04.03.2025
Verborgene Verdrillung: Forschende enthüllen die geheime Bewegung von Zilien

Links: Einzellige Grünalge Chlamydomonas mit zwei Zilien (Maßstabsbalken 3 µm). Rechts: schematische Darstellung einer verdrehten internen Struktur eines Ziliums.
Spermien bewegen sich fort, indem sie ihre Geißel rhythmisch schlagen. Ähnliche Geißeln, bekannt als Zilien, finden sich auch in Zellen der Lunge und des Gehirns, wo sie Flüssigkeit durch das Gewebe zu pumpen helfen. Die genauen Mechanismen, wie Zilien ihren rhythmischen Schlag erzeugen, werden jedoch noch immer nicht verstanden. Mithilfe innovativer Hochgeschwindigkeitsmikroskopie haben Forschende des B CUBE – Center for Molecular Bioengineering und des Exzellenzclusters Physik des Lebens (PoL) an der TU Dresden nun ein weiteres Puzzlestück gefunden. Sie haben erstmals bestätigt, dass sich Zilien während ihres Schlags verdrillen. Ihre Ergebnisse, die jetzt in Nature Physics veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass die Verdrillung des Ziliums eine Schlüsselrolle bei der Koordination der Bewegung winziger molekularer Motoren innerhalb der Zilien spielen könnte.
Ständig sind winzige, haarähnliche Strukturen, sogenannte Zilien, in unserem Körper im Einsatz. Sie transportieren Schleim mit Krankheitserregern aus unseren Atemwegen und pumpen Gehirnflüssigkeit. Ohne sie gäbe es uns nicht, da Zilien auch Spermien bewegen.
Zilien werden von taudenden molekularen Motoren angetrieben, die präzise zusammenarbeiten. Diese winzigen Maschinen erzeugen die Kraft, die das Zilium rhythmisch bewegt. Die Motoren arbeiten dabei äußerst synchron und erzeugen so ein gleichmäßiges, rhythmisches Muster. Doch trotz ihrer Bedeutung verstehen Forschende noch immer nicht vollständig, wie Zilien ihre rhythmische Bewegung erzeugen. Nun haben Wissenschaftler am B CUBE und PoL eine verborgene Verdrillung in dieser Struktur entdeckt.
Hochgeschwindigkeitsmessungen mit Nanometerpräzision
Das Team um Dr. Veikko Geyer und Prof. Stefan Diez vom B CUBE untersuchte die Zilienbewegung in Chlamydomonas reinhardtii, eine einzellige Grünalge mit zwei Zilien, die denen des Menschen sehr ähnlich sind.
„Die Verdrillung eines schlagenden Ziliums zu messen, ist sehr knifflig. Wir mussten eine Methode entwickeln, um die winzigen Verformungen mit hoher Präzision sichtbar zu machen“, erklärt Dr. Martin Striegler, der im Rahmen seiner Doktorarbeit am B CUBE die experimentelle Arbeit in diesem Projekt durchführte.
Um die Bewegung der Zilien auf mikroskopischer Ebene zu verfolgen, brachten die Forschenden winzige Goldkügelchen an der Außenseite der Zilien an. Sie nutzten die Kügelchen als nanoskopische Marker und verfolgten ihre Bewegung mit Hochgeschwindigkeitsaufnahmen bei 5.000 Bildern pro Sekunde. Dies ermöglichte es ihnen, die Zilienbewegung in drei Dimensionen mit Nanometerpräzision zu kartieren – ähnlich wie das Filmen eines winzigen Kolibri-Flügels in Zeitlupe.
Die verborgene Verdrillung
Dieser innovative Ansatz ermöglichte unerwartete neue Beobachtungen. Die Forschenden stellten fest, dass sich Zilien während des Schlags verdrillen.
„Während jedes Schlagzyklus gibt es eine Verdrillung, die sich entlang des schlagenden Ziliums von der Basis bis zur Spitze ausbreitet. Wir konnten uns davon überzeugen, dass diese Verdrillung ein Merkmal des Zilienschlags ist und wir denken, dass es entscheidend für seine Funktion ist“, sagt Dr. Veikko Geyer.
Um die Grenzen der Messungen auszureizen, war mathematische Modellierung unerlässlich. „Ohne sie hätten wir die Daten nicht interpretieren und bestätigen können, dass sich Zilien verdrehen“, sagt Prof. Benjamin Friedrich, der als Experte für Datenanalyse und mathematische Modellierung vom PoL zum Team stieß.
Interdisziplinarität als Schlüssel zum Erfolg
Diese Studie ist eine weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den TU Dresden Forschenden am B CUBE und PoL. Sie brachte Zellbiologie, innovative Mikroskopie, Bildanalyse und mathematische Modellierung zusammen.
„Unser Team hat ein potenziell entscheidendes neues Element in der komplexen Dynamik der Zilienbewegung aufgedeckt. Wir vermuten, dass die beobachtete Verdrillung eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Motoraktivität innerhalb des schlagenden Ziliums spielen könnte“, schließt Prof. Stefan Diez.
Originale Veröffentlichung:
Martin Striegler, Stefan Diez, Benjamin M. Friedrich and Veikko F. Geyer: Twist - torsion coupling in beating axonemes. Nature Physics (February 2025)
Link: https://doi.org/10.1038/s41567-025-02783-2