11.02.2021
#WomenInScience - Interview mit BIOTEC Gruppenleiterin Dr. Anna Poetsch
Der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft ist ein Tag, um die entscheidende Rolle von Frauen und Mädchen in Wissenschaft und Technik zu feiern. Das ist ein perfekter Anlass, um eine unserer Gruppenleiterinnen vorzustellen: Dr. Anna Poetsch, eine Forschungsgruppenleiterin des Mildred Scheel Nachwuchszentrums (MSNZ) am Biotechnologischen Zentrum (BIOTEC) der TU Dresden und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT).
Kannst Du erklären, woran deine Forschungsgruppe arbeitet?
Wir wollen verstehen wie unser Genom beschädigt und repariert wird, wie es Mutationen anhäuft die dann zu Krankheiten wie Krebs führen und beitragen. Diese Prozesse zu verstehen ist nur möglich, wenn man verschiedene Blickwinkel aus der Molekularbiologie, der Chemie und der Medizin kombiniert. Unser Ansatz ist es, diese Prozesse über rechnergestützte Methoden und „Big Data“ zu verstehen.
Erzähl uns bitte mehr über deinen wissenschaftlichen Weg. Wie hat deine Karriere bisher ausgesehen?
Ich habe Life Science im schönen Konstanz und später in Tokio studiert. Dann bin ich zurück nach Deutschland gekommen, um am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zu promovieren. Für meine Postdoc-Stelle hat es mich wieder in die Welt gezogen, genauergesagt nach London und Okinawa in Japan. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien bin ich in Dresden angekommen. Am Ende habe ich in drei Hauptstädten gearbeitet, aber ironischerweise bin ich ein Kleinstadtmensch mit einer Liebe fürs Wasser und das Meer.
Gab es eine Herausforderung, auf deren Überwindung Du in deiner Karriere besonders stolz bist?
Nach Abschluss meiner Promotion habe ich das Risiko auf mich genommen, das Labor zu verlassen und Programmieren zu lernen. Das war eine herausfordernde Zeit. Obwohl ich es nicht bereue, weil ich es liebe interdisziplinär zu arbeiten, hatte und hat es nach wie vor seine Herausforderungen. Meine Arbeit wird immer von Leuten aus verschiedenen Bereichen beurteilt. Ich bin stolz darauf, es so weit geschafft zu haben, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Herausforderungen schon überwunden habe.
Was war dein Traumberuf, als Du ein Kind warst?
Ich wollte mit antarktischer Zoologie arbeiten. Ich liebte Pinguine und alles, was mit der Antarktis zu tun hatte. Eigentlich tue ich das immer noch.
Eine Karriere in der Wissenschaft kann manchmal schwierig sein. Was motiviert dich, weiterzumachen?
Die Neugierde, der Drang, die Fragen zu beantworten, die mich interessieren. Manchmal kann das ein bisschen wie eine Droge sein und ich werde zum Workoholiker. Aber in schwierigen Zeiten ist es auch mein Anker um weiterzumachen.
Kannst Du dich an den besten Tag deiner Karriere erinnern? Was war es?
Der beste Tag ist schwierig auszuwählen, weil es so viele gab. Ich bin sicher, dass diese an dem Tag getoppt werden, an dem meine erste Doktorandin ihren Abschluss macht. Für den Moment würde ich sagen, dass der beste Tag mein erster großer Vortrag als junge Doktorandin war. Ich habe über meine Masterarbeit auf einer Konferenz am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg gesprochen, einem sehr renommierten Institut. Ich sprach direkt nach einem Nobelpreisträger und war sehr nervös. Ich habe mit einem Witz angefangen, der viel besser funktioniert hat als ich erwartet hatte. Das hat mich total aus dem Konzept gebracht und der ganze Vortrag wurde zu einer tollen Erfahrung mit überwältigendem Feedback.
Was denkst Du ist heutzutage die größte Herausforderung für Frauen in der Wissenschaft?
Als Frau in einem von Männern dominierten Bereich der Wissenschaft habe ich manchmal immer noch Schwierigkeiten ernst genommen zu werden. Dies sind unbewusste Prozesse, aber wir sind immer noch mit der Situation konfrontiert, dass wir mehr geben müssen, damit unser Beitrag anerkannt wird, damit uns zugehört wird, damit unsere Meinung gehört wird und zählt, damit wir einbezogen werden... Das kann man gut an den Statistiken über Autorenschaften, wissenschaftliche Preise, Einstellungsentscheidungen, Konferenzeinladungen, Redezeit in Meetings usw. sehen. Aber diese Probleme kommen mehr und mehr zum Vorschein, und es gibt eine Menge laufender Bemühungen das auszugleichen.
Wie würdest Du die Studenten ermutigen, in deine Fußstapfen zu treten?
Eigentlich würde ich das nicht, denn es war kein einfacher Weg. Es war mein Weg und ich würde ihn nicht missen wollen, aber jeder sollte seinen eigenen Weg finden um Fußstapfen zu hinterlassen. Ich würde junge Leute ermutigen, ihr Bestes zu geben, ihren eigenen Weg zu finden, verschiedene Dinge auszuprobieren und so weit wie möglich an die Grenzen zu stoßen aber sicher zu gehen, dass immer jemand für sie da ist, wenn es doch mal schiefgehen sollte.
Würdest Du eine Karriere in der Wissenschaft empfehlen?
Ja, natürlich! Es ist nicht immer einfach, aber es kann eine sehr erfüllende Erfahrung sein. Eine wissenschaftliche Karriere ist auch eine gute Vorbereitung für viele andere Lebenswege. Ich würde nicht jedem empfehlen, es für immer zu tun, aber ich würde vorschlagen, es bei Interesse mit der Wissenschaft zu versuchen und zu sehen, wohin es führt.