Große Hydrologische Exkursion 2007
Ein wissenschaftlicher Bericht des Jahrganges 2003
12.08.2007 - 23.08.2007
Dieser Bericht ist die "benutzerfreundliche Version" des Abschlussberichtes, um allen Besuchern dieser Seite einen ersten Eindruck von den fachlichen Aspekten der großen hydrologischen Exkursion zu vermitteln. Bei Fragen oder Interesse am Originalbericht können Sie sich gerne an den Exkursionsleiter Herrn Dr. Schwarze wenden.
Inhaltsverzeichnis
- Blautopf
- Rheinregulierung in Lustenau
- Seenhydrologie des Bodensee in Langenargen
- Gletscherexkursion zum Vernagtferner (Ötztaler Alpen)
- Flimser Bergsturz und Rhonegletscher
- Grande Dixence
- Massa-Pegel und Wasserfassungen am Aletschgletscher; Hochwasserproblematik der Stadt Brigg
- Transfer und Rheinfall Schaffhausen
- Donaukarstexkursion, Aachquelle
12.08.07 - Blautopf in Blaubeuren
Das erste Exkursionsziel war Blaubeuren in Baden-Württemberg (D). Hier besuchten wir den legendären Blautopf.
Der Blautopf als artesischer Quellaustritt des Kalkgesteins, ist Folge der Wasserbewegung im Karstsystem Schwäbische Alb. Die im Südwesten Deutschlands gelegene Schwäbische Alb entstand vor ca. 250 Mio. Jahren, als sich dieses Gebiet über große Teile als Becken erstreckte. Im Weißen Jura vom Meerwasser überflutet, sedimentierten hier vor allem Muschelkalke und bildeten nach Rückzug des Meeres und Verfestigung der Sedimente das Ausgangskalkgestein des heutigen Gebietes. Im Laufe der Zeit bildeten sich Risse und Klüfte im Gestein, in welche das Niederschlagswasser als Sickerwasser eindrang. Das unterirdisch in Höhlen und Klüften abfließende Wasser begünstigte neben der fluvialen Erosion vor allem die Lösungsverwitterung, bei der (aus der Luft und dem Boden) CO2 in der Lösung in dissoziierter Form als Hydrogencarbonat-Ionen und Protonen der Kohlensäure vorliegt. Das anstehende Carbonatgestein (CaCO3) wird entsprechend dem Kalk- Kohlensäure- Gleichgewicht abgebaut, indem frei werdende Carbonat- Ionen mit den Protonen zu Hydrogencarbonat (H2CO3) reagieren.
Die durch den Lösungsprozess voranschreitende chemische Verwitterung begünstigt einen schnellen Abfluss des Niederschlagswassers durch das Karstsystem innerhalb weniger Tage.
Am Blautopf treten somit zum Beispiel 2,5 m3/s (mittlere Schüttung) als artesische Quelle aus. Hierbei wird das Wasser aus einer Tiefe von ca. 21 m senkrecht durch einen Trichter nach oben gedrückt und fließt dann als Fluss "Blau" im ehemaligen Donautal ab. Bemerkenswert ist hier, dass das Wasser entgegengesetzt zur ehemaligen Fließrichtung der Donau in ihrem alten Arm abfließt.
Die blaue Farbe des Wassers wird verursacht durch das Sonnenlicht, welches auf das sehr kalkhaltige Wasser fällt.
Da das Einzugsgebiet der Blautopfquelle ca. 150 km2 groß ist und versickernde Wässer innerhalb kürzester Zeit die Quelle der "Blau" erreichen, wurde die Trinkwassernutzung durch die geringe Fließzeit und Reinigungswirkung eingestellt.
13.08.2007 - Rheinregulierung in Lustenau
Aufgrund der einhundertjährigen Flussbaugeschichte (1892- 1992) Österreichs und der Schweiz am Rhein, existiert seit 1992 eine Ausstellung mit dem Namen "Rhein Schauen". Bei unserem Besuch betrachteten wir den ökologischen Wasserbau und technische Maßnahmen am Alpenrhein im Sinne der Gewässernutzung und des Hochwasserschutzes der Anrainer. Ein besonderer Dank gilt Herrn Dipl. Ing. Uwe Bergmeister für seine sehr interessanten Ausführungen zur Rheinregulierung.
Allgemeine Angaben zum Alpenrhein
Der Alpenrhein besitzt ein Einzugsgebiet von 6140 km2, welches sich über die Staaten Österreich, Schweiz, Lichtenstein und Italien erstreckt. Kilometer Null des Alpenrheins ist am Ort des Zusammenflusses von Vorder- und Hinterrhein bei Reichenau. Somit erstreckt sich der Alpenrhein im Wildbachcharakter über ca. 90 km bis zu seiner Mündung in den Bodensee.
Hydrologie und Hydrodynamik
Mit Niederschlägen von ca. 1500-2500 mm/a im Einzugsgebiet kann ein rascher Abflussbildungsprozess über 5-6 Zubringerflüsse (zu je 500-2000 m3/s) erfolgen, welche in kürzester Zeit zu Hochwässern führen können. So zum Beispiel das letzte große Hochwasser von 1987 mit einem Abfluss von 2750 m3/s. Das hundertjährliche Hochwasser (HQ(100)) des Alpenrheins wurde anschließend aufgrund eines Dammbruches im Rheinvorland auf ca. 3100 m3/s berechnet.
Der Alpenrhein fließt in Lichtenstein alternierend in einem Trapezprofil und in Österreich und der Schweiz begradigt ab dem Zufluss des Flusses Ill in einem Doppeltrapezprofil in Richtung Bodensee.
Eine mittlere Erosionsrate im Einzugsgebiet von ca. 0,5 mm/a ist Ursache für den hohen Geschiebe- und Schwebstofftransport im Alpenrhein. Somit werden pro Jahr ca. 40 000 m3 Kies und 2,5 Mio. t Schwebstoffe an der Mündung in den Bodensee abgelagert. Diese hohe Sedimentationsrate zieht einige Konsequenzen nach sich. Der Unterlauf des Rheins wirkt durch dessen geringe Fließgeschwindigkeit als Sedimentationszone. Dadurch hebt sich die Gewässersohle an und das Hochwasserrisiko steigt. Weiterhin verlagert sich die Alpenrheinmündung zunehmend in den Bodensee. Es ergeben sich weitreichende negative Folgen für den Bodensee, welcher u.a. als Trinkwasserreservoir von über 400 Mio. Menschen in der Schweiz, in Österreich und Deutschland genutzt wird.
Rheinregulierung
Den Gefahren der Trinkwasserunterversorgung sowie des erhöhten Hochwasserrisikos wollte man durch die Regulierung des Alpenrheins entgegenwirken. Dafür wurde ein Vertrag zwischen Österreich und der Schweiz geschlossen. Begradigungen und Laufverkürzungen sollten das Hochwasserrisiko mindern. Weiterhin wurde in den 50er Jahren die Gewässersohle durch Flusseinengung auf 40 m Breite herabgesetzt. In der heutigen Zeit (nach 50 Jahren) muss wieder über den Hochwasserschutz und die Rheinregulierung nachgedacht werden, denn ein HQ(100) würde im hoch industrialisierten Gebiet um Lustenau mit einem riesigen Schadenspotential von geschätzten 300-500 Mio. € enorme Schäden anrichten. Um dieses zu verringern, wurde das Schutzziel auf ein dreihundertjähriges Hochwasser (HQ(300)) mit einem Abfluss von 4300-4500 m3/s erhöht. Maßnahmen hierbei sind u.a. die Überleitung der HQ(100)-HQ(300) in Gebiete mit geringerem Schadenspotential und die Deichsanierung, sowie ein Geschiebemanagement, ohne welches sich die Gewässersohle des Mündungsdeltas um ca. 1,5 m/a anheben würde.
Weiterhin wird die Verlandung des Bodensees verringert, indem die Alpenrheinmündung mittels eines Kanals 5 km in den Bodensee hinein verlegt wurde, wodurch links- und rechtsseitige Uferlinien und Buchten am Bodensee erhalten bleiben sollen (sonst: z.B. Verlandung der Fußacher Bucht in ca. 50 a). Mit dem Vorstreckungsprojekt kann die Sedimentation des Bodensees durch die Dammlängen links und rechts des Kanals in verschiedene Richtungen gesteuert werden. Von der IGKB (Internationale Gewässerschutzkommission Bodensee) überwacht, wird die Sedimentfracht durch absinkendes kaltes Alpenrheinwasser in den Bodensee in die Tiefe transportiert und über den gesamten See verteilt. Die Hauptströmungsrichtung (heute Nordwesten) und damit die Richtung, in die sich das Delta ausbreitet, hat Einfluss auf die die Trinkwasserversorgung, da Trinkwasser-Kraftwerke am Bodensee bei höheren Schwebstoffanteilen im Entnahmewasser mehr Aufwand in die Aufbereitung stecken müssen.
14.08.2007 - Seenhydrologie des Bodensee in Langenargen
Der dritte Tag der Exkursion startete am "Institut für Seenfoschung" (ISF). Dort wurden wir durch Herrn Dr. Wolf betreut. Am Vormittag erfuhren wir Näheres zum ISF, um dann am Nachmittag das Forschungsschiff des ISF auf den Bodensee zu begleiten.
Das ISF wurde 1919 unter dem Namen "Anstalt für Bodenseeforschung" gegründet. Im Jahr 1975 wurde die "Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg" (LFU) gegründet, dem das ISF mittlerweile angehört. Seit 1998 in der Abteilung "Wasser und Altlasten" ansässig, sind die folgenden Aufgaben und Ziele dem ISF zugeordnet:
- Beobachtung mittels Messungen,
- Bewertung zum ökologischen Zustand und
- Beratung der zuständigen Ministerien
Diese drei Eckpfeiler des Instituts gelten für die Anwendung auf alle großen und kleineren Seen in Baden-Württemberg. Der größte See, welcher in den Zuständigkeitsbereich der ISF fällt, ist der Bodensee. In den Fachgebieten Seenphysik, Sedimentologie, Hydrochemie sowie Hydrobiologie und Fischökologie werden jeweilige Untersuchungen am und im Bodensee durchgeführt.
Im Tagesverlauf sollte dem Bodensee, welcher aufgrund seiner Größe und damit seiner Bedeutung der wichtigste See für die ISF ist, alle weitere Aufmerksamkeit gelten.
Der Bodensee, dessen Gesamtvolumen 48,4 km3 beträgt, befindet sich an der südwestlichen Grenze Deutschlands zur Schweiz, Österreich und Lichtenstein. Seine Entstehung geht auf die Eiszeit zurück, als durch den darauf folgenden Temperaturanstieg die Gletscherschmelzwässer der Alpen im so genannten "Bodenseebecken" sich sammelten und vor ca. 15'000 Jahren den Bodensee bildeten.
Der Bodensee wird grob unterteilt in den Obersee (mittlere Tiefe: 100 m, max. Tiefe: 253 m) und den Untersee (mittlere Tiefe: 13 m, max. Tiefe: 40 m). Sein Einzugsgebiet beträgt 11'500 km2.
Da das Wasser des Bodensees zur Trinkwasserversorgung genutzt wird, gleichzeitig jedoch Abwässer der oben genannten Anrainerstaaten (auch Italien) eingeleitet werden, wurde die "Internationale Gewässerschutzkommission" zum Schutze des Bodensees gegründet. Erste Erfolge durch eine verbesserte Kooperation untereinander konnten zum Beispiel mit dem Herabsetzen des Phosphatgehaltes oder der Erhöhung und Stabilisierung des Sauerstoffgehaltes auf rund 7,4 g/m3 erreicht werden. Allerdings belegen hydrobiologische und hydrochemische Untersuchungen, dass weiterhin Probleme mit Schadstoffen, wie Pflanzenschutzmitteln oder Arzneimittelrückstände auftreten. Außerdem kann eine Verbesserung des ökologischen Zustandes des Bodensees durch eine veränderte Ufergestaltung (bisher sind ca. 50 % der Ufer verbaut) erreicht werden.
Am Nachmittag fuhren wir mit dem Forschungsschiff des ISF "Kormoran" auf den Bodensee. Die Fahrt begann im Hafen von Langenargen, verlief über den Rheinbrech nach Lindau und endete wieder im Hafen von Langenargen.
Während der Fahrt erkundeten wir den Bodensee mittels Echolot vom Schiff aus. Außerdem erhielten wir eine Einführung zum Arbeiten mit Multisampler (gleichzeitige Probenahme aus mehreren Wassertiefen) und Multiparametersonde (ADCP-Sonde: zur Messung von 3D-Strömungsgeschwindigkeiten; Messung von pH-Wert, Chlorophyllgehalt, Druck und Leitfähigkeit). Um den Praxisfall kennen zu lernen, nahmen wir eine Sedimentprobe aus ca. 100 m Tiefe und eine Planktonprobe aus dem oberflächennahen Bereich.
Letzter Tagespunkt auf dem Schiff war die Besichtigung des Rheinbrech. Hier mündet der Alpenrhein mit seiner hohen Schwebstofffracht (Geschiebe aus den Alpen) in den Bodensee. Beeindruckend hierbei war der deutlich sichtbare Unterschied beider Wässer. Das milchig trübe Alpenrheinwasser mit seinen niedrigen Temperaturen taucht unter das warme klare grünblaue Wasser des Bodensees und "schüttet" seine Schwebstoffe in diesen hinein.
15.08.2007 - Gletscherexkursion zum Vernagtferner (Ötztaler Alpen)
Höhepunkt der Exkursion war die Gletscherwanderung zum Vernagtferner mit 2-tägiger Übernachtung in der Vernagt-Hütte auf 2766 m. Von hier aus ging es am 16.08.07 unter Leitung von Herrn Dr. Ludwig Braun (Kommission für Glaziologie–Bayerische Akademie der Wissenschaften, München) in das Gletschergebiet des Vernagtferners im hinteren Ötztal am Weißkamm.
Unsere Route führte uns zu Beginn über die seit 1850 existierende Seitenmoräne (Höchststand des Gletschers in der Kleinen Eiszeit) auf das Gletschereis. Hier erwanderten wir die Gletscheroberfläche mit dessen Gletschermühlen und erkundeten eine Gletscherhöhle. Anschließend wurde auf dem Weg zum Schwarzkögele (3079 m) ein Felsriegel überquert, bevor es letztendlich zur Pegelstation des Vernagtbaches am Fuße des Gletschers ging.
Der Vernagtferner gilt als der am längsten und intensivsten erforschte Gletscher der Alpen. Eine erstmalige vollständige Kartierung im Maßstab 1:10 000 wurde 1889 durchgeführt.
Ziel aller Forschungen am Gletscher ist zuerst einmal die Ermittlung seiner Massenbilanz. Dies geschieht seit dem 17. Jahrhundert mittels geodätischer Methoden und seit den 1970-er Jahren durch glaziologische Methoden.
Ersteres geschieht mit Steinreihensetzungen auf der Gletscheroberfläche quer zum Tal, anhand derer eine Wanderung des Gletschers ins Tal nach einer bestimmten Zeit und über die gesamte Talbreite nachgewiesen werden kann. So zum Beispiel können Extremvorstöße von 300 m pro Jahr bis ins Rofental (normal: 20-30 m pro Jahr) gemessen werden. Zweites und wichtigstes Messziel ist die Messung der Ablation des Gletschers mittels Ablationspegel.
Im Jahr 2003 wurde für den Vernagtferner eine mittlere Abschmelzrate von 2,5 m pro Jahr ermittelt.
Weiterhin sollte die Wasserbilanz des Gletschers erfasst werden, wodurch der Bau einer Pegelstation im Jahr 1973 am Vernagtbach erforderlich war. Hier werden Lufttemperatur, Niederschlag, Verdunstung als auch Wind sowie Schneedicke und Wasserstand gemessen. Somit ist die Jahresbilanz aus Winterbilanz (hauptsächlich Gletscherwachstum durch Schneefälle) und Sommerbilanz (hauptsächlich Gletscherschrumpfung durch Schneeschmelze) ermittelbar. Tendenziell ist eine negative Jahresbilanz, d.h. die Schrumpfung des Gletschers in den letzten Jahrzehnten festzustellen.
Abschließende Feststellungen:
- Das Abschmelzen des Gletschers mit der Zeit resultiert nicht aus wärmer werdenden Tagestemperaturen, sondern aus der größer werdenden Anzahl warmer Tage innerhalb eines Jahres!
- Die immer geringer werdenden Schmelzwassermengen des Gletschers sind keine Gefahr für die Natur, da sie selbst auch ohne Gletscher weiter existieren würde.
- Ein Problem entsteht erst mit der stetigen Schmelzwassermengennutzung durch den Menschen zu Trinkwasserzwecken und zur Kraftwerkskühlung, bei der sich auf die immer geringer werdenden Wassermengen eingestellt werden muss!
Derzeit werden Experimente zur Lokalisation von Toteisstellen am Gletscherrand durchgeführt.
18.08.2007 - Tag zur freien Gestaltung
Der 7. Exkursionstag diente der freien Gestaltung und wird deshalb hier nicht weiter beschrieben.
19.08.07 – Flimser Bergsturz und Rhonegletscher
Der Flimser Bergsturz
In der Rheinschlucht nahe dem Bahnhof Versam-Safien besuchten wir den Flimser Bergsturz. Vor ca. 10000 Jahren stürzte hier eine 12 bis 15 km3 große Felsmasse über fast 1000 m tief in ein glaziales Trogtal. Auf einer Gleitbahn von 20 Grad rutschte der Abbruch in den 1,5 km breiten Talgrund des Rheins und türmte sich bis ca. 750-800 m darüber auf. Dabei verhielt sich das abrutschende Gestein "wasserähnlich" und "brandete" am gegenüberliegenden Hang.
Die Anrissstelle liegt auf 2700 m ü. NN, das Trogtal auf 600 m ü. NN. Dabei bestand die Schuttmasse aus Kalken mit Ton und Mergelschichten. Der größte Teil wurde beim Rutsch völlig zertrümmert und durch Druck, Beschleunigung und Reibung in den in den tieferen Schichten zu einem stabilen Gestein verbacken.
Ursachen
Warum kam es zum zweitgrößten Bergsturz der Welt? In der Eiszeit rückten die Alpengletscher vom Alpenraum her bis nördlich des Bodensees vor. Diese wirkten mit einem gewaltigen Druck gegen die Bergflanken und es entstanden Scherzonen. Dadurch wurden Schichtpakete gelockert und brüchig, konnten aber durch den Permafrost zusammengehalten werden. Mit Beginn des Gletscherrückzuges verringerte sich die Wirkung des Permafrost allmählich und ließ erst Jahrhunderte später völlig nach. Das Gestein verlor mit der Zeit seine Stabilität. Demnach wurde der Bergsturz durch den Rückgang des Permafrostes hervorgerufen.
Folgeerscheinungen
Durch den Bergsturz wurde das komplette Tal des Vorderrheins zwischen den heutigen Dörfern Castrisch und Reichenau begraben, der Vorderrhein staute sich zu einem großen See, der Ilanzersee. Spuren belegen, dass der Ilanzersee mit einem Wasserspiegel von 820-840 m ü. NN mindestens 1000 bis 2000 Jahre Bestand hatte. Durch die wasserseitige Abtragung der hangenden Lockermasse als Folge von oberirdischem Abfluss, kam es zum Durchbruch des Bergsturzes. Die dabei entstandene Flutwelle soll Angaben zufolge, die komplette "Talebene von Reichenau überschwemmt haben und das Hinterrheintal bis nach Thusis hinaufgeschwappt sein" (Hess, W. 2007). Relikt dieser geomorphologischen und hydrologischen Prozesse ist die bis zu 400 m tiefe Rheinschlucht.
Rhonegletscher
Zweiter Exkursionspunkt des Tages war der Rhonegletscher, ein typischer Talgletscher. Dieser liegt im äußersten Nordosten des Kantons Wallis. Er befindet sich zentral im Quellgebiet der Rhone und überdeckt mit seinen 8* km Länge eine Fläche von 17,6* km2. Die Gletscherzunge liegt auf 2250 m ü. NN oberhalb eines steilen Berghanges. An dieser Stelle ist der Austritt der Rhone erkennbar. Aufgrund des stetigen Rückgang des Gletschers hat sich vor der Schwelle des Steilhanges ein See gebildet, der von Jahr zu Jahr größer wird. Für touristische Zwecke wurde eine 100 m lange Eishöhle in den Rhonegletscher geschlagen.
(* Daten von 1973)
Während der letzten 4 großen Eiszeiten war der Rhonegletscher der größte Gletscher der Schweiz. Er füllte das ganze Wallis aus und teilte sich beim Genfersee in zwei Arme. Findlinge und verirrte Blöcke belegen, dass der nördliche Arm maximal bis nach Basel reichte, der südliche Arm dem Rhonetal folgte und sich bis Lyon ausdehnte.
Ab 1874 wurden die Veränderungen des Gletschers durch die Schweizer Gletscherkommission erfasst und dokumentiert. Die erstmalige Veröffentlichung der Forschungsergebnisse im Jahr 1916 beinhaltete Karten sowie Messdaten über die Bewegung, den Niederschlag und die Ablation des Gletschers.
Im Durchschnitt hat sich der Rhonegletscher seit 1874 jährlich um 8,5 m zurückgezogen und ca. 25 cm an Eisdicke eingebüßt. 1991 ergaben Massenbilanzmessungen eine negative Bilanz bis in eine Höhe von 2900–3000 m ü. NN. Oberhalb dieses Niveaus wächst jedoch die Schneedecke weiter an, was auf die tiefen Temperaturen und den höheren Niederschlag zurück zu führen ist.
Die Albedo als wichtigste Eigenschaft der Oberfläche hat enormen Einfluss auf die Ablation. Die Temperaturen von Stein- und Schuttflächen an strahlungsintensiven Tagen können über 10 °C liegen und das Abschmelzen wird stark beschleunigt. Zur Entwicklung des Rhonegletschers gibt es eine Simulation der ETH Zürich.
Rhonepegel in Gletsch
Im Anschluss wurde der Rhonepegel auf 1761 m ü.NN besichtigt. Das 38,9 km2 große Einzugsgebiet ist zu 50 %* vergletschert. In der Messperiode 1956-2005 betrug der größte Abfluss HHQ=28,5 m3/s (im Jahr 1987), der Wert entspricht etwa einem 55-jährigen Hochwasserereignis.
(* Daten von 2006)
20.08.07 – Grande Dixence
Betreiber der kompletten Anlage ist die HYDRO Exploitation SA, welche eine Einführung in die Hintergründe und den Steuerungsprozess der Anlage Grande Dixence gab.
Projekt Cleuson-Dixence
Anliegen
Die im Lac des Dix gespeicherten 400 Mio. m3 Wasser entsprechen 20 % des Energievorrates der Schweiz. 3 Zentralen (Chandoline, Fionnay und Nendaz) können damit bei einer Gesamtleistung von 800 MW innerhalb von 2200 Stunden verstromt werden. Um den Energievorrat optimal nutzen zu können, wurde die Anlage Cleuson-Dixence gebaut. Mit dieser Anlage ist es möglich, die Produktionsleistung um 1200 MW zu erhöhen und die Turbinierungsdauer auf 1000 Stunden zu senken. Das erlaubt zu Zeiten großen Energiebedarfs eine schnelle Stromeinspeisung.
Aufbau und Bau der Anlage
Die gesamte Anlage ist unterirdisch errichtet. Zum Bau der Anlage war die Neubohrung einer Wasserfassung in die Grande Dixence, der Neubau des Zuleitungsstollens zum Wasserschloss Tracouet und der Neubau eines Verbindungsdruckschachts zwischen Tracouet und Bieudron notwendig. Die maximale Bruttofallhöhe des neuen Druckschachtes beträgt 1883 m bei einer Abflussmenge von Q=75 m3/s.
Für den Anlagenkomplex Cleuson-Dixence liefern insgesamt 50 Gletscher mit über 80 Wasserfassungen und 5 Pumpstationen das Wasser für den Stausee. Im Jahresmittel beträgt die Wassermenge 500 Mio. m3, davon werden 470 Mio. m3 im Sommer gepumpt, wenn das Eis der Gletscher schmilzt. Das abgearbeitete Wasser fließt in die Rhône.
Am 12. Dezember 2000, noch innerhalb der Testphase, zerbarst der Druckschacht der Anlage Cleuson-Dixence. Die Ursache waren vermutlich mangelhafte Röntgenuntersuchung entlang der Längsschweißnähte der Rohre. Durch den Totalstillstand der Anlage entstand ein enormer wirtschaftlicher Schaden.
Die Instandsetzungsarbeiten begannen 2005 und umfassten die gesamte Länge des Abschnitts Tracouet–Bieudron. Neben der Verkleidung des bestehenden Schachtes wird die Unfallstelle mit einem tiefliegenden Beipass umgangen. Die Inbetriebnahme ist für 2009 geplant.
Die Kraftwerke
Das Kraftwerk Nendaz befindet sich unterirdisch im Berg und besitzt 6 Peltonturbinen bei einer Gesamtleistung von 390 MW. Das Kraftwerk Nendaz wird nicht direkt vom Lac des Dix gespeist, sondern bekommt Wasser vom höher gelegenen Kraftwerk Fionnay zugeführt.
Das Wasserkraftwerk Bieudron liegt nur wenige 100 m von dem Kraftwerk Nendaz entfernt an der Rhône. Es handelt sich um ein Kavernenkraftwerk, da es ebenfalls unterirdisch errichtet wurde. Seit dem Schadensfall im Dezember 2000 liegt das Werk jedoch still.
Staumauer Grande Dixence
Die Grande Dixence ist mit einer Höhe von 285 m die höchste Gewichtsstaumauer der Welt und besitzt eine Speicherkapazität von 400 Mio. m3. Sie misst an ihrer breitesten Stelle 200 m, verjüngt sich bis zur Krone auf 15 m Breite. Ihr Gewicht beträgt 15 Mio. Tonnen. Zum Vergleich: Das zum Bau der Mauer verwendete Material reicht aus, um die Erde auf Höhe des Äquators mittels einer 1,5 m hohen und 10 cm breiten Mauer einmal zu umrunden.
Der zum Kraftwerk zugehörige Stausee Lac des Dix befindet sich im oberen Teil des Val d’Hérémence, etwa 17 km von Sion entfernt. Der Stausee liegt in einer Höhe von 2365 m ü. NN und wird von der welthöchsten Gewichtsstaumauer gestaut.
Bereits in den 30er Jahren begann man mit dem Bau einer ersten Staumauer. Die heutige Staumauer Grande Dixence wurde von 1951 bis 1965 mit dem Ziel errichtet, den bestehenden See zu vergrößern und damit dem steigenden Energiebedarf Rechnung zu tragen.
Bei Druckschwankungen infolge unterschiedlicher Wasserstände messen sieben Pendel mit einem Gewicht von je 150 kg feinste Verformungen. Zur Kontrolle von Undichtigkeiten und Unterläufigkeit wird der Wasserdruck unter den Fundamenten und im Gestein mit Hilfe von Manometern und drei automatischern Messstationen ermittelt. Über die gesamte Staumauer hinweg beträgt der maximale Leckfluss lediglich Q=12 l/s.
Der hinter der Mauer gestaute See Lac des Dix erstreckt sich auf einer Länge von 5,3 km und umfasst eine Fläche von 3,65 km2. Er wird durch 35 Gletscher mit einem Einzugsgebiet von 375 km2 gespeist.
21.08.07 – Massa-Pegel und Wasserfassungen am Aletschgletscher; Hochwasserproblematik der Stadt Brigg
Der Aletschgletscher, seit 2001 Bestandteil des UNESCO-Weltnaturerbes, ist mit einer Fläche von 87 km2* der größte und mit einer Länge von rund 24 km* auch der längste Gletscher der Alpen. Er befindet sich auf der Südabdachung der Berner Alpen. Die Masse des gesamten Eises wurde mit 27 Milliarden Tonnen* berechnet. Das Schmelzwasser dieser enormen Eismenge könnte jeden Menschen auf der Erde während sechs Jahren jeden Tag mit einem Liter Wasser versorgen.
(* Daten von 1973)
Zu Erfassung des Schmelzwassers dient der Massa-Pegel bei einer Höhe von 1446 müNN. Der Fluss Massa, der vor allem aus dem Schmelzwasser des Aletschgletschers gespeist wird, mündet nach der Massaschlucht und der Nutzung im Wasserkraftwerk Gibidum in die Rhône.
Die benötigte W-Q-Beziehung am Massa-Pegel wird dabei anhand von Modellen validiert, da praktische Messungen mit dem Messflügel nur bei Niedrigwasser möglich sind. Am Tag der Besichtigung betrug der mittlere Abfluß MQ=21,6 m3/s. Die Pegelanlage ist mit 25 mm dicken Stahlplatten ausgestattet. Durch den enormen Erosionseinfluss des Gletscherabflusses besitzen diese Platten eine Speziallegierung bei einer Lebensdauer von lediglich 5-6 Jahren.
Die Pegelstation ermöglicht die grafische Darstellung von Radarmessung, Temperatur und Wasserstand sowie die Datenübertragung via Modem an den Zentralcomputer in Bern. Auf Grund der guten Datenverfügbarkeit trägt die Station somit auch zum Hochwasserschutz bei.
Weiterer Besichtigungspunkt waren die Wasserfassungen des Kraftwerks Mörel. Dort wird das Gletscherwasser mit einer Ausbauwassermenge 3,5 m3/s bzw 3,7 m3/s im Riederhornstollen durch Entsander und Eisrechen hindurchgeleitet. Anschließend gelangt das Wasser durch die ca. 1,5 km langen Druckleitungen zur Kraftwerkszentrale Mörel.
Zum Abschluss des Tages besuchten wir die Hubbrücke und Pegelanlage von Brigg am Fluss Saltina. Durch die Überlastung des Gerinnes bei Abflüssen größer 140 m3/s (HQ(150)) kam es häufig zu katastrophalen Überschwemmungen. Gründe hierfür sind einerseits das Einzugsgebiet des Flusses mit extremen Höhenunterschieden und reliefbedingten starken Niederschlägen sowie andererseits die Lage der Stadt Brigg auf dem Schwemmkegel der Saltina. Zusätzlich wirkt sich die historische Kanalisierung des Flusses sowie der Bau zu niedriger Brücken aus.
Als Gegenmaßnahmen wurden innerhalb der Stadt im Flusslauf mehrere Geschiebekammern, eine Erhöhung der Böschung sowie eine sich selbst hebende Brücke installiert. Im Hochwasserfall erfolgt die Hebung der 152 Tonnen schweren Brücke innerhalb von 6 Minuten auf ein 3 m höheres Niveau, wodurch das Bauwerk geschützt und ein besserer Abfluss ermöglicht wird. Die Pegelstation, ursprünglich mit einem Schwimmerschreibpegel ausgestattet, wurde durch das Hochwasser im Herbst 1993 völlig zerstört. Heute ist ein Radarpegel installiert, wobei die Daten digital und analog erfasst werden.
22.08.07 – Transfer und Rheinfall Schaffhausen
Der Rhein ist der größte und wasserreichste Fluss Deutschlands. Bei Schaffhausen überwindet er die Felsenstufe des Jura am rund 240 m ü. NN gelegenen Rheinfall und fließt in westliche Richtung als Hochrhein bis Basel.
Der Rheinfall ist aufgeteilt in 3 nebeneinander liegende Fälle: Zürcher Fall, Schaffhausener Fall und Mühlefall
Breite des Falles |
150 m |
---|---|
Höhe des Falles |
23 m |
Tiefe des Beckens |
13 m |
Alter des Falles |
14000-17000a |
MQ Sommer |
600 m3/s |
MQ Winter |
250 m3/s |
NNQ |
95 m3/s (1921) |
HHQ |
1250 m3/s (1965) |
Im Wesentlichen führten 2 Hauptfaktoren zur Entstehung des Rheinfalls. Zum einen der dortige Felsuntergrund, des weiteren die bedeutend jüngeren geologischen Vorgänge während der Eiszeit. Vor circa 500'000 Jahren setzten auf Grund einer Temperatursenkung die ersten Gletschervorstöße in das Mittelland ein. Dadurch wurde die heute dort existierende Landschaft ausgebildet. Der Rhein wurde während der Würmeiszeit südlich abgedrängt und erreichte oberhalb des Rheinfalls das heutige Flussbett aus hartem Malmkalk. Bei dem Übergang von Malmkalk zu der leicht abtragbaren risszeitlichen Schotterrinne entstand der Rheinfall vor etwa 15'000 Jahren. Die Rheinfallfelsen stellen die Überreste der ursprünglich sehr steil abfallenden Kalksteinflanke dar.
23.08.07 – Donaukarstexkursion, Aachquelle
Die Donau durchquert auf ihrem Weg von der Quelle in Donaueschingen bis zur Mündung im Schwarzen Meer den Schwarzwald. Das Durchflussgebiet nach dem Schwarzwald, ein kristalliner Grundkörper mit jurassischer Schichtenfolge, setzt sich aus Kalken und Mergeln zusammen. Dadurch findet auf der Strecke zwischen dem Pegel Kirchen-Hausen und Möhringen eine Reduktion der Durchflüsse statt, die der Versickerung des Wassers in das Karstsystem geschuldet ist. Das Hauptversickerungsgebiet bildet dabei die Strecke zwischen Immendingen/Möhringen und Fridingen. Bei Mittelwasser kann man etwa von einer Halbierung zwischen Kirchen-Hausen (MQ=12,81 m3/s*) und Möhringen (MQ=7,05 m3/s**)sprechen. Im Niedrigwasserfall fällt die Donau auf dieser Strecke für mehrere Monate ganz trocken. Auch im mittleren Hochwasserfall wird die durchfließende Wassermenge beeinflusst, aufgrund des beschränkten Versickerungspotenziales hält sich die Wirkung jedoch in Grenzen. Interessant ist die Zunahme des Wertes für extremste Hochwasser mit der Fließrichtung um ca. 14 %. Grund dafür sind zwei Zuflussbäche auf der Fließstrecke, die erst bei größeren Hochwässern einen Einfluss haben.
(Stand der Daten: *1923–1988, **1925–1988)
Zur Untersuchung dieses Phänomens wurde im Jahr 1702 zum ersten Mal die Hypothese aufgestellt, dass das versickerte Wasser als Quellschüttung der Aachquelle wieder an die Oberfläche gelangt. Erst im Jahre 1877 konnte man durch einen Tracerversuch mit 200 Zentnern Kochsalz den Nachweis erbringen. Dabei wird die Aachquelle von einem 400 km2 großen unterirdischen und einem 240 km2 großen oberirdischen Einzugsgebiet gespeist. Im Hinblick auf die mittlere Quellschüttung (MQ=8,19 m3/s ) ist sie die größte Quelle Deutschlands. Unterirdisch fließt das Wasser im Durchschnitt 60 Stunden bis zum Austritt an der Achquelle.
Zwei Drittel der Gesamtschüttung der Aachquellregion bilden einen Teich, den Aachtopf, der bis zu 18 Meter tief ist. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit der Erforschung der Aachtopfhöhle begonnen. In den 1980er Jahren wurde die Höhle systematisch durch Harald Schetter erforscht und umfangreiches Foto- und Filmmaterial erstellt.
Als Folge der Donauversickerung versuchten in früheren Zeiten die württembergischen Donauanlieger durch Verstopfen der Versinkungslöcher dem Schwund des Donauwassers Einhalt zu gebieten. Dies führte aber zum "Badisch-Würtembergischem Ur-Streit" mit den Badenern, welche die Region um die Aachquelle bewohnten.
Der Pegel Möhringen liegt durchschnittlich an 130 Tagen im Jahr trocken, so dass ein MNQ von 0 m3/s erreicht wird. Aufgrund der ausgeprägten Phase des Niedrigwassers wurde ein schiefes Wehr konstruiert, um auch noch so kleine Abflüsse messen zu können. Durch die Zunahme des Versickerungspotenzials als Folge von Erosion im Karstsystem kann man zukünftig von mehr Tagen mit Vollversickerung ausgehen. Deshalb verliert die Donau zunehmend Wasser an den Rhein.
Danksagung
An dieser Stelle möchten sich die Hydrologiestudenten des Jahrganges 2003 noch einmal bei Herrn Dr. Schwarze und Herrn Stodolny für Ermöglichung dieser Exkursion bedanken. Besonderer Dank gilt auch der "Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden e.V." für ihre finanzielle Unterstützung, welche einen erheblichen Beitrag zur Realisierung der Exkursion leistete.
Verantwortlich für Bilder und Inhalte sind Paul Lehmann und Sebastian Schneider.