27.03.2020
Girls‘ Day mal anders
Als Teil der TU Dresden laden wir naturwissenschaftlich interessierte Mädchen seit Jahren zum Girls´ Day ein, stellen ihnen typische Berufe des Wissenschaftsbetriebs wie Labortechnikerin, Postdoc und Forschungsgruppenleiterin vor, experimentieren mit ihnen im Labor und beantworten ihre Fragen zu den Studienmöglichkeiten am Center for Molecular and Cellular Bioengineering (CMCB) der TU Dresden mit den Masterstudiengängen Molecular Bioengineering, Nanobiophysics and Regenerative Biology and Medicine.
Auch für März 2020 hatten wir ein vielseitiges Programm vorgesehen und uns auf den Besuch der Schülerinnen gefreut. Doch wie alle anderen Veranstaltungen musste auch der Girls´ Day wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Da bleibt uns in diesem Jahr nur der virtuelle Weg, um eine unserer Wissenschaftlerinnen vorzustellen, die die Mädchen sonst live erlebt hätten:
Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich, Forschungsgruppenleiterin am CMCB, dem auch B CUBE angehört, und dem Exzellenzcluster Physics of Life (PoL) der TU Dresden
Elisabeth, Du wolltest uns zum Girls‘ Day das Zellskelett vorstellen. Was ist das?
Das Zellskelett ist ein Polymernetzwerk, dass vor allem in tierischen Zellen, also z.B. unseren Körperzellen, eine Stützfunktion ausübt, ähnlich wie das Knochengerüst in unserem Körper nur eben innerhalb einer einzelnen Zelle, d.h. auf einer viel kleineren Skala. Zellskelettpolymere sind kettenförmige Moleküle, die sich durch Zusammenlagerung von speziellen Zellskeletteiweißen bilden. Das Zellskelett ist maßgeblich an der Formgebung der Zelle beteiligt und kann, ähnlich wie ein Muskel, selbst Kräfte erzeugen, die die Zelle in eine bestimmte Form bringen. Das ist häufig wichtig um die korrekte Funktion einer Zelle zu ermöglichen. Außerdem dienen die Polymerstränge des Zellskeletts noch als eine Art zellinternes Autobahnsystem – spezialisierte Moleküle laufen entlang dieser Zellskelettautobahnen und transportieren andere Moleküle von A nach B.
Wie bist Du auf diesen Forschungsgegenstand gestoßen?
Ich bin Physikerin mit viel Interesse an Biologie und habe während meiner Doktorarbeit begonnen, mich mit biologischen Systemen zu beschäftigen. Krafterzeugung und mechanische Eigenschaften sind für Physiker natürlich besonders spannende Themen. Daher arbeite ich seit meinem Postdoc auf dem Gebiet der Zellmechanik. In diesem Forschungsgebiet wird untersucht, welche Materialeigenschaften Zellen haben. Von besonderem Interesse ist, welches Formgedächtnis Zellen und Gewebe haben und wie Kräfte in ihnen erzeugt werden. Diese Materialeigenschaften sind in der Biologie besonders relevant wenn biologische Prozesse kontrollierte Zellformveränderungen einschließen, wie z.B. während der Formentwicklung von Embryonen oder schlichtweg während der Zellteilung. Konkret untersuchen wir z.B. ob Zellskelettstrukturen sich eher wie eine Flüssigkeit oder wie ein Festkörper verhalten und auch wie der molekulare Aufbau diese Eigenschaften beeinflusst.
Du hast Physik studiert und in diesem Fach auch promoviert – was hat Dich dazu motiviert, und hat Dich der geringe Frauenanteil in diesem Fach irgendwie beeinflusst?
Ich liebe es, Rätsel zu lösen und Dingen auf den Grund zu gehen. Daher war für mich schnell klar, dass ich eine Naturwissenschaft studieren möchte. An der Physik haben mich zusätzlich der mathematische Anteil und die intellektuelle Herausforderung gereizt. Zunächst hatte ich die Vorstellung, in die Astronomie oder Kosmologie zu gehen. Während meiner Studienzeit habe ich dann das relativ junge Fachgebiet der Biophysik kennengelernt und mich dahin umorientiert.
Natürlich fällt man als weiblich Physikstudentin auf, einfach weil es relativ wenige davon gibt. Und das hat bei mir doch so manches Mal den Eindruck erzeugt, dass ich mich den Kommilitonen gegenüber besonders beweisen sollte. Aber von den Lehrenden wurden mir im Studium keinerlei Steine in den Weg gelegt.
Mittlerweile bist Du seit elf Jahren in der Wissenschaft tätig – was reizt Dich am Forschen?
Man kann bei der Forschung eigene Ideen umsetzen und kreativ sein, und die Arbeit hat definitiv spielerische Aspekte. Wenn es gut läuft, fühlt sich Forschen an, als ob du am Ende eines spannenden Rätsels ein Überraschungsei öffnest. Besonders toll ist es, wenn der Inhalt des Überraschungseis von Kollegen begeistert aufgenommen wird und sich Anwendungen ergeben, z.B. im Bereich der Medizin.
Welche Deiner Erfahrungen hättest Du zum Girls‘ Day gern mit den Schülerinnen geteilt?
Zum einen möchte ich den Mädchen sagen, dass ich es nicht als Problem empfunden habe, als Frau in einem männerdominierten Studiengang zu studieren. Und dass ich mich schnell daran gewöhnt habe, vornehmlich mit Männern zu arbeiten.
Zum anderen möchte ich mitteilen, dass die wissenschaftliche Laufbahn ein steiniger Weg ist und sich nur für absolute Überzeugungstäterinnen eignet. Eine Forscherin braucht eine hohe Frustrationstoleranz und einen langen Atem. Außerdem muss man sich darauf einstellen, über Jahre hinweg auf befristeten Verträgen zu arbeiten mit einer ungewissen Zukunft, starkem Leistungsdruck und hoher Konkurrenz. Fast die einzigen langfristig ausgerichteten Stellen sind Professuren, und die sind rar gesät – und der Frauenanteil ist hier ebenfalls gering.
Hinzu kommt, dass die Erwartungen an eine wissenschaftliche Karriere in Deutschland sehr schwer mit Elternschaft und generell mit sozialen Bindungen an andere Menschen zu vereinbaren sind. Es wird ständige Bereitschaft zu Umzügen in andere Städte und Länder erwartet. Gerade dieser Aspekt führt meiner Meinung nach häufig dazu, dass Frauen irgendwann das Handtuch werfen und die Wissenschaft verlassen.
Mein Appell an die Mädchen ist: Zeigt der Welt, dass Frauen etwas drauf haben. Habt große Ambitionen in eurem Leben, auch wenn es eventuell nicht so sehr von eurem Umfeld an euch herangetragen wird. Ihr habt nur dieses eine Leben – nutzt es als Versuch, euch einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern – dort stehen schon viel zu viele männliche Namen drin.
Danke, Elisabeth, für diesen Einblick in Deine Laufbahn und Deinen virtuellen Rat von Frau zu Frau. Hoffen wir, dass der Erfahrungsaustausch zwischen Forscherinnen und Schülerinnen zum nächsten Girls‘ Day am 22. April 2021 wieder live und vor Ort möglich sein wird. Updates hält die Website des Girls` Day parat.