Große Hydrologische Exkursion 2018
Im Modul „Regionale Hydrologie“ wurde eine große Exkursion veranstaltet, die verschiedene Aspekte und Einblicke in die Hydrologie bietet. Dabei konnten die Studenten sowohl einige spezielle Arbeitsfelder eines Hydrologen, als auch besondere regionale hydrologische bzw. hydrogeologische Phänomene kennenlernen. Die Exkursion fand vom 20.08. bis 29.08.2018 statt und führte über Süddeutschland nach Österreich und die Schweiz sowie in den bayerischen Wald. Der genaue Ablaufplan ist im Folgenden dargestellt.
Montag, 20.08.2018 | Anreise, Karsthydrologie - Blautopf |
Dienstag, 21.08.2018 | Forschung zum Bodensee, Inst. f. Seenforschung Langenargen LUBW Baden-Württemberg |
Mittwoch, 22.08.2018 | Wasserwerk Sipplingen, Rheinfall, Pfänder |
Donnerstag, 23.08.2018 | Wasserkraftwerk Vorarlberg Ill-Werke, Beeinflussung regionaler Wasserhaushalt und Abflussregime |
Freitag, 24.08.2018 |
Abwasserreinigung für ein touristisches Zentrum im Hochgebirge - Säntis |
Sonnabend, 25.08.2018 | Geomorphologie, Felssturz Flims, Rheinschlucht, Permafrost |
Sonntag, 26.08.2018 | Schloss Tarasp, Guarda, Weissfluhjoch |
Montag, 27.08.2018 | Wachsender Felsen Usterling |
Dienstag, 28.08.2018 | Forschung im Nationalpark Bayerischer Wald |
Mittwoch, 29.08.2018 | Rückreise |
Tag 1 - Blautopf
Bei der hydrologischen Exkursion war eine Begutachtung des Blautopfs in der Nähe von Ulm am ersten Tag angedacht. Hierzu sah sich die Gruppe den Trichter des Blautopfs, den Ursprung der Blau und die intensive Blaufärbung des Wassers an. Der Blautopf ist die zweit wasserreichste Karstquelle in Deutschland und liegt in der Schwäbischen Alb, spezifischer im Norden des Hochsträß in Blaubeuren. Aus dieser Quelle entspringt die Blau, welche im späteren Flussverlauf zunächst in die Donau und schließlich im Schwarzen Meer mündet. Die Ursache für die Entstehung des Höhlensystems innerhalb des Karstgesteins ist im Zusammenhang mit der hydrologischen Geschichte des Donauverlaufes und verschiedener geologischer Prozesse zu erklären, welche das Flussbett der Urdonau vor circa 11.000 Jahren stark veränderten.
Tag 2 - Bodensee, Institut für Seenforschung Langenargen LUBW
Am zweiten Tag der Exkursion wurde das Institut für Seenforschung (ISF) der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) in Langenargen am Bodensee besucht. Die Studenten wurden von Herrn Dr. Thomas Wolf am Institut in Empfang genommen. Am Vormittag wurden der Bodensee und ihm zugehörige Forschungsprojekte von Institutsmitarbeitern in vier Vorträgen vorgestellt. Am Nachmittag nahmen die Studenten an einer Messfahrt mit dem Forschungsboot „Kormoran“ des Institutes für Seenforschung auf dem Bodensee teil. Das ISF wurde 1919 als Anstalt für Bodenseeforschung der Stadt Konstanz gegründet. Im Jahr 1960 wurde das Institut verstaatlicht und 1975 wurde es in die Landesanstalt für Umweltschutz Baden Württemberg eingegliedert. Heute nimmt das ISF einen Teil der Landesverwaltung ein und beschäftigt sich mit angewandter Forschung zu den Themen vorsorgender Gewässerschutz, Trinkwasserversorgung und nachhaltiges Wasserressourcenmanagement für den Bodensee sowie über 4000 kleine Seen in Baden-Württemberg. Der Bodensee liegt im Bodenseebecken, welches ein Teil des nördlichen Alpenvorlandes ist. Er umfasst die zwei Seen Obersee und Untersee sowie den sie verbindenden Flussabschnitt Seerhein. Als zweitgrößter Alpensee besitzt er eine Oberfläche von 536 km² und eine Uferlänge von 273 km mit einem Volumen von 48 km³. Er erstreckt sich über 63 km und an der breitesten Stelle misst er 14 km. Die tiefste Stelle beträgt 252 m. Der Name des Bodensees leitet sich vom Namen des kleinen Ortes Bodman ab (Wolf, 2018).
Tag 3 - Wasserwerk Sipplingen, Rheinfall, Pfänder
Die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) wurde am 25. Oktober 1954 als Zweckverband aus 13 Städten und Gemeinden gegründet. Ziel war es, dem Wassermangel in vielen Gemeinden der Schwäbischen Alb sowie im Raum Stuttgart beizukommen. Heute ist die BWV mit einer Mitgliederzahl von 147 Städten, Gemeinden und 34 anderen Wasserversorgungs-Verbänden einer der größten Fernwasserversorger Deutschlands. Insgesamt versorgt die BWV rund vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg mit Trinkwasser (Bodenwasser-Wasserversorgung, 2018).
Nach der Führung durch das Wasserwerk Sipplingen am Bodensee stand als nächster Programmpunkt die Besichtigung des Rheinfalls an. Der Rheinfall entstand vor etwa 15.000 Jahren im Zusammenhang verschiedener geohydrologischer Prozesse im Gebiet Schaffhausen und Neuhausen a. Rhf. Die Vorgänge und die damit einhergehenden Veränderungen des Rheinverlaufs wurden durch verschiedene im Quartär auftretende Eiszeiten ausgelöst. Heute weist der Rheinfall über eine breite von ca. 150 Metern eine mittlere Fallhöhe von 23 Metern auf. Der mittlere Sommerabfluss beträgt etwa 600 m³/s.
Nach der Erkundung des Gebiets folgte eine kurze Autofahrt auf den Pfänder, wo erneut die Rheinvorstreckung in den Bodensee begutachtet werden konnte und ein Tagesabschluss stattfand.
Tag 4 - Wasserkraftwerk Vorarlberg Ill-Werke
Am Donnerstag wurde eine Exkursion zu den Illwerken vkw, welche in der Region Vorarlberg in Österreich den größten Energiedienstleister darstellen, unternommen. Die Energiegewinnung erfolgt dabei ausschließlich über Wasserkraft sowie anderen erneuerbaren Energieträgern. Dass dazu in den natürlichen Wasserhaushalt eingegriffen werden muss, liegt auf der Hand. Zu den Illwerken gehören eine Vielzahl an Kraftwerken, welche über die ganze Region verteilt sind. Im südlichen, alpin geprägten Teil sind die meisten und vor allem auch leistungsstärksten Kraftwerke anzutreffen. Gesteuert werden die Anlagen dabei über das Illwerke Zentrum im Montafon, welches unser erstes Exkursionsziel darstellte. Neben einer kurzen Einführungsveranstaltung konnte ebenfalls die Steuerzentrale besichtigt werden. Im Anschluss folgte die Besichtigung des Kopswerk II. Das 2008 in Betrieb genommene Kopswerk II ist das leistungsstärkste Pumpspeicherkraftwerk der Illwerke. Es befindet sich unterirdisch in einer Kaverne. Die große Besonderheit des Werks ist der Hydraulische Kurzschluss, welcher hier erstmals umgesetzt wurde. Damit ist das Kraftwerk nicht nur im Turbinenbetrieb, sondern auch im Pumpbetrieb von 0 % bis 100% regelfähig. Die volle Regelfähigkeit sowie der schnelle Wechsel der Betriebsarten (Pumpbetrieb oder Turbinenbetrieb) machen das Kopswerk II zu einem der modernsten Pumpspeicherkraftwerke weltweit.
Als Abschluss erfolgte die Besichtigung der Speicheranlagen Silvretta und Kops. Hier wurde der Eingriff in den Wasserhaushalt besonders deutlich. Mit den künstlich angelegten Speicherseen wird das Wasser in der Region gehalten. Des Weiteren kann mit dem Pumpspeicherkraftwerk das Wasser wieder zur oberhalb liegenden Speicheranlage zurückbefördert werden.
Tag 5 - Säntis
Am fünften Tag der Exkursion standen wasserwirtschaftliche Aspekte auf dem Programm, es wurden die Abwasserreinigungsanlagen auf der Schwägalp und dem Säntisgipfel besichtigt.
Angekommen auf der Schwägalp wurden wir durch den technischen Leiter Herr Wehrli begrüßt und zunächst über das Gebiet der Schwägalp und den Säntis informiert. Das Gebiet ist stark touristisch geprägt, da die Säntis-Schwebebahn von der Schwägalp auf den Säntisgipfel führt und jährlich von zahlreichen Besuchern genutzt wird. Anschließend besuchten wir die Abwasserreinigungsanlage der Schwägalp, die als Membranbelebungsreaktor-Anlage mit integrierten Plattenmembranmodulen ausgeführt ist. Durch den Einsatz von Membrantechnik erhöht sich die Effizienz der Abwasserbehandlung erheblich.
Die Schwägalp ist gleichzeitig die Talstation der Säntis-Schwebebahn. Also ging es für die gesamte Exkursionsgruppe an diesem Tag hoch hinaus. Mit der Säntis-Schwebebahn fuhren wir zum Gipfel des Wetter- und Aussichtsberges Säntis auf 2502 m Höhe. Auf dem Berg angekommen, erhielten wir mit einem Kurzfilm einen Eindruck von der historischen Entwicklung des Säntisgipfels. Danach besichtigten wir die Abwasserreinigungsanlage, den Funkturm und die Wetterstation. Die Abwassereinigungsanlage auf dem Säntisgipfel ist ebenfalls eine Membranbelebungsreaktor-Anlage, die verbauten Membranmodule sind jedoch als Hohlfasermembranen ausgeführt.
Nach kurzer Zeit zur freien Verfügung auf dem Gipfel und einem Gruppenfoto in dichtem Nebel fuhren wir gemeinsam wieder ins Tal zurück und machten uns auf den „Heimweg“ Richtung Davos.
Tag 6 - Flimser Bergsturz & Rheinschlucht
Die Exkursion führte zum Flimser Bergsturzgebiet. Hier wurde das Rheintal etwa 15 km südlich von Chur im schweizerischen Kanton Graubünden durch die alpidisch größte Bergsturzmasse bedeckt. Zur Würm-Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren war das Gebiet vom Rheingletscher überdeckt. Dieser zermürbte den anstehenden Fels. Nach Abschmelzen des Rheingletschers und dem Auftauen des Permafrostes in den Gesteinsklüften wurde das Gebirge zunehmend instabil, sodass sich nach fortschreitender Erosion vor etwa 9.500 Jahren das Bergsturzereignis abspielen konnte. Durch die Bergsturzmassen konnte der Vorderrhein nicht mehr ungehindert in Richtung Bodensee abfließen und wurde zum sogenannten „Ilanzer See“ aufgestaut. Nach weiteren 1.000 Jahren brach der künstliche Damm. Heute befindet sich die Stadt Ilanz im ehemaligen Becken des Ilanzer Sees. Die aus Quintnerkalk bestehende Bergsturzmasse unterliegt Erosions- und Karstbildungsprozessen. Bis heute hat sich der Vorderrhein zu einer 400 m tiefen Schlucht, dem Schweizer Grand Canyon, in das Tal hineingeschnitten.
Bei der Fahrt durch das Bergsturzgebiet konnte man die Abbruchflächen an den Talhängen, das aufgefüllte Tal und die durch den Bergsturz transportierten und abgelagerten Toma-Hügel betrachten. Den Höhepunkt des Exkursionstages bildete eine Wanderung, die in Flims Waldhaus startete, am Caumasee (Quellaufstoß) vorbeiführte und zum Ziel eine Aussichtsplattform Il Spir (= der Mauersegler) mit überwältigendem Blick auf die Rheinschlucht hatte. Später fuhren wir in das Tal hinunter und liefen ein Stück am Rheinufer entlang, um die Schlucht von einer anderen Perspektive zu betrachten.
Tag 8 – Wachsender Felsen Usterling
Am Nachmittag des 27. August wurde das einzige hydrologisch relevante Ziel dieses Tages angefahren. Der wachsende Felsen von Usterling ist ein besonderes Beispiel für spezielle Kalkbildung. Der hohe Kalkgehalt kommt aus den Lockergesteinen der Süßwassermolassen. Diese Gesteine sind abgetragener Kalkschutt, der von Flüssen ins Alpenvorland transportiert wurde. Die Süßwassermolassen sind ca. 20 Millionen Jahre alt und kommen damit aus dem Tertiär. Diese Formation wird auch Johannisfelsen genannt und war lange ein Wallfahrtsort.
Calciumcarbonat wird in Form von Calciumhydrogencarbonat im Wasser gelöst. Der Anteil Kohlensäure und damit CO2 im Wasser steuert die Lösung des Calciumcarbonats im Wasser. Beim Quellaustritt steigt die Temperatur und der Druck nimmt ab. Dadurch gelangt CO2 aus dem Wasser (Kohlensäure) in die Luft und Calciumcarbonat fällt aus. Viel Calciumhydrogencarbonat im Wasser und eine geringe Quellschüttung begünstigen das. Zusätzlich entziehen Algen dem langsam fließenden Wasser CO2. Das organische Material wird von Kalk umschlossen und die Struktur wird gefestigt. Algen und Moose wachsen Richtung Licht und es wird ein Damm nach oben aufgebaut. Am Scheitel dieses Dammes fließt das Wasser. Durch die beim Wachsen eingeschlossenen Algen und Moose entstehen Hohlräume im Kalk, wodurch diese Formation sehr porös ist. Weil die Rinne so porös ist, muss sie gepflegt und im Winter das Wasser umgeleitet werden, da sonst Schäden durch Frost entstehen könnten. Der wachsende Fels ist mittlerweile 37 m lang und bis 5,4 m hoch. Er wird auf etwa eintausend Jahre geschätzt.
Tag 9 – Bayerischer Wald
Zuerst besuchten wir das Nationalparkzentrum im Hans-Eisemannhaus in Neuschönau. Herr Beudert vom Nationalpark Bayerischer Wald hielt einen Vortrag über die Forschungen im Nationalpark, welcher sich im Hinteren Bayerischen Wald, direkt an der Grenze zur Tschechischen Republik befindet. Er war der erste Nationalpark in Deutschland und wurde am 7. Oktober 1970 gegründet. Fichte ist hier die dominierende Baumart. In den 1990er Jahren starben viele Bäume durch den Befall vom Borkenkäfer (Ips typographus) ab. Die Organisationsstruktur des Nationalparks gliedert sich in fünf Sachgebiete zu Wäldern, Strömung und Naturschutzmanagement. Herr Dr. Schwarze hielt einen Vortrag über die Entwicklung eines hydrologischen Modells zur DOC-Mobilisierung – Schwerpunkt Hochwassergenese im Einzugsgebiet der Großen Ohe. Der Niederschlags-Abfluss-Prozess wird durch die räumliche Heterogenität der Gebietseigenschaften beeinflusst und die Abflusskomponenten wurden mit der Software DIFGA (Differenzganglinienanalyseverfahren) analysiert.
Nach einer Stärkung in der Racheldiensthütte am Mittag startete die Exkursion in den Nationalpark. Als erstes wurde das Messfeld unter dem Buchenstand aufgesucht. Auf diesem Messfeld wird langfristiges integriertes Ökosystemmanagement unter den Aspekten der Versauerung, Eutrophierung und Ozon betrieben. Auf dem Messfeld werden sowohl der wassergebundene als auch der stoffgebundene Haushalt des Ökosystems quantifiziert. Die einzelnen Komponenten des Wasserhaushaltes werden mithilfe von Messgeräten auf dem Messfeld quantifiziert und im Labor chemisch analysiert. Der biomassegebundene Stofftransport wird in tote und lebende Biomasse aufgeteilt und entsprechend getrennt erfasst.
Der zweite Programmpunkt im Nationalpark war das Messfeld unter einem regenerierenden Fichtenbestand. Der Schwerpunkt dieser Messungen lag auf dem Stoffhaushalt im Störungsregime, wobei hier die Störung des Ökosystems auf einen Befall des Buchdruckers (Ips typographus) zurückzuführen ist, welcher ein großräumiges Waldsterben im Bayerischen Wald verursachte. Hinzu kam durch den Sturm Kyrill verursachter Windwurf im Jahr 2010. Da so eine größere Menge der Strahlung den Boden erreicht, wird eine Verjüngung des Fichtenbestandes ermöglicht. Als nächstes wurde der Messturm Schachtenau besucht. Die Untersuchungen, welche auf diesem Messfeld stattfinden, fokussieren sich auf Immissionen sowie dem Nettosystemaustausch von CO2 nach Windwurf. Anschließend wurde der Pegel Taferlruck an der Große Ohe aufgesucht. Hier wurde der biologische sowie anthropogene Einfluss auf die Abflussmenge sowie die Wasserqualität thematisiert. Die Exkursion klang mit einem gemeinsamen Abschlussgrillen, währenddessen jeder Teilnehmer das Erlebte noch einmal Revue passieren ließ, an der Bärlochhütte aus.
Danksagung
Im Rahmen der Exkursion von der Professur für Hydrologie besuchten zwölf Studenten des Masters der Hydrologie und der Wasserwirtschaft vom 20. bis 29. August 2018 verschiedene Stationen in Deutschland und in der Schweiz. Auf diese Weise konnten regionalhydrologische Phänomene des Bodensees, des Säntis und des Bayrischen Waldes näher betrachtet werden. Dank der großzügigen Unterstützung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der TU Dresden e.V. bei den anfallenden Unterhaltskosten konnte die Exkursion realisiert werden.