Vordergrund der Forschung stehen. Gegenstand des SPP ist nicht die Optimierung/Verbesserung einzelner technologischer Prozesse sondern vielmehr die Schaffung der wissenschaftlichen Grundlagen, auf deren Basis eine solche Optimierung im Rahmen industrienaher Vorhaben vorgenommen werden kann.
Die adressierten Fragen sollten in jedem Projektantrag auf mindesten zwei der durch Module I bis III definierten Skalen behandelt werden. Um die übergeordneten Ziele des Programms durch eine ausgeprägt interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu erreichen, sind Gemeinschaftsanträge aus verschiedenen Fachdisziplinen besonders erwünscht. Bei der Verbundbildung kann Prof. Viktor Mechtcherine als Koordinator des Programms gegebenenfalls unterstützen.