Jun 17, 2019
Interview mit Sebastian Rätze zu seinem Forschungsaufenthalt an der Colorado State University
Sebastian Rätze, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juniorprofessur Strategisches Management, ist Anfang Juni von einem dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der Colorado State University, Fort Collins, USA zurückgekehrt, wo er am Department of Management, College of Business, bei Professor M. Travis Maynard zu Gast war. In einem Interview erzählt er, wie es zu dem Forschungsaufenthalt kam, was es bei der Organisation zu beachten gab und wieso er jederzeit wieder einen längeren Auslandsaufenthalt wahrnehmen würde.
An welchem Institut hast Du genau gearbeitet und wie entstand der Kontakt dahin?
Ich habe drei Monate am Department of Management, College of Business, der Colorado State University verbracht und dort mit Professor M. Travis Maynard und weiteren amerikanischen Kollegen zusammen geforscht. Travis ist dort Department Chair und Professor für Management. Kennengelernt habe ich ihn auf dem Annual Meeting der Academy of Management (AOM) 2017 in Atlanta. Ich habe dort in einem Vortrag einen gemeinsam mit meiner Betreuerin, Stephanie Duchek, erstellten Multilevel-Review zur Resilienz in Organisationen präsentiert und Travis, der selbst ein ausgewiesener Experte für Reviews, Multilevel-Forschung und Team Adoption ist, sprach mich im Anschluss an diese Session direkt an. Innerhalb der folgenden Konferenztage trafen wir uns mehrfach wieder und vertieften unsere Gespräche. Nach der Konferenz hielten wir per E-Mail Kontakt, was für die Weiterentwicklung unseres Multilevel-Reviews sehr hilfreich war. Im Rahmen eines längeren Lehraufenthaltes in Deutschland besuchte mich Travis im Sommer 2018 dann für einen Tag an unserer TU Dresden, um gemeinsam an einem Paper zu arbeiten. Spätestens nun entstand die Idee, im Jahr 2019 für einige Zeit zu ihm an die Colorado State University zu gehen.
Von August 2018 bis Februar 2019 ist nicht viel Zeit, wie bist Du bei der Organisation des Auslandsaufenthaltes vorgegangen?
Nach unserem gemeinsamen Meeting in Dresden begann ich umgehend damit, mich mit den Einreisebestimmungen in die USA auseinander zu setzten und die Realisierbarkeit eines solchen Auslandsaufenthaltes mit der Fakultät abzustimmen. Da die Beantragung eines Visums ein relativ langwieriger sowie zeit- und kostenintensiver Prozess ist, entschied ich mich nur für einen Zeitraum von knapp 3 Monaten wegzugehen. Für einen Aufenthalt von bis zu 90 Tagen, der nicht mit vor Ort bezahlter Arbeit verbunden ist, darf man mittels ESTA-Genehmigung (vereinfachtes Einreiseverfahren auf Basis einer Kooperation der USA mit diversen Ländern weltweit) in die USA einreisen. Als mein konkreter Reisezeitraum im Oktober 2018 feststand, habe ich mich sowohl beim DAAD als auch bei der Graduiertenakademie der TU Dresden für ein Stipendium für einen Kurzforschungsaufenthalt im Ausland beworben. Zuerst erhielt ich dann die Förderzusage von der Graduiertenakademie in Höhe von 3.000 €. Die Flüge kosteten ca. 800 €, gewohnt habe ich in einer günstigen Airbnb-Unterkunft für ca. 500 € Miete im Monat. Die operativen Kosten konnte ich mit den 3.000 € so ganz gut abdecken. Abgesehen davon, dass ich mich über die Förderzusage der Graduiertenakademie sehr gefreut habe, war für mich aber von Anfang an klar, dass ich auch ohne einen Förderzuschuss die Reise angetreten hätte.
Wie bist Du an der Colorado State University und in Fort Collins aufgenommen worden?
Zunächst ist Fort Collins, das etwa so groß ist wie Dresden, eine sehr schöne, studentische Stadt. Es gibt viele Bars und Konzert-Locations, gutes Essen, gute Biere und die attraktive Lage unterhalb der Rocky Mountains lädt zu Ausflügen in die Natur ein. Mit Denver ist zudem eine Großstadt in unmittelbarer Nähe, die diverse weitere Ausflugsziele bietet.
Das Team am Department of Management bestand ausschließlich aus Professoren, da das College of Business kein PhD-Programm besitzt. Dennoch wurde ich vom gesamten Team sehr offen empfangen und vom ersten Tag an voll integriert. Neben vielen interessanten informellen Gesprächen, wurde ich zu allen während meines Aufenthaltes stattfindenden Veranstaltungen (z. B. Vorträge externer Forscher, einem Treffen des HR-Networks des Colleges, Berufungsvorträgen) sowie Social Events eingeladen. Mit Travis habe ich gleich zu Beginn des Aufenthalts einen Meilensteinplan erarbeitet, d. h. wir haben festgelegt, was wir in den drei Monaten schaffen wollen. In enger Kooperation und regelmäßigem persönlichem Austausch haben wir Teilprojekte erstellt, uns mit der Auswahl potentieller Outlets für unsere Forschungsergebnisse beschäftigt, passende Kooperationspartner ausgewählt und zusammen an Proposals bzw. Manuskripten gefeilt. Travis und seine Familie haben sich zudem sehr viel Zeit für mich genommen und mich stets unterstützt, wenn ich Hilfe brauchte. Regelmäßig waren wir zu gemeinsamen Aktivitäten unterwegs, vom einfachen Feierabendtreffen, über gemeinsame Konzertbesuche, bis hin zur gemeinsamen Osterfeier bei den besten Freunden der Maynards.
Für drei Wochen war dann auch meine Promotionsbetreuerin, Stephanie Duchek, mit ihrer Familie vor Ort und wurde sowohl am Department als auch im privaten Kreise der Familie Maynard ebenso herzlich aufgenommen wie ich.
Welches Fazit ziehst Du zum Forschungsaufenthalt bei M. Travis Maynard?
Als harte Fakten kann ich darauf verweisen, dass mein bei der AOM vorgestelltes Review-Paper in Ko-Autorenschaft mit Travis und Stephanie aktuell beim Journal of Applied Psychology „under review“ ist. Gemeinsam mit Stephanie und Bradley Kirkman haben wir zudem erfolgreich ein Proposal für ein Special Issue zu Resilienz im organisationalen Kontext eingereicht, welches mit uns als Guest Editors Ende 2021 im Journal Group and Organization Management erscheinen soll. Mit Travis und weiteren amerikanischen Kollegen arbeite ich aktuell an verschiedenen weiteren Projekten. Zudem haben Travis und ich ausgemacht, unsere Kooperation in den nächsten Jahren weiter auszubauen und auch weitere gegenseitige Besuche anzustreben, da die Produktivität am selben Ort deutlich höher ist als über den großen Teich.
Davon abgesehen, habe ich in den letzten drei Monaten sehr viel gelernt, konnte mich fachlich wie persönlich weiterentwickeln und aus anfangs losen Kontakten sind neue Freundschaften entstanden. Imponiert hat mir besonders der stark ausgeprägte Fokus auf Journalpublikationen. Es war interessant zu erleben, wie z. B. Travis seine Publikationsprojekte strategisch plant und umsetzt. Zudem war es sehr spannend zu sehen, wie stark der Netzwerkgedanke in der amerikanischen Forschungslandschaft gelebt wird und wie hilfreich es sein kann, Ideen früh zu teilen und aktiv nach passenden Kooperationspartnern für konkrete Forschungsprojekte zu suchen.
In der Gesamtschau sehe ich meinen Forschungsaufenthalt für mich als sehr erfolgreich und als wichtigen Schritt in meiner akademischen Karriere an. Entsprechend würde ich es jederzeit wieder so machen und kann jeden, insbesondere Nachwuchswissenschaftler, nur dazu ermuntern, ähnliche Vorhaben anzugehen. Die begrenzte Zeit in einer neuen Arbeitsumgebung hat mir neben den vielen neuen Eindrücken auch viel Energie verliehen und große Freude bereitet. Mit Blick auf die Organisation eines solchen Aufenthaltes, speziell in Ländern, welche strengere Einreiseregularien haben, würde ich allerdings empfehlen, die Planung mit noch mehr zeitlichem Vorlauf zu beginnen, da immer wieder unvorhergesehen kleinere Probleme auftreten können.
Abschließend möchte ich mich noch bei meiner Betreuerin Stephanie Duchek für ihre von Anfang an volle Unterstützung bedanken, die mir die Durchführung des Forschungsaufenthaltes überhaupt erst ermöglicht hat, ebenso wie bei meiner Frau, die bereit war, mir in Dresden den Rücken freizuhalten und mich für fast drei Monate herzugeben, damit ich diese tolle Erfahrung machen kann.